OGH 2Ob158/08m

OGH2Ob158/08m17.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erna A*****, vertreten durch Dr. Renate Sandner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Arch. Ing. Heinz L*****, vertreten durch Dr. Johannes Hock sen. Dr. Johannes Hock jun. Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Wien, wegen Aufkündigung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 21. Februar 2008, GZ 21 R 30/08g‑50, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. August 2007, GZ 47 C 40/07t‑38, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0020OB00158.08M.1217.000

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird als nichtig aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten im Zwischenstreit über die Zurückweisung der Rekursbeantwortung.

Begründung

Mit der am 29. 3. 2006 beim Erstgericht eingelangten Aufkündigung kündigte die Klägerin als Vermieterin dem Beklagten als Mieter der Wohnung 1040 Wien, *****, diese Wohnung zum 30. 9. 2006 aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall MRG auf und beantragte, das Gericht möge dem Beklagten auftragen, den Bestandgegenstand binnen 14 Tagen nach dem genannten Kündigungstermin geräumt der Klägerin zu übergeben oder gegen die Aufkündigung binnen vier Wochen Einwendungen zu erheben.

Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag am 30. 3. 2006. Nach dem Rückschein erfolgte der erste Zustellversuch am 3. 4. 2006, wobei die Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs in den Briefkasten eingelegt wurde. Der zweite Zustellversuch erfolgte laut Rückschein am 4. 4. 2006, die Verständigung über die Hinterlegung wurde danach in den Briefkasten eingelegt und die Sendung beim Postamt 1040 Wien hinterlegt, wobei als Beginn der Abholfrist der 5. 4. 2006 vermerkt wurde.

Am 18. 5. 2006 langten am 17. 5. 2006 zur Post gegebene Einwendungen des Beklagten, verbunden mit einem Antrag, eine allfällige Rechtskraftbestätigung der Aufkündigung aufzuheben, beim Erstgericht ein.

Die Klägerin beantragte daraufhin, der Aufkündigung eine Rechtskraftbestätigung zu erteilen, für den Fall, dass eine solche schon erteilt sei, den Antrag des Beklagten auf Aufhebung der Rechtskraftbestätigung abzuweisen, jedenfalls die Einwendungen des Beklagten als verspätet zurückzuweisen.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 20. 8. 2007 aus, die Kündigung sei wirksam. Alle anderen Anträge wies das Erstgericht, ohne den Gegenstand dieser Anträge auch nur zu erwähnen, pauschal ab.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht zusammengefasst von einer wirksamen Zustellung der Aufkündigung durch Hinterlegung und daher davon aus, die Einwendungen seien verspätet und somit die Aufkündigung rechtskräftig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahingehend ab, dass es den Antrag der Klägerin, die Rechtskraft der Aufkündigung des Erstgerichts zu bestätigen und die Einwendungen des Beklagten als verspätet zurückzuweisen, abwies. Das Rekursgericht sprach weiters aus, die Einwendungen des Beklagten würden als rechtzeitig dem Verfahren über die Rechtswirksamkeit der Aufkündigung zugrundezulegen sein. Weiters wies das Rekursgericht die Rekursbeantwortung der Klägerin zurück.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht hiezu aus, im Falle der Zurückweisung einer Klagebeantwortung halte der Oberste Gerichtshof ausdrücklich an der Einseitigkeit des Rekursverfahrens und der 14‑tägigen Rekursfrist fest (7 Ob 166/05w). Dieser Fall sei mit dem vorliegenden, in dem der Sache nach die Einwendungen des Beklagten als verspätet zurückgewiesen worden seien, gleich, weshalb das Rekursverfahren einseitig und daher die Rekursbeantwortung der Klägerin zurückzuweisen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 4.000 EUR, und ließ den Revisionsrekurs zu, weil die allgemein interessante Frage der Bedeutung einer Ortsabwesenheitserklärung im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Hinterlegung in einer Konstellation wie der vorliegenden vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet worden sei.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Ausspruch, die Rekursbeantwortung der Klägerin werde als unzulässig zurückgewiesen, aufzuheben, die Entscheidung des Rekursgerichts als nichtig aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen „bzw" den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Klägerin releviert im Revisionsrekurs zutreffend, die Entscheidung des Rekursgerichts sei wegen Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nichtig, weil das Rekursgericht die Rekursbeantwortung zurückgewiesen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung wird die Erweiterung der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens auf andere als die in § 521a ZPO ausdrücklich geregelten Sachverhalte als zulässig erachtet, wenn es sich um Beschlüsse handelt, die über die Zulässigkeit des Verfahrens absprechen (RIS‑Justiz RS0041687). Insbesondere aus den dort indizierten Entscheidungen 1 Ob 2327/96d, 4 Ob 63/08f = RIS‑Justiz RS0041687 [T4] und 2 Ob 69/08y geht hervor, dass bei Verweigerung der Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Beklagten das gesamte Rechtsmittelverfahren zweiseitig ist, was auch für den Revisionsrekurs gegen die vom Rekursgericht angeordnete Verfahrensfortsetzung gilt. Soweit sich aus der vom Rekursgericht herangezogenen Entscheidung 7 Ob 166/05w Anderes ergeben sollte, könnte dem nicht gefolgt werden.

In den Entscheidungen 4 Ob 63/08f und 2 Ob 69/08y hatte das Erstgericht den gegen ein Versäumungsurteil eingebrachten Widerspruch zurückgewiesen. Das von der Beklagten angerufene Rekursgericht hatte diese Zurückweisung des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil bestätigt. Der Oberste Gerichtshof sprach jeweils aus, der Rekurs gegen die Zurückweisung des Widerspruchs sei zweiseitig. § 521a Abs 1 Z 3 ZPO, der nach § 521a Abs 2 ZPO auch für Entscheidungen des Rekursgerichts gelte, erfasse nach ständiger Rechtsprechung über seinen Wortlaut hinaus alle Fälle, in denen ein Gericht über die Zulässigkeit des Verfahrens abspreche. Dazu gehörten insbesondere die Zurückweisung eines Einspruchs im Mahnverfahren und die Zurückweisung eines Widerspruchs gegen ein Versäumungsurteil. In beiden Fällen werde dem Beklagten die meritorische Streiterledigung verweigert.

Damit ist der vorliegende Fall, in dem das Erstgericht inhaltlich die Einwendungen des Beklagten als verspätet zurückgewiesen hat, durchaus vergleichbar. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig (RIS‑Justiz RS0042158) und war somit aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO (vgl 4 Ob 63/08f; 2 Ob 69/08y).

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