OGH 2Ob179/48

OGH2Ob179/4827.4.1949

SZ 22/61

Normen

ABGB §1325
AngG §23
VersVG §67
VersVG §148
ABGB §1325
AngG §23
VersVG §67
VersVG §148

 

Spruch:

Beträge, die dem Geschädigten auf Grund einer privaten Unfallversicherung zufließen, sind auf die vom Schädiger zu erbringende Schadenersatzleistung nicht anzurechnen (§§ 67 und 148 VersVG.).

Zur Frage der Anrechnung der Angestelltenabfertigung auf den Schadenersatz (§ 23 Abs. 6 AngG.).

Entscheidung vom 27. April 1949, 2 Ob 179/48.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Gatte der Klägerin war durch einen Autounfall getötet worden, den der Beklagte verschuldet hatte.

Das Erstgericht und das Berufungsgericht haben der Klägerin Schadenersatz zugesprochen in Form der Zahlung eines Unterhaltsbetrages für die Zeit bis 21. August 1966, d. i. bis zu jenem Tage, den der Gatte der Klägerin vermutlich nicht überlebt hätte, auch wenn er nicht beim Unfall ums Leben gekommen wäre. Auf diese Schadenersatzleistung wurde von den Gerichten erster und zweiter Instanz jener Betrag nicht angerechnet, der der Klägerin auf Grund einer privaten Unfallversicherung zugeflossen war. Die der Klägerin vom Dienstgeber ihres Gatten ausbezahlte Abfertigung wurde von den Gerichten erster und zweiter Instanz nur in der Form auf die vom Beklagten zu erbringende Schadenersatzleistung angerechnet, daß sie den Beginn der vom Beklagten zu leistenden Rentenzahlung um jene Zeit hinausschoben, für die gemäß § 23 Abs. 6 Angestelltengesetz die Abfertigung ausbezahlt worden war.

In der vom Beklagten erhobenen Revision wurde der Antrag gestellt, die Urteile der Unterinstanzen dahin abzuändern, daß die Beträge der privaten Unfallversicherung der Klägerin und ihrer Abfertigung zur Gänze auf die vom Beklagten zu zahlende Schadenersatzleistung angerechnet werden.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit die Revision geltend macht, daß die der Klägerin vom Dienstgeber ihres Gatten ausbezahlte Abfertigung zur Gänze auf die vom Beklagten zu erbringenden Leistungen anzurechnen sei, ist sie unbegrundet. Die Klägerin hat vom Dienstgeber ihres Gatten infolge der Auflösung des Dienstverhältnisses durch dessen Tod eine Abfertigung gemäß § 23 Abs. 6 Angestelltengesetz in der Höhe von viereinhalb Monatsbezügen ihres Gatten erhalten. Die Untergerichte haben diese Abfertigung in der Art auf den vom Beklagten zu leistenden Schadenersatz angerechnet, daß sie den Beginn der vom Beklagten zu leistenden Rentenzahlung um viereinhalb Monate hinausschoben. Der Beklagte strebt aber die weitergehende Anrechnung der Abfertigung in der Art an, daß der gesamte ziffernmäßige Geldbetrag der Abfertigung auf seine Leistungen angerechnet wird. Hiedurch gelangt er zur Anrechnung eines erheblich höheren Betrages, da der vom Getöteten zuletzt bezogene Monatsgehalt erheblich höher war als die Monatsbeträge der vom Beklagten nach den Urteilen der Untergerichte zu zahlenden Rente. Es würde daher bei Anrechnung des gesamten ziffernmäßigen Abfertigungsbetrages die Rentenzahlung des Beklagten noch erheblich später zu beginnen haben.

Mit diesem Begehren ist der Beklagte nicht im Rechte. Dies ergibt sich schon aus folgenden Erwägungen:

Die Untergerichte haben den Anspruch der Klägerin mit 21. August 1966 als Endtermin befristet, da sie angenommen haben, daß der Gatte der Klägerin, auch wenn er von dem Unfall nicht betroffen worden wäre, diesen Tag nicht überlebt hätte. Bis zu diesem Zeitpunkte ist der Klägerin die begehrte Rente unter der weiteren Annahme zugesprochen worden, daß ihr Gatte bis zu diesem Tag Dienst gemacht und jenen Lohn empfangen hätte, der der Berechnung der Rente zugrunde liegt. Die Entscheidungen der Untergerichte beruhen daher auf der Fiktion, daß das Dienstverhältnis des Gatten der Klägerin am 21. August 1966 durch dessen Tod gelöst worden wäre, während es bis dahin aufrechtbestanden hätte. Hieraus folgt, daß die Klägerin für die Zeit nach 21. August 1966 eine Abfertigung gemäß § 23 Abs. 6 Angestelltengesetz zu erhalten hätte, welche vermutlich erheblich höher wäre als die derzeit vom Dienstgeber ihres Gatten an sie ausgezahlte. Jedenfalls hätte sie noch für eine gewisse Zeit nach 21. August 1966 vom Beklagten den Ersatz der dann fällig werdenden Abfertigungsbeträge mit einer gewissen Quote zu erhalten. Diesen Anspruch hat die Klägerin dadurch verloren, daß sie die Abweisung ihres Begehrens für die Zeit nach 21. August 1966 durch die Untergerichte rechtskräftig werden ließ. Dies ändert aber nichts daran, daß eine Anrechnung der bereits bezogenen Abfertigung auf die ersten vom Beklagten zu bezahlenden Rentenbeträge unzulässig ist, daß vielmehr eine solche Anrechnung erst auf die nach 21. August 1966 zu zahlenden Renten hätte erfolgen können, die sich der Beklagte im vorliegenden Falle nach den obigen Ausführungen ohnedies erspart hat. Gegen die Art der Verrechnung der Abfertigung auf die Leistungen des Beklagten in der Zeit vom 5. November 1946 bis 20. März 1947 könnte sich daher nur die Klägerin, niemals aber der Beklagte beschweren.

Ebenso unbegrundet ist die Revision, wenn sie gegen die Unterlassung der Anrechnung jener Beträge auf die Leistungen des Beklagten Stellung nimmt, die der Klägerin auf Grund einer privaten Unfallversicherung aus Anlaß des strittigen Unfalles zugeflossen sind. Die Meinung Wolff's in Klang's Kommentar, auf die sich die Revision zur Stütze ihrer Ausführungen beruft, hat in die Rechtsprechung nicht Eingang gefunden. Die Rechtsprechung hält vielmehr seit langer Zeit (Entscheidung GlUNF. 4221) an dem Grundsatz fest, daß - anders als bei der Schadenversicherung - sich bei der Unfallversicherung der Geschädigte auf seine Ansprüche gegen den Beschädiger jene Beträge nicht anrechnen lassen muß, die ihm auf Grund einer privaten Unfallversicherung zugekommen sind. Dieser Grundsatz wird auch von der Lehre vertreten (siehe Ehrenzweig, "Versicherungsvertragsrecht", S. 887, Anm. 9; Ehrenzweig, "Rechtsordnung", S. 465; Bruck, "Privatversicherungsrecht", S. 666, Anm. 4).

Dieser Grundsatz kommt auch im Versicherungsvertragsgesetz dadurch zum Ausdruck, daß bei der Schadensversicherung in § 67 der gesetzliche Übergang der Schadenersatzforderung des Geschädigten auf den Versicherer festgesetzt wird, während eine analoge Bestimmung in dem Abschnitt über die Unfallversicherung fehlt. Hiedurch wird auch der wirtschaftliche Ausgleich auf Seite des Schadenersatzpflichtigen herbeigeführt. Denn bei jenen Versicherungszweigen, bei denen sich der Ersatzverpflichtete auf seine Leistungen jene Beträge anrechnen kann, die der Geschädigte vom Versicherer erhalten hat, muß er anderseits diese Beträge infolge der erwähnten cessio legis an den Versicherer leisten. Hievon bleibt er bei der Unfallversicherung nach dem Gesetze bewahrt.

Es entsprechen daher die Entscheidungen der Unterinstanzen auch in der Frage der Anrechnung der Unfallversicherungsbeträge dem Gesetz.

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