OGH 2Ob182/99z

OGH2Ob182/99z24.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Erlagssache des Erlegers Dr. Viktor I*****, wider die Erlagsgegner Wilhem P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Broesigke und Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien und andere, wegen S 3,204.832,08, infolge Revisionsrekurses des Erlagsgegners Wilhelm P***** GmbH, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. März 1999, GZ 45 R 180/99z, 45 R 181/99x-49, womit dessen Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. September 1998, GZ 4 Nc 253/98k-3, zurückgewiesen und den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. Dezember 1998, GZ 4 Nc 253/98k-35, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 16. September 1998, ON 3, richtet, Folge gegeben. Der Beschluß des Erstgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Antrag den Erlag von S 3,165.131,93 samt Zinsen gerichtlich anzunehmen und den Erlagsbetrag fruchtbringend anzulegen, abgewiesen wird.

2. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung des Beschlusses des Erstgerichtes vom 23. 12. 1998, ON 35, richtet, wird ihm nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Antragsteller beantragte als rechtskräftig enthobener Masseverwalter im ehemaligen Konkurs über das Vermögen der Wilhelm P***** GmbH den Erlag von S 3,165.131,93 samt bankmäßig noch nicht abgerechneter Zinsen gerichtlich anzunehmen und den Erlagsbetrag fruchtbringend anzulegen; die Ausfolgung des Erlagsgegenstandes solle nur über schriftlichen einverständlichen Antrag der Erlagsgegner oder aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgen. Es werden 26 Erlagsgegner angeführt, darunter auch die Wilhelm P***** GmbH.

Zur Begründung des Erlagsantrages brachte der Antragsteller vor, es handle sich bei dem Erlagsgegenstand um ein auf einem Anderkonto erliegendes restlich verbliebenes Masseguthaben. Der Sachverhalt ergebe sich aus der beigeschlossenen, auch an den Kammeranwalt der Rechtsanwaltskammer Wien ergangenen Darstellung, welche einen integrierenden Bestandteil dieses Antrags darstelle, wonach es sich um bestrittenes Fremdgeld handle. Der Erlag stütze sich auf § 1425 ABGB (mehrere Forderungsprätendenten, Unklarheit der Rechtslage). Der Erleger habe daher ein rechtliches Interesse an der Annahme des Erlages.

Dem Erlagsantrag ist die Kopie einer Sachverhaltsdarstellung der genannten GmbH an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer angeschlossen, in der der Antragsgegnerin vorgeworfen wird, sie beabsichtige, den Erlagsgegenstand zu veruntreuen.

Mit dem Beschluß vom 15. 9. 1998, ON 3, hat das Erstgericht den Erlag von S 3,204.832,08 als Masseguthaben samt Habenzinsen aus dem ehemaligen Konkursverfahren über das Vermögen der genannten GmbH gemäß § 1425 ABGB wegen unklarer Rechtslage und Vorhandensein mehrerer Forderungsprätendenten zu Gericht angenommen und ausgesprochen, daß die 26 Erlagsgegner nachweislich verständigt werden. Die Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien wurde ersucht, obigen Betrag in Verwahrung zu nehmen, fruchtbringend anzulegen und hierüber zu berichten. Die Ausfolgung erfolge nur über einen einvernehmlichen schriftlichen Antrag sämtlicher Erlagsgegner oder aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung.

Mit Anträgen vom 21. 9., 15. 10., 19. 10., 26. 11., 1. 12., 3. 12., 11. 12. und 22. 12. 1998 beantragte die genannte GmbH die Ausfolgung bzw Teilausfolgung des hinterlegten Betrages. Diese Anträge hat das Erstgericht mit Beschluß vom 23. 12. 1998, ON 35, zurück- bzw abgewiesen.

Den gegen die Annahme des Erlages gerichteten Rekurs dieser GmbH hat das Rekursgericht zurückgewiesen, dem gegen die Zurück- bzw Abweisung der Ausfolgungsanträge gerichteten Rekurs wurde nicht Folge gegeben. Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

Zur Zurückweisung des Rekurses gegen die Annahme des Erlages vertrat das Rechtsmittelgericht die Ansicht, die Genehmigung der Hinterlegung berühre die materiellrechtliche Stellung des Erlagsgegners nicht. Die in der Entscheidung 4 Ob 218/98g vertretene Rechtsansicht werde nicht geteilt. Es finde sich nämlich kein rechtlicher Grund, weshalb eine Differenzierung deshalb vorzunehmen sei, weil zugunsten mehrerer Gegner hinterlegt wurde. Die Tatsache, daß es bei einer Mehrheit von Erlagsgegnern schwieriger sei, die Ausfolgung des Erlages zu erwirken, gestatte keine Differenzierung dahin, daß ein Erlagsgegner die Schlüssigkeit des behaupteten Erlagsgrundes im Rechtsmittelverfahren nicht überprüfen lassen könne, wohl aber einer von mehreren. Daß bei mehreren Erlagsgegnern die Ausfolgung naturgemäß mit mehr Schwierigkeiten verbunden sei, sei dem Tatsachenbereich zuzuordnen.

Zu den Ausfolgungsanträgen führte das Rekursgericht aus, die im Annahmebeschluß angeführten Voraussetzungen für die Ausfolgung seien nicht gegeben.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgegangen sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des oben genannten Erlagsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Erlagsantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und in eventu weiters beantragt, den Erlagsantrag lediglich hinsichtlich eines Teilbetrages von S 827.646,26 und hinsichtlich von zwei Erlagsgegnern zu bewilligen und im übrigen abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 218/98g (=

ecolex 1999, 168 = EvBl 1999/42 = JBl 1999, 315 = ÖBl 1999, 495 =

ZfRV 1999, 61) ausgeführt hat, hängt die Rechtsmittellegitimation des Antragsgegners davon ab, ob der Annahmebeschluß seine materielle Rechtsstellung berührt. Das ist nicht der Fall, wenn der Erlag nur zugunsten eines Erlagsgegners erfolgt, weil dann, wenn kein Erlagsgrund vorliegt, der Erleger dem Erlagsgegner in gleicher Weise haftet, wie er ohne Erlag haftete. Bei einer Mehrheit von Forderungsprätendenten muß ein Erlagsgegner in der Regel allerdings das Einverständnis der übrigen Erlagsgegner beibringen. Es bedeutet für ihn naturgemäß einen Unterschied, ob er einem oder mehreren Erlagsgegnern gegenübersteht. Zwar wirkt auch in diesem Fall der Erlag nur schuldbefreiend, wenn ein Erlagsgrund besteht; es reicht aber aus, daß die Erlagsvoraussetzungen gegenüber einem der Erlagsgegner gegeben sind. Bei einer Mehrheit von Erlagsgegnern trifft es daher nicht zu, daß der Erlag die Rechtstellung des oder der Erlagsgegner unberührt ließe. Ist auch nur gegenüber einem der Erlagsgegner ein Erlagsgrund gegeben, so ist der Erleger von seiner Schuld befreit; der Berechtigte muß daher die Voraussetzungen für die Freigabe des Erlages erfüllen, um das ihm Zustehende zu erhalten. Dazu kann es notwendig sein, das Einverständnis mehrerer Erlagsgegner zu erwirken.

Aus diesen Ausführungen, denen sich auch der erkennende Senat anschließt, ergibt sich also, daß - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - bei einer Mehrheit von Erlagsgegnern der Annahmebeschluß die materielle Rechtsstellung den Erlagsgegner berührt.

Das Rekursgericht hat daher den Rekurs zu Unrecht zurückgewiesen; in einem solchen Fall kann der Oberste Gerichtshof im Außerstreitverfahren selbst in der Sache entscheiden (4 Ob 218/98g).

Im Erlagsgesuch ist der Erlagsgrund anzugeben, das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung im Sinne des § 1425 an sich taugt; nicht ist hingegen zu prüfen, ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist. Dem Erlagsgericht obliegt (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung; sie verhindert, daß die Gerichte aus beliebigen Gründen mit Verwahreraufgaben belastet werden. Insoweit kann der Annahmebeschluß im Rechtsmittelverfahren überprüft werden (4 Ob 218/98g mwN).

Gemäß § 1425 ABGB steht es "dem Schuldner bevor, die abzutragende Sache bei dem Gericht zu hinterlegen", wenn eine Schuld aus dem Grunde, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann. Im vorliegenden Fall kommt nur ein anderer wichtiger Erlagsgrund im Sinne des § 1425 ABGB in Frage. Ein solcher liegt bei mehreren Forderungsprätendenten dann vor, wenn der Schuldner bei zumutbarer Prüfung nicht ermitteln kann, wer Gläubiger ist (4 Ob 218/98g mwN). Jedenfalls aber darf der wichtige Grund, dessentwegen der Erlag begehrt wird, nicht in der Person des Erlegers liegen (Reischauer in Rummel2, Rz 4 zu § 1425 mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller im Erlagsgesuch keinen tauglichen Erlagsgrund angegeben. Auszugehen ist wohl davon, daß er nicht selbst im Sinne der an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer gerichteten Sachverhaltsmitteilung behauptet, er beabsichtige, die Gelder zu veruntreuen. Vielmehr ist der Erlagsgrund wohl die Abwehr des Verdachtes und die Widerlegung der Behauptung, er beabsichtige die Treuhandgelder (das bei ihm verbliebene restliche Masseguthaben) zu veruntreuen. Mag auch das Anliegen, derartige Vorwürfe auf der Stelle zu entkräften, berechtigt sein, so handelt es sich dabei um keinen tauglichen Erlagsgrund nach § 1425 ABGB, weil dieser Grund lediglich in der Person des Antragstellers liegt. Ansonst hat der Antragsteller wohl behauptet, es lägen mehrere Gläubiger vor, er hat aber nicht dargelegt, weshalb er den Schuldner nicht bei zumutbarer Prüfung ermitteln könnte. Das Vorhandensein mehrerer Gläubiger allein bedeutet noch keinen tauglichen Erlagsgrund, ansonst könnte ja jeder Masseverwalter erlegen. Es wurde im Erlagsantrag auch nicht dargelegt, worin die unklare Rechtslage liegen soll.

Das Erstgericht hat daher den Erlag zu Unrecht angenommen, weshalb in Stattgebung des Revisionsrekurses der Erlagsantrag abzuweisen war.

Damit bleibt aber kein Raum mehr für die vom Antragsteller begehrte Ausfolgung des Erlages, weshalb seinem Rechtsmittel insoweit nicht Folge zu geben war.

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