Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat den Beklagten die mit S 4.337,09 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 600,-- Barauslagen und S 339,74 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 18.6.1980 ereignete sich gegen 4,40 Uhr in der Laxenburgerstraße in Wien 10. ein Verkehrsunfall. In der Mitte der Laxenburgerstraße befindet sich ein eigener Gleiskörper der Straßenbahn; der stadtauswärts führende Fahrbahnteil weist einen Parkstreifen und zwei "aktive", durch eine Leitlinie getrennte Fahrstreifen auf. Der Zweitbeklagte lenkte einen bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten LKW stadtauswärts auf dem linken Fahrstreifen, betätigte den rechten Blinker und bog etwa 50 m später nach rechts in die Einfahrt des Hauses Nr.68-72. Wegen der Größe des Fahrzeuges war es nur vom linken Fahrstreifen aus möglich, in die Hauseinfahrt zu gelangen. Zur gleichen Zeit fuhr der Kläger mit seinem PKW auf dem rechten Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h stadtauswärts. Als er sich dem Heck des LKWs auf 32 m genähert hatte, begann der Zweitbeklagten, der zu diesem Zeitpunkt den rechten Blinker längst eingeschaltet hatte, mit dem Rechtseinbiegemanöver aus dem zweiten Fahrstreifen. Der Kläger reagierte prompt, konnte aber einen Kontakt nicht mehr verhindern. Bei Einhalten einer Geschwindigkeit von 50 km/h wäre es ihm möglich gewesen, rechtzeitig anzuhalten. Der Kläger war Erstbesitzer des PKWs und hatte diesen sechs Wochen vor dem Unfall um S 240.000,-- erworben. Der Kilometerstand zur Unfallszeit betrug 1.600 km. Der Kläger verkaufte das Wrack um S 15.000,--. Von der Kaskoversicherung erhielt er einen Betrag von S 213.750,--.
Gestützt auf das Alleinverschulden des Zweitbeklagten macht der Kläger Schadenersatzansprüche geltend und zwar neben verschiedenen anderen Forderungen S 40.000,-- Wertminderung und S 11.250,-- Kaskoselbstbehalt.
Die Beklagten wendeten Alleinverschulden des Klägers ein und betritten im Hinblick auf den eingetretenen Totalschaden auch die Berechtigung der für den Sachschaden begehrten Ersatzbeträge. Das Erstgericht sprach dem Kläger S 44.140,-- samt Zinsen zu und wies ein Mehrbegehren von S 48.834,-- ab. Es ging bei dieser Entscheidung davon aus, daß die Wertminderung S 30.000,-- betragen habe und eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 vorzunehmen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, mit der der gesamte abweisende Teil bekämpft worden war, nicht Folge. Der Berufung der Beklagten, die den stattgebenden Teil zur Gänze bekämpfte, gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es bestätigte den Zuspruch eines Betrages von S 34.765,-- samt Zinsen, änderte das Ersturteil aber dahin ab, daß S 53.569,-- samt Zinsen abgewiesen werden. Hinsichtlich eines Betrages von S 4.640,-- wurde das Ersturteil aufgehoben. Das Berufungsgericht billigte die vom Erstgericht vorgenommen Verschuldensteilung.
Geschwindigkeitsüberschreitungen um 40 % seien bei Verschuldensabwägungen nicht zu vernachlässigen, besonders wenn der Unfall bei Einhaltung der vorschriftsmäßigen Höchstgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Wer aber selbst gegen Vorschriften der StVO verstoße und eine erhöhte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer schaffe, könne sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Für ein Rechtsüberholen habe es an den Voraussetzungen des § 15 Abs2 lit a StVO gefehlt, woran auch das Vorhandensein einer Leitlinie nichts ändere. Für den Kläger habe eine unklare Verkehrslage bestanden (Herabsetzung der Geschwindigkeit durch den LKW, verlangsamtes Befahren der zweiten Fahrspur trotz freier rechter Fahrspur), wobei ihm sowohl ein Rechtsüberholen trotz mangelnder Sicht auf die Blinker - so das Berufungsvorbringen - oder mangels Wahrnahme des eingeschaltenen Blinkers in gleicher Weise zur Last falle. Das vorschriftswidrige Rechtsüberholen mit einer im Ortsgebiet unzulässigen Geschwindigkeit von 70 km/h bei unklarer Verkehrslage stelle ein schweres Verschulden dar, dem ein gleichschweres des Zweitbeklagten gegenüberstehe. Dieser habe sich ohne ausreichende Beachtung des Nachfolgeverkehrs und ohne Wahrnehmung des Klagsfahrzeuges im Rückspiegel so weit vom rechten Fahrbahnrand eingeordnet, daß der durch eine Leitlinie abgegrenzte rechte Fahrstreifen freigeblieben sei, und sei nach rechts eingebogen, ohne sich vergewissert zu haben, ob sich bei Bedachtnahme auf alle Möglichkeiten in Betracht kommende Verkehrsteilnehmer richtig verhalten und das Einfahren in eine Hauseinfahrt aus der zweiten Spur rechtzeitig erkennen würden. Zur Abänderung führte das Berufungsgericht aus, nach jüngerer Rechtsprechung und Lehre dürfe der Ersatz eines Schadens zu keiner Bereicherung des Geschädigten führen. Der Kläger habe den PKW um S 240.000,-- gekauft, habe für das Wrack S 15.000,-- und von der Kaskoversicherung S 213.750,-- erhalten. Gemessen am Neuwert als oberste Grenze eines Schadens bleibe daher höchstens ein Betrag von S 11.250,--. Dieser Betrag finde bei jeder Schadensberechnung entweder durch den verbliebenen Selbstbehalt, der dem Geschädigten im Vorrang vor dem Kaskoversicherer zu ersetzen sei und damit keiner Kürzung zufolge des halben Mitverschuldens unterliege, oder durch die Hälfte der unbestrittenen, mit S 30.000,-- festgestellten Wertminderung Deckung und begrenze in diesem Umfang den Erfolg der von den Beklagten gegen die Höhe des zuerkannten Ersatzes gerichteten Berufung. Dem Kläger gebühre daher für den Schaden am PKW noch ein restlicher Ersatz von S 11.250,--.
Das Berufungsgericht erklärte die Revision für nicht zulässig. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, in der die Abänderung im Sinne der gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens beantragt wird. Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben. Zunächst ist zu erörtern, ob die Revision im Zulassungsbereich liegt. Hiebei ist davon auszugehen, daß im Ersturteil von den begehrten S 92.974,-- ein Betrag von S 44.140,-- zugesprochen und S 48.834,-- abgewiesen wurden. Dieses Urteil bekämpften die Parteien zur Gänze. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil insgesamt (in seinem abweisenden und stattgebenden Teil) hinsichtlich S 78.959,--, änderte es hinsichtlich S 9.375,-- ab und hob wegen S 4.640,--auf. Wenn auch die Bestätigung zu Lasten des Klägers nur S 48.834,-- betrifft, müssen für die Beurteilung der Frage, ob der von der Bestätigung betroffene Teil S 60.000,-- übersteigt, beide bestätigenden Teile des Urteils des Berufungsgerichtes, obwohl sie zugunsten verschiedener Parteien ergingen, zusammengerechnet werden (Petrasch in ÖJZ 1983,175). Daraus folgt, daß die Revision hinsichtlich des bestätigenden Teiles jedenfalls im Zulassungsbereich liegt. Der von der Abänderung betroffene Teil übersteigt zwar S 15.000,-- nicht, doch beträgt der Beschwerdegegenstand insgesamt S 58.209,--. Daß der Beschwerdegegenstand hinsichtlich der Bestätigung und der Abänderung gesondert zu beurteilen wäre, kann § 502 ZPO nicht entnommen werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision liegt daher zur Gänze im Zulassungsbereich. Soweit die Revision die Verschuldensteilung betrifft, liegt keine Frage vor, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Dem Kläger ist anzulasten, daß er im Ortsgebiet bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eine Geschwindigkeit von 70 km/h einhielt und den im linken Fahrstreifen fahrenden LKW, an dem der rechte Blinker eingeschaltet war, rechts überholte. Dem Zweitbeklagten liegt zur Last, daß er vom linken Fahrstreifen nach rechts in eine Hauseinfahrt einbog (vom rechten Fahrstreifen aus wäre ihm dies technisch nicht möglich gewesen), ohne den nachfolgenden Verkehr zu beachten. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensteilung 1 : 1 steht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht im Widerspruch, sie betrifft lediglich den Einzelfall und könnte daher eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
Anderes gilt für die Frage der Höhe des für den Fahrzeugschaden
gebührenden Ersatzes. Der Oberste Gerichtshof hat in den vergangenen
Jahren in einer Reihe von Entscheidungen fiktive Reparaturkosten und
fiktive Wertminderung zugesprochen, wenn das beschädigte Fahrzeug
nicht repariert, sondern das Wrack verkauft wurde. Der erkennende
Senat hat allerdings in der Entscheidung 2 Ob 13/84 (ZVR 1984/344 =
RZ 1984/86 = JBl1985,41) ausgesprochen, der vom Schädiger zu
ersetzende Sachschaden finde grundsätzlich seine Grenze im Zeitwert.
Diese Entscheidung wurde von Apathy - siehe dessen Besprechung in den Juristischen Blättern 1985 aaO - als weitgehende Abkehr vom traditionellen Zuspruch fiktiver Reparaturkosten bezeichnet. Es kann demnach nicht gesagt werden, die Ansicht des Berufungsgerichtes über die Obergrenze des Sachschadens sei durch einheitliche Judikatur des Obersten Gerichtshofes gedeckt.
Aus diesem Grund war die Revision wegen dieser Frage zuzulassen; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Wie der erkennende Senat in seiner mehrfach veröffentlichten Entscheidung 2 Ob 13/84 ausgeführt hat, darf die Zuerkennung von Schadenersatz nicht dazu führen, daß der Geschädigte auf Kosten des Schädigers bereichert wird. Ob es im vorliegenden Fall gerechtfertigt ist, dem Kläger den Ersatz des Neupreises zuzubilligen, weil er den PKW erst kurz vor dem Unfall gekauft hatte und die Kilometerleistung gering war, braucht nicht erörtert zu werden, weil das Berufungsgericht ohnedies nicht vom Zeitwert, sondern vom Neupreis ausging. Der Kläger hat unter Berücksichtigung des für das Wrack erzielten Erlöses und der von der Kaskoversicherung erhaltenen Leistung jedenfalls keinen Anspruch auf einen den Preis eines Neuwagens übersteigenden Betrag. Andernfalls würde eine Bereicherung des Klägers eintreten.
Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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