Spruch:
Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.397,88 EUR (darin enthalten 232,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger sind die Kinder des Erblassers aus erster Ehe, die Beklagte ist seine zweite Ehefrau. Eine erste Liegenschaftshälfte erhielt sie von ihm durch einen Schenkungsvertrag 1983 (dazu unten P I), die zweite durch einen Übergabsvertrag 1989 samt Nachtrag 1996 (dazu unten P II). Die Schenkungspflichteilsklage gemäß §§ 785, 951 ABGB blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos (vgl auch schon 2 Ob 57/06f).
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ nachträglichen Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:
I. Der allgemeine Begriff der sittlichen Pflicht des § 785 Abs 3 ABGB bedarf einer Auslegung an Hand konkreter Umstände. Dabei kommt es nach der bereits bestehenden Judikatur grundsätzlich für die verschiedensten Lebensbereiche auf die Anschauungen der redlichen und rechtsverbundenen Mitglieder der betroffenen Verkehrskreise an (RIS‑Justiz RS0121353). Eine Schenkung, mit der einer sittlichen Pflicht entsprochen wurde, ist nur dann anzunehmen, wenn hiezu eine besondere aus den konkreten Umständen des Falls erwachsene, in den Geboten der Sittlichkeit wurzelnde Verpflichtung des Schenkers (Erblassers) bestand. Dies lässt sich nur von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der persönlichen Beziehungen zwischen Schenker und Beschenkten, ihres Vermögens und ihrer Lebensstellung entscheiden (RIS‑Justiz RS0012972 [T1]). Dass der Beschenkten für ihre Leistungen geradezu ein Lohn als Pflegerin oder ein familienrechtlicher Abgeltungsanspruch gemäß § 98 EheG zusteht, ist nicht Voraussetzung für das Bestehen einer sittlichen Pflicht (RIS‑Justiz RS0012972 [T2]).
Wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Beurteilung stellen sich ‑ ausgenommen korrekturbedürftige Fehlbeurteilungen ‑ regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (5 Ob 191/10i).
Hier unterstützte die Beklagte den Bau des Wohnhauses Anfang der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts auf der ihr 1983 geschenkten Liegenschaftshälfte dadurch maßgeblich, dass sie nicht nur ihr gesamtes Gehalt als Lehrerin in Hausbau und Haushaltsführung investierte, sondern selbst ebenso wie ihr Vater beim Hausbau half, der überwiegend in Eigenregie durchgeführt wurde. Der Bau des Hauses war überhaupt nur möglich, weil die Beklagte aufgrund ihrer fixen Anstellung als Lehrerin finanziell zum Hausbau und zur Haushaltsführung beitragen konnte, wohingegen der Erblasser nur unregelmäßige Einkünfte erzielte. Darüber hinaus ist die ursprünglich allein dem Erblasser gehörende Liegenschaft aufgrund ihrer Hanglage zum Großteil nur äußerst eingeschränkt nutzbar, sodass der Wert der Liegenschaft insgesamt zum weitaus überwiegenden Teil vom Wert des Wohnhauses bestimmt wird. Wenn die Vorinstanzen im Hinblick auf diese Tatsachen das Vorliegen einer sittlichen Pflicht zur Schenkung des Hälfteanteils an die Beklagte durch den Erblasser iSd § 785 Abs 3 ABGB bejahten, ist ihnen jedenfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen.
Dass die bisherigen Entscheidungen zu § 785 Abs 3 ABGB überwiegend außergewöhnliche Pflegeleistungen betrafen, ändert an dieser Beurteilung nichts und begründet ‑ im Gegensatz zur Meinung der Rechtsmittelwerber ‑ keine erhebliche Rechtsfrage. Auch dass die genauen Beitragsleistungen der Beklagten und des Erblassers zum Hausbau sowie ihr damaliges Einkommen nicht konkret der Höhe nach festgestellt werden konnten und keinerlei Rechnungen mehr vorgelegt werden konnten, ändert nichts an den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, wonach der Beitrag der Beklagten zum Hausbau „zumindest gleichwertig“ war.
Soweit sich die Revisionswerber in diesem Zusammenhang mit Beweisfragen auseinandersetzen, ist ihnen zu erwidern, dass der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist und daher die Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht bekämpft werden kann (RIS‑Justiz RS0043414 [T11]).
II. Was die Frage des Vorliegens einer ‑ gemischten - Schenkung in Bezug auf die Übergabe der zweiten Hälfte der Liegenschaft an die Beklagte 1989 betrifft, kommt es nach der ebenfalls bereits vorliegenden Judikatur im Wesentlichen auf den geäußerten Willen, also die Schenkungsabsicht und darauf an, ob der Wert der versprochenen Leistungen im krassen Missverhältnis zum Übergabswert steht (RIS‑Justiz RS0012959). Eine gemischte Schenkung setzt daher regelmäßig nicht nur ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern auch eine Schenkungsabsicht voraus (RIS‑Justiz RS0019356). Deshalb kann eine gemischte Schenkung keinesfalls schon deshalb angenommen werden, weil die Leistung der einen Seite objektiv wertvoller ist als die der anderen, weil das Entgelt für die Leistung bewusst niedrig, unter ihrem objektiven Wert angesetzt wurde, oder weil sich ein Vertragspartner mit einer unter dem Wert seiner Leistung liegenden Gegenleistung begnügte oder sich die Parteien des objektiven Missverhältnisses der ausgetauschten Werte bewusst waren (RIS‑Justiz RS0019293; RS0018893).
Ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann aber ‑ insbesondere bei schutzwürdigen Interessen pflichtteilsberechtigter Dritter ‑ Schenkungsabsicht indizieren (RIS‑Justiz RS0012959 [T8]). Dennoch wird immer ein entsprechendes Schenkungsbewusstsein vorausgesetzt (RIS‑Justiz RS0111389 [T1]).
Ob die aufgezeigten subjektiven Voraussetzungen einer gemischten Schenkung im Einzelfall vorliegen, fällt aber in das Gebiet der Tatsachenfeststellungen und ist der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (RIS‑Justiz RS0019229). Insbesondere ist die Frage der Schenkungsabsicht eine Tatsachenfeststellung (RIS‑Justiz RS0043441).
Hier plante der Erblasser ursprünglich seine zweite Liegenschaftshälfte an die Beklagte zu verkaufen, worauf ein Rechtsanwalt ihm riet, es sei günstiger, Rentenzahlungen und die Betreuungsleistungen der Beklagten gegenüber der Schwester des Erblassers, die zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten und dem Erblasser wohnte und von der Beklagten gepflegt und betreut wurde, als Kaufpreis für den Hälfteanteil auszuweisen. Dass der Erblasser der Beklagten seinen Hälfteanteil schenken wollte, oder dass der Übergabsvertrag aus dem Jahr 1989 oder sein Nachtrag aus dem Jahr 1996 in der Absicht geschlossen wurde, Pflichtteilsansprüche der Kläger zu schmälern, wurde ausdrücklich nicht festgestellt.
Nach den Feststellungen hatte die von der Beklagten im Übergabsvertrag übernommene monatliche Rentenzahlungsverpflichtung bezogen auf die statistische Restlebensdauer des Erblassers einen Wert von rund 5.500 EUR, die Betreuungsverpflichtung gegenüber der Schwester des Erblassers einen jährlichen Wert von rund 16.000 EUR und bezogen auf deren statistische Restlebensdauer einen Gesamtwert von rund 78.000 EUR und letztlich die 1996 übernommene Betreuungsverpflichtung gegenüber dem Erblasser einen jährlichen Wert von rund 20.000 EUR und bezogen auf seine statistische erwartbare Restlebensdauer einen solchen von rund 100.000 EUR. Der Wert der übergebenen Hälfteliegenschaft betrug demgegenüber rund 63.000 EUR.
Unabhängig davon, dass die Vorinstanzen die notwendige Schenkungsabsicht auf der Tatsachenebene ebensowenig feststellen konnten wie besondere Umstände, die im August 1989 für ein erwartbares Ableben der Schwester des Erblassers und im Mai 1996 ein erwartbares Ableben des Erblassers vor Ablauf der statistischen Restlebensdauer sprachen, ist den Revisionswerbern zu ihren Überlegungen zur Angemessenheit der Heranziehung versicherungsmathematischer Wertberechnungen der Betreuungsleistungen mit der statistischen Restlebensdauer angesichts des Gesundheitszustands insbesondere des Erblassers entgegenzuhalten, dass selbst wenn man nur die tatsächlich von der Beklagten erbrachte Dauer der Pflegeleistung (rund 2 Jahre für die Schwester des Erblassers = rund 32.000 EUR und rund 1 Jahr für den Erblasser = rund 20.000 EUR) heranzöge und dazu den Wert der Rentenzahlungsverpflichtung addiert, sich eine Gegenleistung der Beklagten in Höhe von rund 57.000 EUR ergäbe. Im Verhältnis zum Wert der übergebenen Liegenschaftshälfte könnte daher selbst nach der Argumentation der Revisionswerber kein krasses Missverhältnis und daher letztlich keine gemischte Schenkung erblickt werden.
Dem Berufungsgericht ist somit auch insoweit keine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen.
Insgesamt wird daher keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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