OGH 2Ob192/24k

OGH2Ob192/24k12.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde E*, vertreten durch Dr. Hubertus Bruzek, Rechtsanwalt in Elsbethen, gegen die beklagten Parteien 1. L*, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, 2. I*, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwalt in Salzburg, 3. K*, vertreten durch Mag. Elfriede Huttegger, Rechtsanwältin in Salzburg, 4. M*, vertreten durch Dr. Robert Krivanec, Rechtsanwalt in Salzburg, 5. I*, vertreten durch Mag. Birgit Eder, Rechtsanwältin in Salzburg, und 6. L*, vertreten durch Dr. Markus Warga, Rechtsanwalt in Hof, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der fünftbeklagten Partei F*, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer‑Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 200.212,41 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden sowie der erst-, zweit- und drittbeklagten Parteien gegen das „End-, Teil- und Zwischenurteil“ des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Oktober 2024, GZ 12 R 31/24a‑62, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00192.24K.1212.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen der klagenden sowie jene der erst-, zweit- und drittbeklagten Parteien werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin errichtete einen Kindergarten, wobei sie die Erstbeklagte mit der Planung, die Zweitbeklagte und den Drittbeklagten mit der örtlichen Bauaufsicht und dem Projektmanagement, die Viertbeklagte mit der statisch-konstruktiven Bearbeitung, die Fünftbeklagte mit den Baumeisterarbeiten und die Sechstbeklagte mit den Vollwärmeschutzarbeiten beauftragte.

[2] Mit der Fünft- und Sechstbeklagten wurde vereinbart, dass die Gewährleistungsfrist auf sechs Jahre verlängert werde. Subsidiär wurde die Geltung der Ö‑NORM B 2110 vereinbart. Nach Punkt 12.2.3.2 dieser Ö‑NORM beträgt die Gewährleistungsfrist grundsätzlich drei Jahre und für wasserberührte Flächen fünf Jahre, wobei nach Punkt 12.2.6 Gewährleistungsansprüche auch noch innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Gewährleistungsfrist gerichtlich geltend gemacht werden können, wenn die Mängel vor Ablauf der Gewährleistungsfrist gerügt oder Ansprüche auf Gewährleistung erhoben wurden.

[3] Der Kindergarten wurde am 31. 8. 2017 förmlich übergeben. Im Jänner 2020 wurde ein Wassereintritt im Bereich der Fenster festgestellt. Im Mai 2020 wurde der Deckputz abgeschlagen, sodass die Klägerin erkannte, dass das Wasser beim Vordach eingedrungen war. Sie ging schon damals davon aus, dass der Wassereintritt sowohl auf Planungsfehler als auch auf Ausführungsmängel zurückzuführen sei. Die Klägerin erstellte daraufhin im September 2020 einen Sanierungsvorschlag, der von den Beklagten aber abgelehnt wurde, weil sie sich für die Schäden nicht verantwortlich fühlten. Am 14. 9. 2020 wurde der Klägerin ein Versicherungsgutachten zur Kenntnis gebracht, wonach das Wasser auch aufgrund von Rissen an der Fassade eingedrungen war und nicht ablaufen konnte. Daraufhin gab die Klägerin, um die Verantwortung für den eingetretenen Schaden abzuklären, im November 2020 ein Privatgutachten in Auftrag, welches im Mai 2021 bei der Klägerin einlangte und Baumängel am Vordach, am Fassadensockel und an der Fassade feststellte.

[4] Die Klägerin begehrt mit ihrer am 14. 9. 2023 eingebrachten Klage 200.212,41 EUR sA, nämlich 125.640,81 EUR zur Sanierung des Vordaches, 24.780,92 EUR zur Sanierung des Fassadensockels und 49.700,41 EUR zur Sanierung der Fassade.

[5] Die Beklagten und die Nebenintervenientin bestritten ihre Verantwortung und wendeten Verjährung ein.

[6] Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil nach § 393a ZPO fest, dass das Klagebegehren nicht verjährt sei.

[7] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es das gegen die erst-, zweit-, dritt- und sechstbeklagte Partei gerichtete Klagebegehren im Teilbetrag von 125.641,08 EUR sA, das gegen die Viertbeklagte gerichtete Klagebegehren zur Gänze und das gegen die Fünftbeklagte gerichtete Klagebegehren im Teilbetrag von 175.341,49 EUR sA abwies und feststellte, dass die im Übrigen geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht verjährt seien.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die außerordentliche Revision der Klägerin sowie jene der Erstbeklagten, der Zweitbeklagten und des Drittbeklagten sind nicht zulässig.

[9] 1. Die Klägerin wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen auch gegenüber der Fünft- und Sechstbeklagten bereits abgelaufen sei. Das Berufungsgericht hat dies damit begründet, dass ein redlicher Verkehrsteilnehmer die Vereinbarung, dass die Gewährleistungsfrist auf sechs Jahre verlängert werde, dahin verstehe, dass die Frist zur Geltendmachung solcher Ansprüche abschließend geregelt werde, sodass die in Punkt 12.2.6 der Ö‑NORM B 2110 vorgesehene Verlängerung der Frist zur Geltendmachung solcher Ansprüche abbedungen worden sei. Diese Auslegung entspricht den Vorgaben des § 914 ABGB, wonach zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen ist (RS0017915). Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanz mit den allgemein anerkannten Grundsätzen im Einklang, kommt der Frage, ob ein Vertrag richtig ausgelegt wurde, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776; RS0112106).

[10] 2. Die Klägerin beruft sich auf die Rechtsprechung, wonach mehrere zur Herstellung desselben Werks bestellte Unternehmer im Sinne eines „technischen Schulterschlusses“ verpflichtet sind, alles zu vermeiden, was das Gelingen des Werks vereiteln könnte (RS0021880). Die Kooperationsverpflichtung der auf einer Baustelle tätigen Unternehmen umfasst auch Warn‑ und Kontrollpflichten (RS0021634). Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin kann daraus aber keine pauschale Verantwortlichkeit eines Unternehmens für jedwede Baumängel abgeleitet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht eine Warnpflicht nämlich nur im Rahmen der eigenen Leistungspflicht und der damit verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten (RS0022268). Allein daraus, dass sich das Gewerk eines anderen Unternehmers nachteilig auf das eigene Gewerk auswirken kann, folgt noch keine Prüfpflicht (7 Ob 152/16b). Im Übrigen hat die Klägerin kein Vorbringen erstattet, aus dem ableitbar wäre, dass die Viert- und Fünftbeklagte auch für außerhalb ihres Verantwortungsbereichs eingetretene Schäden haften würden.

[11] 3. Nach § 1489 ABGB verjähren Schadenersatzansprüche in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt wurde. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beginnt die Verjährungsfrist erst, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt wurde, dass er mit Aussicht auf Erfolg eine Klage einbringen kann (RS0034524). Der Beginn der Verjährung setzt damit voraus, dass dem Geschädigten auch die Schadensursache und der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden bekannt geworden ist (RS0034366; RS0034387; RS0034951).

[12] 4. Der den Anspruch begründende Sachverhalt muss dem Geschädigten aber nicht in allen Einzelheiten bekannt sein (RS0034524 [T24, T25]). Der Geschädigte darf mit seiner Schadenersatzklage auch nicht so lange zuwarten, bis er sich seines Prozesserfolgs gewiss ist (RS0034524 [T10, T20]). Die Frage, wann eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann, ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0034524 [T10, T23, T32]). Bereits im Mai 2020 hat sich herausgestellt, dass das Wasser beim Vordach eingedrungen war. Die Klägerin ging schon damals davon aus, dass dies sowohl auf Planungsfehler als auch auf Ausführungsmängel zurückzuführen sei. Dass das Berufungsgericht unter diesen Umständen vom Beginn der Verjährungsgfrist ausging, ist nicht zu beanstanden.

[13] 5. Die Erstbeklagte, die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte machen geltend, dass auch die Schadenersatzansprüche hinsichtlich des Fassadensockels und der Fassade verjährt seien. Tatsächlich lässt sich den Feststellungen des Erstgerichts aber nicht entnehmen, dass der Klägerin diese Baumängel bereits im Mai 2020 bekannt gewesen wären, sodass die Klägerin insofern auch noch nicht auf eine fehlerhafte Planung oder mangelnde Bauaufsicht schließen konnte. Vielmehr hat die Klägerin erst am 14. 9. 2020 aufgrund des Versicherungsgutachtens erfahren, dass auch die Fassade mangelhaft ist. Die Klage vom 14. 9. 2023 wurde daher nach § 902 Abs 2 ABGB am letzten Tage der dreijährigen Frist des § 1489 ABGB eingebracht (RS0017517).

[14] 6. Die Behauptung des Drittbeklagten, dass nur die Zweitbeklagte mit der Bauaufsicht beauftragt worden sei, widerspricht den getroffenen Feststellungen. Auch wenn der Drittbeklagte später mit der Zweitbeklagten übereingekommen ist, dass die Bauaufsicht überwiegend von der Zweitbeklagten wahrgenommen werden soll, kann ihn dies im Hinblick auf § 1313a ABGB gegenüber der Klägerin nicht von seiner Haftung befreien.

[15] 7. Die Revisionen waren daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zurückzuweisen.

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