OGH 2Ob13/84

OGH2Ob13/8410.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Beatrix F*****, vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagten Parteien 1.) Karl G*****, 2.) E*****, beide vertreten durch Dr. Alfred Thewanger, Rechtsanwalt in Linz, wegen 27.046 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. November 1983, GZ 14 R 128/83-14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Pregarten vom 12. September 1983, GZ C 14/83 -10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat den Beklagten die mit 3.080,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 480 S Barauslagen und 236,37 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war Eigentümerin eines PKWs Marke Steyr Fiat Panda 45. Sie hatte das Fahrzeug um ca 85.800 S neu gekauft, die Erstzulassung erfolgte am 8. 8. 1981. Dieser PKW wurde am 20. 6. 1982 bei einem Verkehrsunfall, den der Erstbeklagte als Lenker und Halter eines bei der Zweibeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs verschuldet hatte, beschädigt. Der Zeitwert des PKWs, der einen Kilometerstand von 28.248 aufwies, betrug damals 65.000 S. Der Restwert nach dem Unfall betrug 15.000 S. Die Klägerin verkaufte den beschädigten PKW unrepariert um 15.000 S. Eine Reparatur wäre unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein gleichwertiges (gleich altes) Fahrzeug nur schwer zu bekommen ist, gerade noch technisch zu vertreten gewesen. Hiebei wären Reparaturkosten von 65.400 S entstanden, im Fall der Reparatur wäre eine Wertminderung von 6.000 S am Fahrzeug eingetreten. Die Klägerin forderte die Zweitbeklagte spätestens mit 9. 8. 1982 zur Akontierung eines Betrags von 60.000 S auf. Da die Zweitbeklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, nahm die Klägerin einen Kredit von 60.000 S auf, wofür ihr ab 8. 9. 1982 an Zinsen und Spesen mindestens 4.296 S entstanden. Die Zweitbeklagte bezahlte der Klägerin einen Betrag von 50.000 S.

Die Klägerin begehrte Schadenersatz und zwar 350 S Überstellungskosten, 65.400 S Reparaturkosten, 4.296 S Kredit- und Wechselspesen und 7.000 S Wertminderung, abzüglich der erhaltenen Zahlung von 50.000 S, insgesamt somit 27.046 S. Die Beklagte anerkannte die Überstellungskosten von 350 S sowie Kreditspesen von 2.608 S, beantragte im Übrigen aber die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 26.046 S samt Zinsen zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von 1.000 S samt Zinsen ab. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, die Ersatzleistung habe regelmäßig in der Reparatur der beschädigten Sache zu bestehen. Voraussetzung für den Ersatzanspruch sei nicht, ob die Reparatur tatsächlich durchgeführt werde, es sei Sache des Geschädigten, ob und wie er die Reparatur durchführen lasse. Ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten bestehe nur dann nicht, wenn die Reparatur unmöglich oder unwirtschaftlich wäre. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Differenz zwischen dem festgestellten Zeitwert von 65.000 S und dem unter Einbeziehung der Wertminderung festgestellten Kostenbetrag von 71.400 S nicht einmal 10 % der Reparaturkosten ausmache.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass lediglich ein Betrag von 4.646 S samt Zinsen zugesprochen, das Mehrbegehren von 22.400 S samt Zinsen aber abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht, das die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zuließ, führte zur Rechtsfrage aus, gerade in diesem speziellen Fall zeige sich die Fragwürdigkeit der oberstgerichtlichen Judikatur zum Ersatz fiktiver Reparaturkosten, da sie hier zum Ergebnis führe, dass die Geschädigte bei Schadensabrechnung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten als Ersatz für die Beschädigung eines knapp ein Jahr alten Fahrzeugs insgesamt einen höheren Betrag erhielte, als der Neuanschaffungspreis ausgemacht habe. Nicht von ungefähr habe diese Rechtsprechung massive Kritik in der Lehre ausgelöst (Apathy in ZVR 1981, 257 ff, Welser in ZVR 1978, Sonderheft 30 ff), insbesondere auch deshalb, weil der Oberste Gerichtshof den Ersatz fiktiver Mietwagenkosten gegenteilig beurteile, woraus sich ein vom Höchstgericht nicht begründeter Widerspruch ergebe. Aus der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (so zB ZVR 1983/36, ZVR 1981/95, ZVR 1980/325 ua), ergebe sich für das Problem des Ersatzes fiktiver Reparaturkosten folgender Ansatz: Der Geschädigte könne grundsätzlich die angemessenen Reparaturkosten verlangen, wobei es ihm überlassen bleibe, ob und wie er die Reparatur durchführen lasse. Selbst wenn er das beschädigte Auto nicht reparieren lasse, sondern einen neuen Wagen anschaffe, stehe ihm der Ersatz notwendiger und angemessener Reparaturkosten unabhängig davon zu, ob er mit dem vom Schädiger bezahlten Betrag die Kosten der Reparatur bestreite oder ihn als Grundstock für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs oder sonstwie verwende. Im gegenständlichen Fall bedürfe es keiner grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Frage, ob fiktive Reparaturkosten in keinem Fall zustünden oder ob sie unter Umständen dann in Betracht kämen, wenn noch nicht eindeutig feststehe, dass der Geschädigte keinesfalls reparieren lassen werde. Die Richtigkeit des Rechtssatzes „es ist gleichgültig, ob und wie der Geschädigte reparieren lasse“, sei also nicht zu erörtern. Zur Diskussion stehe nur der keineswegs zwingende weitere Schritt, den der Oberste Gerichtshof gehe, dass nämlich selbst der erwiesene Umstand, dass der Geschädigte an Stelle der Reparatur die Anschaffung eines Neuwagens gewählt habe, den fiktiven Reparaturkostenersatz nicht hindere. In diesem Fall stehe nämlich anders als beim „ob und wie“ der Reparatur bereits endgültig die Unmöglichkeit der Naturalrestitution fest. Wie Apathy aaO 261 f, überzeugend aufzeige, verlasse der Oberste Gerichtshof damit die Grundsätze des Schadenersatzrechts. Nach § 1323 ABGB werde ja in erster Linie Naturalersatz geschuldet (Integrationsinteresse) und nur bei Unmöglichkeit oder Untunlichkeit Geldersatz, der sich allerdings nur nach dem Wert der beschädigten Sache vor dem Schadensereignis bemesse (Wertinteresse). Um zu begründen, warum das Ausmaß des Ersatzanspruchs, obwohl Geldersatz begehrt werde, ausnahmsweise nicht nach dem Wert, sondern nach dem Aufwand der - nicht durchgeführten - Naturalherstellung gerechnet werde, meine der Oberste Gerichtshof, dieser Geldersatz habe Wiederherstellungscharakter, wobei die tatsächliche Verwendung des Geldbetrags unmaßgeblich sei. Dem halte Apathy zu Recht entgegen, dass die Anschaffung eines neuen Wagens und Veräußerung des Wracks keinesfalls die Wiederherstellung des tatsächlichen Zustands vor der Schädigung darstelle (Problem „neu für alt“; Bereicherung des Geschädigten). Die Einräumung eines Wahlrechts des Geschädigten, den Ersatz des Wiederherstellungsaufwands selbst dann zu fordern, wenn der Geschädigte sein mangelndes Integritätsinteresse durch Verkauf des Wracks eindeutig zum Ausdruck gebracht habe und die Naturalrestitution auch gar nicht mehr möglich sei, da sich das beschädigte Fahrzeug nicht mehr im Besitz des Geschädigten befinde, würde zu einer Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers bzw seiner Versicherung führen, wie der hier zu entscheidende Fall auch besonders krass verdeutliche, weshalb in diesen Fällen, in denen das beschädigte Fahrzeug ohne Reparatur veräußert worden sei, dem Geschädigten kein Wahlrecht zugebilligt werden könne, seinen Schaden dennoch auf der Basis einer fiktiven Reparatur zu berechnen. In diesem Fall bestehe der Schaden in der Differenz zwischen dem Zeitwert des Fahrzeugs vor dem Schadenereignis und dem Verkaufserlös des Wracks. Da die Beklagten diesen Differenzbetrag ersetzt hätten, sei der im Berufungsverfahren noch strittige restliche Klagsanspruch abzuweisen gewesen.

Die Revisionswerberin führt zunächst aus, das Berufungsgericht habe um 1.000 S mehr vom Klagebegehren abgewiesen, als überhaupt noch streitverfangen gewesen sei. Im Übrigen weist die Revisionswerberin unter Zitierung zahlreicher Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs darauf hin, dass nach der Rechtsprechung fiktive Reparaturkosten zuzusprechen seien und Totalschaden nur anzunehmen sei, wenn der Zeitwert des Fahrzeugs gegenüber den Reparaturkosten erheblich zurückbleibt. Schließlich führt die Klägerin noch aus, sie sei nicht rechtsschutzversichert, habe sich im Prozess im Einklang mit der gesamten veröffentlichten Judikatur bewegt und sehe nicht ein, warum der Streit auf ihrem wirtschaftlichen Rücken ausgetragen werden sollte.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu ist Folgendes zu erwägen:

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde ein Anspruch auf Ersatz von „fiktiven Reparaturkosten“ seit Jahrzehnten grundsätzlich bejaht. Von dieser Ansicht, die von der Lehre nicht geteilt wird (vgl außer den bereits vom Berufungsgericht zitierten Belegstellen noch Koziol 2 I 178), könnte nur ein verstärkter Senat iSd § 8 OHG-G abgehen. Einer Erörterung dieses Problems bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil das Urteil des Berufungsgerichts schon aus folgenden Gründen zu bestätigen ist:

Wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Lehre ausgesprochen hat, hat der Schadenersatzanspruch den Zweck, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittene Einbuße zukommen zu lassen. Die primäre Funktion des gesamten Haftpflichtrechts liegt in der Verwirklichung dieses Ausgleichsgedankens (SZ 50/26; 1 Ob 814/81; Koziol 2, I 3). Der Zuspruch fiktiver Reparaturkosten in voller Höhe verbietet sich daher dann, wenn die Reparaturkosten höher als die objektive Wertminderung sind; andernfalls würde man die Prinzipien des Schadenersatzrechts verlassen und dem Geschädigten nicht nur den ihm gebührenden Ausgleich für den erlittenen Schaden zuerkennen; es würde vielmehr eine Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers eintreten (1 Ob 814/81; Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung 81; Apathy in ZVR 1981, 262). Daher lehnte der Oberste Gerichtshof auch den Zuspruch fiktiver Reparaturkosten dann ab, wenn die Reparatur tatsächlich mit einem Aufwand durchgeführt wurde, der geringer war als die fiktiven Reparaturkosten (SZ 51/7; ZVR 1982/194; 2 Ob 153/83). Eine Bereicherung des Geschädigten würde aber auch in einem Fall wie dem vorliegenden eintreten, wenn nämlich das beschädigte Fahrzeug im unreparierten Zustand verkauft wird und der Geschädigte neben dem hiefür erzielten Erlös noch in voller Höhe fiktive Reparaturkosten und einen Ersatz für eine fiktive Wertminderung erhielte und er dadurch - obwohl am Fahrzeug aufgrund seines Alters und der bereits gefahrenen Kilometer gegenüber dem Neupreis ein beträchtlicher Wertverlust eingetreten war - insgesamt einen Geldbetrag bekäme, der dem Neupreis entspricht. Der Zuspruch fiktiver Reparaturkosten und Wertminderung wäre daher in einem solchen Fall mit den Prinzipien des Schadenersatzrechts unvereinbar. Damit steht auch die ständige Rechtsprechung in Einklang, der vom Schädiger zu ersetzende Sachschade finde grundsätzlich im Zeitwert seine Grenze (SZ 41/114; SZ 51/37; 8 Ob 287/81 ua).

Der Umstand, dass die Klägerin nicht rechtsschutzversichert ist und daher Verfahrenskosten wirtschaftlich selbst zu tragen hat, kann auf die Entscheidung keinen Einfluss haben.

Zutreffend hat daher das Berufungsgericht das restliche Klagebegehren abgewiesen. Dem Einwand der Klägerin, das Berufungsgericht habe mehr abgewiesen als noch streitverfangen gewesen sei, ist entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht das Urteil einschließlich seines unangefochtenen Teils neu gefasst hat, weshalb darin, dass in der Entscheidung über 27.046 S abgesprochen wurde, kein Fehler erblickt werden kann.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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