Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird.
Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei 3.011,82 EUR (darin 501,97 EUR USt) an Kosten des Provisorialverfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu bezahlen. Im Übrigen hat der Gegner der gefährdeten Partei seine Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Die gefährdete Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Streitteile sind aufrecht verheiratet, der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt war in Zürich, wo der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden kurz Beklagter genannt) nach wie vor wohnt. Der nunmehrige gewöhnliche Aufenthalt der klagenden und gefährdeten Partei (im Folgenden kurz als Klägerin bezeichnet) ist in Wien. Im Dezember 2009 brachte der Ehemann in Zürich die Scheidungsklage ein.
Die Klägerin ist deutsche Staatsbürgerin, der Beklagte österreichischer Staatsbürger. Der Ehe entstammen die Kinder S*****, geboren 24. 11. 1989, und mj M*****, geboren 2. 3. 1996.
Die Klägerin begehrte vom Beklagten einen Unterhalt von 992 EUR monatlich ab 1. 9. 2007 und einen einstweiligen Unterhalt in gleicher Höhe ab Klagseinbringung am 19. 1. 2009. Der Beklagte leiste der einkommenslosen Klägerin seit September 2007 keinen Unterhalt.
Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Klägerin sei aufgrund ihrer kaufmännischen Ausbildung selbsterhaltungsfähig. Sie erziele auch regelmäßig Einkünfte auf ihrem Konto durch „Eigenerläge“. Weiters sei ein Einkommen aus der Untervermietung einer Wohnung auf ihren Unterhaltsanspruch mindernd anzurechnen. Im Übrigen habe die Klägerin durch eigenmächtigen Auszug aus der Ehegemeinschaft ohne seine Zustimmung, ehewidrige Beziehungen und durch Eingehen einer Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann einen allfälligen Unterhaltsanspruch verwirkt.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten mit einstweiliger Verfügung dazu, der Klägerin einen einstweiligen Unterhalt von 670 EUR monatlich vom 19. 1. 2009 bis 31. 12. 2009 und von 713 EUR monatlich ab 1. 1. 2010 zu zahlen. Das Mehrbegehren wies es ab und verurteilte die Klägerin, dem Beklagten an Kosten des Provisorialverfahrens 2.368,36 EUR zu bezahlen.
Das Erstgericht hielt folgenden Sachverhalt für bescheinigt:
Die Streitteile lebten seit 1988 in Lebensgemeinschaft und heirateten 1997 in Köln, wo sie mit ihren Kindern lebten. 2006 übersiedelte die Familie auf Wunsch des Beklagten nach Zürich, weil er der Meinung war, es sei beruflich für ihn besser und auch für die eheliche Beziehung, die damals schon nicht sehr gut war. Nach der Übersiedlung verschlechterte sich allerdings die Beziehung der Streitteile noch mehr. Sie suchten daher letztlich eine Familienberatung auf, um über eine mögliche Trennung zu sprechen. Thema war vor allem, wie eine Trennung mit zwei verschiedenen Wohnsitzen der Streitteile finanziert werden sollte, da die Klägerin damals kein eigenes Einkommen hatte. Der Beklagte hatte aus früheren Jahren eine Mietwohnung in Wien, die vorübergehend untervermietet war, 2007 jedoch wieder frei war. Als eine Option wurde daher besprochen, dass die Klägerin im Fall einer Trennung in der Wiener Wohnung wohnen könnte, zumal M*****, die auf jeden Fall bei ihrer Mutter wohnen wollte, auch nicht mehr in der Schweiz bleiben wollte. Der Beklagte unterstützte M*****s Übersiedlung nach Wien insoferne, als die Streitteile gemeinsam M***** bereits im Juni 2007 in einer Wiener Schule angemeldet hatten. Im Rahmen der Familienberatung vereinbarten die Streitteile im August 2007 schließlich, dass die Klägerin mit M***** nach Wien ziehen würde. Der Beklagte half ihnen in der Folge bei der Übersiedlung und brachte auch später noch bei gelegentlichen Besuchen in Wien weitere Einrichtungsgegenstände aus der Züricher Wohnung nach Wien.
Der Beklagte war über diese Übersiedlung der Klägerin nach Wien nicht glücklich, akzeptierte sie aber letztlich, weil es M*****s Wunsch war. Die Trennung war ursprünglich auch nur als vorübergehend geplant.
Seit der Übersiedlung wohnt die Klägerin mit M***** in der Wiener Mietwohnung des Beklagten mit einer Wohnfläche von 65 m², bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Vorzimmer, WC und Bad. Die Miete inklusive Betriebskosten beträgt derzeit monatlich rund 350 EUR und wird von der Klägerin gezahlt. Der gemeinsame Sohn lebt weiterhin beim Beklagten in Zürich. Der Beklagte ist noch für beide Kinder sorgepflichtig.
Die Klägerin hat eine Ausbildung zur Industriekauffrau und arbeitete in der Zeit, bevor sie den Beklagten kennen lernte, bei einer Bank und einer Versicherung. Während der Lebensgemeinschaft und der Ehe widmete sie sich in erster Linie dem Haushalt und der Kindererziehung. Vor der Übersiedlung nach Zürich arbeitete sie einmal etwa drei Monate lang 21 Wochenstunden als Verkäuferin bei der Firma P*****. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde von dieser Firma wieder beendet. Seither arbeitete die Klägerin während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr.
Nach ihrer Übersiedlung nach Wien erhielt die Klägerin vorerst noch finanzielle Unterstützung durch den Beklagten, die er jedoch mit Anfang 2008 einstellte. Danach zahlte er nur noch Unterhalt für M*****. Ab Anfang August 2008 arbeitete die Klägerin vorübergehend als Assistentin bei künstlerischen Projekten im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung beim Atelier E*****. Sie verdiente damals rund 350 EUR monatlich, diese Beschäftigung wurde jedoch schnell (jedenfalls vor Jänner 2009) wieder beendet, bevor es überhaupt zu einer offiziellen Anstellung der Klägerin kam. Seither geht die Klägerin keiner Arbeit nach, weil sie vorerst das Ergebnis des Unterhaltsverfahrens abwarten wollte. Zumindest seit Herbst 2009 versucht sie auch wieder, eine Arbeit zu finden, bisher jedoch ohne Erfolg. Sie bewarb sich als Verkäuferin bei diversen Firmen, die Stellenangebote beim AMS ausgehängt hatten. Als arbeitssuchend ist sie beim AMS nicht gemeldet. Angesichts der langen Abwesenheit der Klägerin vom Arbeitsmarkt und der notorisch angespannten Situation auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätte die Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dann keine Anstellung gefunden, wenn sie schon früher auf Arbeitssuche gewesen wäre.
Von Ende März 2009 bis etwa Juli 2009 hatte die Klägerin einen Untermieter, der ein Zimmer in der Wohnung bewohnte. Er zahlte ihr dafür monatlich 200 EUR. Seit der Beklagte der Klägerin keinen Unterhalt mehr zahlt, wird sie finanziell in erster Linie von ihren Eltern unterstützt.
Etwa im Mai 2008 lernte die Klägerin Peter V***** kennen, der in seiner etwa 200 m² großen Wiener Wohnung auch ein Musikstudio betreibt. Dieser erfuhr von den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Klägerin und bot ihr daher an, ihr billige Handwerker für die Sanierung der Wohnung zu vermitteln und ihr während der Dauer der Sanierungsarbeiten in seiner Wohnung Unterkunft zu gewähren. Da die Klägerin aus finanziellen Gründen die Sanierung der Wohnung nur etappenweise durchführen konnte, kam es immer wieder zu längeren Phasen, in denen sie und M***** überwiegend in der Wohnung von Peter V***** wohnten. Sie übernachteten bei diesen Gelegenheiten auf einer Ausziehcouch im Büro. Die Klägerin hat einen Schlüssel zur Wohnung des Peter V*****, sodass sie kommen und gehen kann, wie sie möchte. Da Peter V***** teilweise beruflich sehr ausgelastet ist, wenn er zum Beispiel gerade in seiner Wohnung produziert, und auch immer wieder im Ausland ist, halten sich die Klägerin und M***** immer wieder in seiner Wohnung auf, ohne dass er es weiß. Die Klägerin beteiligt sich nicht an den Wohnungskosten des Peter V*****, sie zahlt ihm auch für die Benützung der Wohnung kein Entgelt. Sie hilft ihm nur gelegentlich bei Büroarbeiten, sie selbst erhält dafür keine finanzielle Abgeltung. Immer wieder kommt es vor, dass bei Peter V***** für das Produktionsteam gekocht wird, dann essen auch die Klägerin und M***** mit. Ihre Wäsche wäscht die Klägerin in ihrer Wohnung, wo sie auch Gegenstände des persönlichen Bedarfs wie Gewand in erster Linie aufbewahrt. In der Wohnung von Peter V***** hat sie nur so viel, wie sie jeweils für ein paar Tage benötigt. Ihre Freizeit gestalteten die Klägerin und Peter V***** selten gemeinsam. Ein oder zwei Mal kam es vor, dass sie gemeinsam mit M***** ins Kino gingen, selten lädt Peter V***** die Klägerin und M***** zum Essen ein. Während der gröbsten Sanierungsarbeiten, die etwa im Herbst 2008 begannen und dann teilweise noch 2009 andauerten, wohnte die Klägerin mit M***** fast durchgehend bei Peter V*****, teilweise brachte sie auch Möbelstücke in dessen Wohnung, damit sie nicht durch die Bauarbeiten beschädigt würden. Auch jetzt noch kommt es gelegentlich vor, dass die Klägerin mit M***** länger überwiegend in Peter V*****s Wohnung wohnt, wenn wieder Sanierungsarbeiten in ihrer Wohnung durchgeführt werden. Generell verbringt sie etwa zwei bis drei Tage pro Woche in der Wohnung von Peter V*****. Nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin und Peter V***** jemals eine sexuelle Beziehung gehabt hätten oder haben.
Im Juli 2007 verbrachte die Klägerin ohne Zustimmung oder Wissen des Beklagten eine Woche gemeinsam mit Burkhard B*****, mit dem sie seit ihrer Kölner Zeit befreundet ist, an einem See. Sie hatte für diese Reise ein Einzelzimmer gebucht. Nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte eine sexuelle Beziehung zu Burkhard B***** hatte. Anfang 2008 hatte die Klägerin eine kurze sexuelle Beziehung zu Rolf L*****.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht im Wesentlichen die Ansicht, unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten des Beklagten für die beiden ehelichen Kinder stehe der Klägerin ein Unterhaltsanspruch von 25 % des Einkommens des Beklagten zu. Das zeitweise Eigeneinkommen aus Untervermietung sei als geringfügig zu vernachlässigen. Eine schuldhafte Unterlassung der Erzielung eines Arbeitseinkommens könne der Klägerin nicht angelastet werden. Unterhaltsverwirkung sei ebenfalls nicht eingetreten, der Beklagte habe die Übersiedlung der Klägerin nach Wien akzeptiert. Eine Lebensgemeinschaft der Klägerin mit Peter V***** sei ebenso wenig erwiesen wie eine sexuelle Beziehung zu Burkhard B*****. Angesichts der einvernehmlichen, schon seit einem halben Jahr bestehenden Trennung der Streitteile könne in der kurzen sexuellen Beziehung mit Rolf L***** keine so schwere Eheverfehlung erblickt werden, dass die Klägerin den Unterhaltsanspruch verwirkt hätte.
Der Beschluss des Erstgerichts wurde in seinem abweisenden Teil rechtskräftig.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahingehend ab, dass es das gesamte Sicherungsbegehren abwies. Infolge dessen musste das Rekursgericht auf den in eventu ebenfalls erhobenen Rekurs des Beklagten im Kostenpunkt nicht eingehen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, auf den vorliegenden Sachverhalt sei österreichisches Recht anzuwenden. Die Klägerin wäre zwar gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB gegenüber dem Beklagten grundsätzlich unterhaltsberechtigt, doch sei der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe den Unterhalt verwirkt, berechtigt. Eine sexuelle Beziehung des Unterhaltsberechtigten sei nur dann keine krasse, nämlich zur Unterhaltsverwirkung führende, Eheverfehlung, wenn sie erst nach Eintritt der vom anderen Ehegatten verschuldeten Zerrüttung aufgenommen worden sei. Im vorliegenden Fall liege eine besonders schwerwiegende Eheverfehlung der Klägerin schon darin, dass sie noch während aufrechter Ehegemeinschaft im Juli 2007 ohne Zustimmung und Wissen des Beklagten einen einwöchigen Urlaub mit einem anderen Mann verbracht habe, wenngleich eine sexuelle Beziehung nicht feststehe. Auch wenn die kurze sexuelle Beziehung der Klägerin zu Rolf L***** Anfang 2008 erst rund ein halbes Jahr nach der Trennung begonnen worden und daher für die Aufhebung der Ehegemeinschaft nicht mehr kausal gewesen sei, begründe dies dennoch den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Ein Verwirkungstatbestand wäre nur dann nicht gegeben, wenn die zuvor eingetretene unheilbare Zerrüttung vom Beklagten (allein oder überwiegend) verschuldet worden wäre, was aber die Klägerin nicht einmal behauptet habe. Unterhaltsverwirkung führe zwar nach neuerer Rechtsprechung nicht zwingend zum gänzlichen Entfall des Unterhaltsanspruchs, es sei vielmehr analog zu § 68a Abs 3 EheG auch bei aufrechter Ehe nur eine teilweise Minderung möglich, jedoch seien Umstände dafür nicht vorgebracht worden.
Erst über Antrag der Klägerin ließ das Rekursgericht nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zu: Zu 2 Ob 193/06f habe der Oberste Gerichtshof die Ansicht vertreten, eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 ABGB könne - um Wertungswidersprüche zu § 68a Abs 3 EheG zu vermeiden - nur (mehr) auf einen Ehebruch gestützt werden, der zur Ehezerrüttung zumindest beigetragen habe. Somit liege zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage eine divergierende oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.
Mit ihrem Revisionsrekurs begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen einstweiligen Verfügung.
Der Beklagte beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung die Zurück-, hilfsweise die Abweisung des Revisionsrekurses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Die Klägerin vertritt im Revisionsrekurs im Wesentlichen die Ansicht, ihre festgestellten Verhaltensweisen rechtfertigten nicht die Annahme, ihr Unterhaltsbegehren sei rechtsmissbräuchlich iSd § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB. Ein „One-Night-Stand“ erfülle die geforderten Kriterien für eine krasse Eheverfehlung nicht, die eine Unterhaltsverwirkung rechtfertige.
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
1. Die von den Vorinstanzen begründet vertretene Ansicht, es sei österreichisches Recht anzuwenden, wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen, weshalb davon auszugehen ist.
2. Gemäß § 94 Abs 2 ABGB hat der den gemeinsamen Haushalt führende Ehegatte gegen den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zu Gunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre.
Da sich die Klägerin seit Eingehung der Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten bis zur einvernehmlichen Aufhebung des gemeinsamen Haushalts dem Haushalt (und der Kindererziehung) widmete und - von einer dreimonatigen geringfügigen Beschäftigung abgesehen - keiner Erwerbsarbeit nachging, hat sie die Anspruchsvoraussetzungen nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB erfüllt.
Dann aber trifft den nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB unterhaltspflichtigen Ehegatten, hier also den Beklagten, die Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich jener besonderen Umstände, die ein solches Unterhaltsbegehren als Rechtsmissbrauch erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0009772).
Der Ehebruch und das „fortgesetzte sexuelle Liebesverhältnis“ stellen zwar ungeachtet eines bereits anhängigen Scheidungsverfahrens grundsätzlich derart schwerwiegende Verletzungen der ehelichen Verhaltenspflichten dar, dass der Unterhaltsanspruch des ehebrecherischen Ehegatten als verwirkt angesehen werden muss (RIS-Justiz RS0014288 [T1]). Schon nach der Rechtsprechung vor dem EheRÄG 1999 lässt aber ein in weiterer Vergangenheit liegender Ehebruch der Unterhaltsklägerin ihr Unterhaltsbegehren dann nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen, wenn der Unterhaltsbeklagte nicht behauptet und beweist, dass das ehebrecherische Verhältnis noch aufrecht ist, vor kurzem erst beendet worden ist bzw Anlass für die Auflösung des gemeinsamen Haushalts war (RIS-Justiz RS0014288). Zerrüttet ein Eheteil schuldhaft die Ehe, so ist eine erst nach Zerrüttung vom anderen Teil aufgenommene sexuelle Beziehung keine derart krasse Eheverfehlung, die ihren Unterhaltsanspruch als rechtsmissbräuchlich verwirkte (RIS-Justiz RS0107416; 2 Ob 193/06f ua).
Mit dem EheRÄG 1999 hat der Ehebruch seinen Charakter als absoluter Scheidungsgrund verloren. Er muss nunmehr zerrüttende Wirkung haben, um ein tauglicher Scheidungsgrund zu sein; bei der Verschuldensabwägung im Scheidungsverfahren kommt ihm nicht in jedem Fall höheres Gewicht zu als anderen Eheverfehlungen - es gelten die allgemeinen Grundsätze (Schwimann/Weitzenböck in Schwimann, ABGB3 § 49 EheG Rz 12). Mit dem Hinweis auf die geänderte Rechtslage wurde im Schrifttum mehrfach betont, dass auch die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs - um Wertungswidersprüche zu vermeiden - nur (mehr) auf einen Ehebruch gestützt werden könne, der zur Ehezerrüttung zumindest beigetragen hat (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht4 171 f; Kerschner in JBl 2004, 47 [Entscheidungsbesprechung zu 1 Ob 171/02g]; Berka-Böckle, Der verschuldensunabhängige Anspruch nach § 68a EheG - Neue Überlegungen zum Scheidungsunterhalt anhand aktueller Rechtsprechung, JBl 2004, 223 [232]; vgl 2 Ob 193/06f).
Nach Gitschthaler, Unterhaltsrecht2, Rz 596, war jene Rechtsprechung, wonach ein Ehebruch ganz grundsätzlich einen Verwirkungstatbestand darstellt, jedenfalls im Hinblick darauf nicht mehr aufrechtzuerhalten, dass seit dem EheRÄG 1999 Ehebruch keinen absoluten Scheidungsgrund mehr darstellt. Er sei zwar gemäß § 49 EheG als Eheverfehlung zu behandeln. Für die Annahme einer Verwirkung müsse jedoch noch etwas „dazukommen“, das den Schluss nahe lege, dass sich beim Ehebrecher der Ehewille verflüchtigt habe und es sittenwidrig erscheinen ließe, diesem Ehegatten, der schuldhaft selbst die gebotene eheliche Gesinnung vermissen lasse, finanziellen Vorteil aus der Lebensgemeinschaft ziehen zu lassen, obwohl er gleichzeitig nicht die Bereitschaft bekunde, die ihn selbst treffenden Verbindlichkeiten aus der Ehe zu erfüllen. Dieses „Mehr“ könne durchaus darin gesehen werden, dass der Ehegatte nicht nur einmal die Ehe breche (One-Night-Stand), sondern sogar ein fortgesetztes sexuelles Verhältnis eingehe.
Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigen nur besonders krasse Fälle, in denen die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten grob unbillig erschiene, die Annahme einer Unterhaltsverwirkung des betreffenden Gattenteils (RIS-Justiz RS0009759).
Im Licht der zitierten Rechtsprechung und Lehre hat die Klägerin mit der festgestellten kurzen sexuellen Beziehung zu einem anderen Mann ihren Unterhaltsanspruch nicht verwirkt, zumal vom Beklagten nicht behauptet und von den Vorinstanzen auch nicht festgestellt wurde, dass sich diese Affäre ehezerrüttend ausgewirkt hätte. Vielmehr hatten sich die Ehegatten damals bereits längst getrennt.
Der vorliegende Fall ist auch mit den Entscheidungen der jüngeren Zeit, in denen bei ehebrecherischen oder ehewidrigen Beziehungen die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB bejaht oder wenigstens erwogen wurde, nicht hinreichend vergleichbar:
Im Fall 3 Ob 48/97y konnten zwar kein Ehebruch, aber immerhin Intimitäten festgestellt werden, die rund 1 ½ Jahre nach der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft lagen, wobei die ehewidrige Beziehung zumindest fast ein Jahr andauerte. Der Oberste Gerichtshof hielt für die Beantwortung der Frage, ob ein Rechtsmissbrauch vorliege, für notwendig, das (allenfalls überwiegende) Verschulden des (Oppositions-)Klägers an der Zerrüttung der Ehe zu erheben.
In der Entscheidung 1 Ob 171/02g unterhielt die Unterhaltsklägerin eine aufrechte Geschlechtsgemeinschaft zu einem anderen Mann und ließ von diesem sexuellen Liebesverhältnis (offensichtlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) auch nicht ab. In diesem Fall bejahte der Oberste Gerichtshof den Rechtsmissbrauch.
In der vom Rekursgericht zur Begründung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses schon zitierten Entscheidung 2 Ob 193/06f unterhielt die unterhaltsbegehrende Beklagte ab Anfang 2005 (ein Ende der Beziehung wurde nicht festgestellt) eine intime Beziehung zu einem anderen Mann und übernachtete seither teils in der Ehewohnung und teils in der Wohnung ihres Freundes. Die Vorinstanzen verpflichteten den Kläger zur Leistung eines monatlichen einstweiligen Unterhalts von 1.000 EUR und wiesen das Mehrbegehren von 1.040 EUR ab. Der Senat führte aus, die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die Phase der unheilbaren objektiven Zerrüttung der Ehe erst mit der Aufnahme des sexuellen Verhältnisses zwischen der Beklagten und ihrem Freund erreicht worden sei, sei nicht korrekturbedürftig.
Im Fall 2 Ob 152/07b unterhielt die Klägerin zwei Jahre lang ein ehebrecherisches Verhältnis mit dem Bruder des Gatten. Der erkennende Senat bejahte den Verwirkungstatbestand gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB.
In allen zitierten Fällen dauerte das ehewidrige oder ehebrecherische Verhältnis wesentlich länger und war intensiver als im vorliegenden Fall.
Angesichts der aufgezeigten Beweislast zu Lasten des Beklagten kann in den Beziehungen der Klägerin zu den beiden anderen Männern, zu denen sexuelle Verhältnisse nicht feststellbar waren, kein Verwirkungstatbestand erkannt werden: Es führte zu keiner Verwirkung, nach der Trennung vom Beklagten die Hilfe eines Bekannten in Anspruch zu nehmen, indem sie wegen Unbenützbarkeit der eigenen renovierungsbedürftigen Wohnung dessen Wohnung - auch zum gelegentlichen Übernachten - benützte. Das Verbringen einer Urlaubswoche mit einem anderen Mann ohne dass dabei sexuelle Beziehungen feststellbar waren, führte ebenfalls zu keiner Unterhaltsverwirkung, weil die Ehegatten damals bereits ihre einvernehmliche Trennung vorbereiteten.
Das Vorbringen des Beklagten in der Revisionsrekursbeantwortung zum Rechtsmissbrauch geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Soweit der Beklagte der Klägerin vorwirft, sie habe sich beim AMS nicht als arbeitssuchend gemeldet, ist ihm die erstgerichtliche (dislozierte) Feststellung entgegenzuhalten, die Klägerin hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Anstellung gefunden. Die hohe Wahrscheinlichkeit ist nach jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs das Regelbeweismaß der ZPO (RIS-Justiz RS0110701). Umso mehr ist von einer entsprechenden Feststellung im Provisorialverfahren, in dem die bloße Bescheinigung (§ 274 ZPO) ausreicht, auszugehen.
Soweit der Beklagte fehlende Feststellungen über die Höhe der finanziellen Unterstützungen der Eltern der Beklagten an diese rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass er selbst in erster Instanz dazu kein Vorbringen erstattet hat und auch die Klägerin selbst in ihrem Vorbringen zwar die finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern zugestanden, jedoch zu deren Höhe ebenfalls nichts vorgebracht hat. Im Provisorialverfahren war das Erstgericht auch nicht gehalten, diesbezüglich auf eine Ergänzung dieses Vorbringens zu dringen (RIS-Justiz RS0005452). Im Übrigen hat ein Unterhaltspflichtiger auch dann weiter an den Unterhaltsberechtigten zu leisten, wenn ein Dritter Geld nicht zum Nutzen des Unterhaltspflichtigen, sondern gleichsam vorschussweise für den Unterhaltsberechtigten in der Absicht verwendet, dessen Ansprüche nicht zum Erlöschen zu bringen und sich allenfalls nach deren Durchsetzung Ausgleich zu verschaffen (RIS-Justiz RS0019975).
Entgegen den Ausführungen des Beklagten hat sich das Erstgericht sehr wohl mit dem Einkommen der Klägerin aus der Untervermietung ihrer Wohnung befasst, unter zutreffendem Hinweis auf die Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0057433) dieses Einkommen außer Betracht gelassen.
Da somit ein Rechtsmissbrauch der Klägerin iSd § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB nicht vorliegt und die Einwendungen des Beklagten gegen die Höhe des vom Erstgericht zuerkannten einstweiligen Unterhalts nicht stichhaltig sind, war die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der Klägerin auf § 393 Abs 1 Satz 1 EO, hinsichtlich des Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 40, 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.
Kann der Gegner der gefährdeten Partei nur einen Teil des Sicherungsantrags abwehren, dann hat er Anspruch auf Ersatz der Kosten in jenem Ausmaß, in dem er im Provisiorialverfahren erfolgreich war (RIS-Justiz RS0005667). Da die Klägerin mit rund 70 % durchgedrungen ist, hat der Beklagte Anspruch auf Ersatz von 30 % seiner Kosten des Provisorialverfahrens erster Instanz.
Dabei erweist sich sein in zweiter Instanz in eventu erhobener Rekurs im Kostenpunkt, über den das Rekursgericht nicht entscheiden musste und nunmehr der Oberste Gerichtshof entscheiden muss (RIS-Justiz RS0036069 [T1]), aus den schon vom Rekursgericht in der Begründung seiner Kostenentscheidung getroffenen Erwägungen als berechtigt. Dem Beklagten gebührt daher für die Verhandlungen der doppelte Einheitssatz. Für den insoweit erfolgreichen Rekurs im Kostenpunkt gebühren nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats, von der er trotz teils auch jüngerer gegenteiliger Judikatur anderer Senate (vgl RIS-Justiz RS0087884) nicht abgeht, keine Kosten (RIS-Justiz RS0119892 [T3, T4, T7]).
Im Rechtsmittelverfahren hat der Beklagte als vollständig Unterlegener keinen Kostenersatzanspruch.
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