OGH 2Ob163/17k

OGH2Ob163/17k28.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr.

Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef-Pongratz-Platz 1, 8011 Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. D***** D*****, und 2. D***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen 79.824,44 EUR sA und Feststellung über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. Juli 2017, GZ 2 R 110/17i‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00163.17K.0928.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne dass ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorläge, und das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten können wegen ihrer Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS‑Justiz RS0087606). Ob die Verschuldensteilung angemessen ist, ist eine bloße Ermessensentscheidung, bei der im Allgemeinen– von einer krassen Verkennung der Rechtslage abgesehen – eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist (RIS‑Justiz RS0087606 [T2]).

Im vorliegenden Fall fällt dem erstbeklagten Pkw-Lenker eine Alkoholisierung von 1,24 Promille und eine Reaktionsverspätung von 2,2 Sekunden zur Last. Der verletzte Fußgänger war mit 1,61 Promille alkoholisiert, ihm ist bei Dunkelheit und Regen ein Verstoß gegen § 76 Abs 4 lit b StVO vorzuwerfen.

Die Vorinstanzen hielten eine Verschuldensteilung von 1:1 für angemessen.

Die Revisionswerberin strebt eine Verschuldensteilung von 2:1 zu Lasten des Pkw-Lenkers an.

Die Beurteilung der Vorinstanzen ist aber nicht korrekturbedürftig. Denn sämtliche von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Entscheidungen sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht hinreichend vergleichbar:

In der Entscheidung 2 Ob 12/74 war der alkoholisierte Fußgänger auf der Fahrbahn gestürzt, bevor er überfahren wurde.

Im zu 8 Ob 200/74 (ZVR 1975/193) entschiedenen Fall wurde keine Alkoholisierung des Fußgängers festgestellt.

In der Entscheidung 8 Ob 18/81 war die Fußgängerin (nur) „mäßig“ alkoholisiert, der Pkw-Lenker hingegen mit 2,05 Promille. Überdies wurde der Fußgängerin kein Verstoß gegen § 76 Abs 4 lit b StVO, sondern das Gehen am rechten Fahrbahnrand (entgegen § 76 Abs 1 StVO) vorgeworfen.

Im Fall 8 Ob 155/81 war der Grad der Alkoholisierung des Fußgängers nicht feststellbar, während der Pkw-Lenker „erhebliche Mengen“ an Alkohol zu sich genommen hatte. Der Fußgänger ging am rechten Fahrbahnrand und stürzte vor der Kollision auf die Fahrbahn.

In 2 Ob 402/70 (ZVR 1971/154) war der Pkw‑Lenker stärker als im vorliegenden Fall alkoholisiert, nämlich mit 1,7 Promille, und konnte den Fußgänger erheblich früher (150 m) wahrnehmen als im vorliegenden Fall (knapp 42 m). Überdies gelangte der Oberste Gerichtshof zu einer Verschuldensteilung von 3:2 zu Lasten des Pkw‑Lenkers.

In der Entscheidung 2 Ob 131/72 (ZVR 1973/219) war der Fußgänger mit 1,7 Promille, der Pkw-Lenker hingegen erheblich stärker als im vorliegenden Fall alkoholisiert, nämlich mit 1,8 bis 2,1 Promille. Der Fußgänger trat nicht – wie im vorliegenden Fall – auf die Fahrbahn, sondern saß auf der Fahrbahn 80 cm vom rechten Fahrbahnrand entfernt.

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