OGH 2Ob141/04f

OGH2Ob141/04f1.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef A*****, vertreten durch Dr. Frank Riel und andere Rechtsanwälte in Krems an der Donau, gegen die beklagten Parteien 1.) Manfred A*****, 2.) D***** Versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred C. Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 22.000,-- sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 3. März 2004, GZ 16 R 5/04d-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 12. September 2003, GZ 27 Cg 35/03s-9, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 25. 7. 2002 ereignete sich auf der Kremser Straße B 37 ein Verkehrsunfall, an dem einerseits der Erstbeklagte mit einem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW und andererseits die damals 61-jährige Herta A***** mit einem von ihr gelenkten PKW beteiligt waren. Der Erstbeklagte kam mit seinem Fahrzeug ins Schleudern und stieß gegen den entgegenkommenden PKW der Herta A*****. Diese wurde dabei getötet. Der am 1. 11. 1963 geborene Kläger ist der Sohn der Herta A*****.

Der Kläger begehrte zunächst EUR 15.000,- -, nach Klagsausdehnung EUR 22.000,-- an Schmerzengeld für Trauerschaden (ohne Krankheitswert) infolge des Todes seiner Mutter. Eine eigene Gesundheitsschädigung (§ 1325 ABGB) des Klägers lag nicht vor. Er brachte zusammengefasst vor, den Erstbeklagten treffe an dem Verkehrsunfall ein grobes Verschulden. Dieser habe trotz regennasser Fahrbahn und Mischbereifung eine relativ und absolut überhöhte Geschwindigkeit von 100 km/h eingehalten; die technische Untersuchung habe ergeben, dass bei den Hinterrädern des Fahrzeuges keine Bremswirkung vorhanden war; die Bremsanlage wäre seit längerer Zeit stark verrostet und die Bremsbelege stark abgenützt gewesen. Aus all diesen Gründen sei der Erstbeklagte gemäß § 81 Abs 1 Z 1 und § 89 StGB verurteilt worden. Der Kläger sei zu seiner Mutter, einer gesunden und dynamischen Frau, in einer engen Beziehung gestanden. Zwar habe er mit ihr nicht mehr im gemeinsamen Haushalt gelebt, sie habe aber ein vis á vis vom Wohnhaus des Klägers gelegenes Haus bewohnt; es sei ein täglicher und enger Kontakt gegeben gewesen.

Die beklagten Parteien wendeten ua ein, die ungeeignete Bereifung am Fahrzeug des Erstbeklagten sei nicht kausal für den Verkehrsunfall gewesen, weil der Dimensionsunterschied keine Änderung des Fahrverhaltens des Fahrzeuges zur Folge gehabt habe. Der Erstbeklagte sei daher lediglich infolge einer geringfügig relativ überhöhten Geschwindigkeit ins Schleudern geraten, wodurch es zum Verkehrsunfall gekommen sei. Insgesamt sei daher ein grobes Verschulden zu verneinen. Zum Beweis dafür werde die Einholung eines kraftfahrzeugtechnischen Gutachtens beantragt. Des weiteren wandten die beklagten Parteien ein, die in 2 Ob 84/01v = ZVR 2001/73 getroffenen Aussagen könnten nur gelten, wenn der gemeinsam lebende Ehegatte oder die gemeinsam lebenden mj Kinder bzw deren Eltern getötet würden. Für einen Erwachsenen zähle es hingegen zu den typischen Lebenserfahrungen, mit dem Tod der Eltern konfrontiert zu werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der 40-jährige Kläger ist seit 1987 verheiratet. Er lebt zusammen mit seiner Ehefrau und seinen beiden 12 und 14 Jahre alten Kindern im gemeinsamen Haushalt. Beruflich führt er ein Transportunternehmen; seine Ehefrau verrichtet im Betrieb seit etwa vier Jahren Büroarbeiten. Das Büro liegt im Wohnhaus.

Die am 27. 11. 1940 geborene Mutter des Klägers war ebenfalls verheiratet. Sie lebte mit ihrem Ehemann in einem eigenen Haus. Dieses Haus liegt vis á vis des Hauses des Klägers auf der anderen Straßenseite. In ihrem Haushalt lebte noch eine Schwester des Klägers, wenn diese nicht saisonbedingt in Arbeit gestanden ist. Das Verhältnis des Klägers zu seiner Mutter war ausgezeichnet. Sie half im klägerischen Betrieb mit, der Kläger sah sie jeden Tag in der Früh und am Abend. An den Wochenenden kam es mehrmals monatlich wechselseitig zu Essenseinladungen zwischen den beiden Familien. Die Mutter des Klägers beaufsichtigte dessen Kinder, insbesondere als dessen Ehefrau noch nicht im Betrieb beschäftigt gewesen war. Die Mutter des Klägers erfreute sich einer ausgezeichneten Gesundheit. Sie war eine starke Frau, die nichts so leicht erschüttern konnte. Bei Reibereien zwischen dem Kläger und seiner Schwester wirkte sie ausgleichend. Der Kläger hat unter dem Tod seiner Mutter sehr gelitten. Vor allem war dies deshalb der Fall, weil damit nicht zu rechnen gewesen war.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, ein Trauerschaden ohne Krankheitswert sei nur dem engsten Familienkreis zuzubilligen, um ein Ausufern solcher Ersatzansprüche hintanzuhalten. Schadenersatzansprüche der genannten Art seien auf die im gemeinsamen Haushalt lebende Kleinfamilie, also in der Regel Eltern mit ihren mj bzw noch nicht selbst erhaltungsfähigen Kindern oder den Ehegatten zu beschränken. Die Zuerkennung eines Schmerzengeldes für Trauerschaden im vorliegenden Fall ginge zu weit.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei und vertrat im Wesentlichen folgende Auffassung:

Bei Bestehen einer familienrechtlichen Nahebeziehung träten Voraussetzungen wie das Alter der Verstorbenen, das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes, die Minderjährigkeit oder mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit in den Hintergrund. Diese Kriterien seien für sich allein gesehen nicht geeignet, den Begriff des Kreises der nahen Angehörigen in dem Sinn einzugrenzen, dass - grundsätzlich und von vornherein - etwa bei Vorliegen der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes, bei Erreichen eines bestimmten Alters des getöteten Elternteils etc der reine Trauerschaden nicht (mehr) ersatzfähig wäre. Eine Eingrenzung der Haftung für Trauerschäden auf diese Weise sei aus der bisherigen Rechtsprechung nicht nur nicht ableitbar, sondern würde im Ergebnis auch eine Rückkehr zu einer auf formale Aspekte ausgerichteten Auffassung bedeuten, wonach - mögen Leid, Kummer und Trauerreaktion über den Tod eines nahen Angehörigen (eines Elternteils) noch so groß und nachhaltig sein - keine Abgeltung für dadurch verursachte seelische Schmerzen zustehe, weil derartige Wechselfälle des Lebens grundsätzlich zum allgemeinen, von jedermann selbst zu tragenden, also entschädigungslos hinzunehmenden, schadenersatzrechtlich nicht mehr erfassbaren Lebensrisiko gehören würden. Auch würde sich ein Widerspruch zu der Empfehlung des Europarates vom 14. 3. 1975 ergeben, nach der im Todesfall zum Kreis allfälliger anspruchsberechtigter Hinterbliebener ua die Kinder des Verstorbenen zählen, sofern diese "zum Zeitpunkt der Tötung in engen Gefühlsbeziehungen zum Geschädigten standen" (Grundsatz 19).

Vielmehr sei die Ersatzfähigkeit und die Höhe vom Gesamtgewicht sämtlicher Haftungselemente abhängig zu machen. Dabei werde in erster Linie die enge Beziehung zwischen dem Getöteten und dem hinterbliebenen Angehörigen heranzuziehen sein. Diese werde sich von selbst aus einer familiären Nahebeziehung ergeben und jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn ein enger naher Angehöriger (Eltern-Kindschaftsverhältnis) getötet worden sei. Die Gewichtung der persönlichen Betroffenheit werde in diesem Naheverhältnis jedoch unterschiedlich sein, je nachdem ob etwa ein noch minderjähriges Kind oder ein bereits Erwachsener getötet werde oder einen Elternteil verliere. Wenngleich in diesem Zusammenhang starre Altersgrenzen abzulehnen seien, bestehe doch in der Regel bei mj Kindern und ihren Eltern eine stärkere emotionale Bindung als sie im Erwachsenenstadium gegeben sei. Kriterien wie die Selbsterhaltungsfähigkeit, das Verlassen des Haushaltes der Eltern, die Gründung einer eigenen Familie etc seien zwar in der Regel Ausdruck der Lockerung dieser emotionalen Bindung, können aber nicht generell dahin verstanden werden, dass die personale Verbundenheit damit beendet sei. Um in diesen Fällen eine objektive Beurteilung des Schadenersatzanspruches zu ermöglichen, könne bei dessen Ausmessung nicht darauf abgestellt werden, welche subjektive Betroffenheit der hinterbliebene Angehörige behaupte. Da sich Empfindungen und Verletzungen des Gefühlslebens, die nicht notwendigerweise ein äußeres Erscheinungsbild haben, schwer quantifizieren ließen, müsse nach objektiven Gesichtspunkten gesucht werden, die einen Schluss auf das Ausmaß der Trauer bzw der seelischen Betroffenheit zuließen. In diesem Sinn werde insbesondere zu berücksichtigen sein, wie oft bzw intensiv Kontakte oder Begegnungen stattgefunden hätten, weil auf diese Weise auf die Intensität der emotionalen Verbundenheiten rückgeschlossen werden könne. Diese Umstände würden eine Richtlinie dafür bieten, ob und inwieweit noch von einer nahen Angehörigeneigenschaft gesprochen werden könne, die einen Schmerzengeldanspruch für (reinen) Trauerschaden rechtfertige.

Bei der Ermittlung des Ausmaßes des Ersatzanspruches für reinen Trauerschaden werde - ebenso wie bei Ausmessung des Ersatzanspruches für immaterielle Schäden - als weiteres objektives Kriterium die psychophysische Situation des Betroffenen sowie die Beschaffenheit seiner Gefühlswelt festzustellen seien; ebenso werde die Schwankungsbreite seiner Psyche zu berücksichtigen und zu beachten sein, dass der Geldersatz unter anderem die Funktion haben solle, das gestörte Gleichgewicht in der Persönlichkeit des Betroffenen wieder herzustellen. Gesamt gesehen würden diese einzelnen Kriterien zu gewichten sein, wobei es im Sinn eines beweglichen Systems (nach Wilburg) dazu kommen könne, dass bestimmte, in einem geringeren Ausmaß gegebene Kriterien durch andere, stärker vertretene Merkmale ausgeglichen würden.

Bezogen auf den vorliegenden Fall ergebe sich aus den bisherigen Feststellungen, dass trotz Aufgehobenheit der Hausgemeinschaft doch eine starke räumliche Nahebeziehung und teilweise Überschneidung der Lebenskreise des Klägers und seiner Mutter gegeben gewesen sei, die sich in der näheren Vergangenheit dadurch geäußert habe, dass die Mutter des Klägers bei Beaufsichtigung der Kinder des Klägers in dessen familiäres Leben eingebunden gewesen sei; zum Todeszeitpunkt habe jedenfalls neben dem privaten Kontakt (Besuche, Hilfestellung bei Konflikten mit der Schwester) auch beruflicher Kontakt bestanden, indem die Mutter des Klägers in dessen Betrieb mitgeholfen habe. Wenngleich einzuräumen sei, dass diese Situation von einer derartigen Verbundenheit bzw von einem Aufeinanderangewiesensein, wie es etwa bei einem mj Kind gegenüber seiner obsorgenden Mutter bestehe, zu unterscheiden sei, sei ungeachtet dessen - unter der weiteren Voraussetzung, dass ein grobes Verschulden des Erstbeklagten vorliege - ein Anspruch auf Ersatz des reinen Trauerschadens zu bejahen. Dieser werde nach den vorangeführten Kriterien auszumessen sein.

Das Erstgericht habe aber ausgehend von seiner anderslautenden Rechtsansicht Feststellungen zum Unfallshergang, die eine Beurteilung des Verschuldensgrades des Erstbeklagten am Unfall ermöglichten, unterlassen. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht - wie beantragt - den Strafakt beizuschaffen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung des Verschuldensgrades zuließen. Dabei werde davon auszugehen sein, dass eine Bindungswirkung des gegen den Erstbeklagten ergangenen Strafurteils und der maßgebenden Tatsachengrundlagen desselben bestehe. Auf den Haftpflichtversicherer, der im Strafprozess kein rechtliches Gehör gehabt habe, erstrecke sich die Bindungswirkung des Strafurteiles jedoch nicht. Der Zweitbeklagten könne es daher nicht verwehrt sein, das (grobe) Verschulden des Erstbeklagten als Lenker des bei ihr haftpflichtversicherten PKWs zu bestreiten.

Sollte sich ein grobes Verschulden des Erstbeklagten herausstellen, erschienen zur Ausmessung des Schmerzengeldanspruches für Trauerschaden im Sinne des oben Dargelegten zudem noch konkretere Feststellungen zum persönlichen Naheverhältnis zwischen dem Kläger und seiner getöteten Mutter ebenso erforderlich wie Feststellungen zu dessen psychophysischer Situation. Zusammenfassend erweise sich daher die Berufung im Sinne des Aufhebungsantrages als erfolgreich.

Da zur Frage, ob objektive Kriterien wie die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes, das Alter des getöteten Elternteils, die Aufhebung der Hausgemeinschaft etc dem Grunde nach den Trauerschmerzengeldanspruch verhindern könnten, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auffindbar gewesen sei und aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 111/03t - wenngleich dieser Entscheidung ein Schockschaden zugrundegelegen sei - geschlossen werden könnte, dass es auf die gesteigerte Gefährlichkeit der Schädigungshandlung nicht notwendig ankomme, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig zu erklären gewesen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles abzuändern.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil der zu lösenden Rechtsfrage für die Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt; er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefasst geltend, die Anerkennung von Schmerzengeld für den nicht mit Krankheitswert behafteten Trauerschaden sei grundsätzlich abzulehnen, speziell für nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen; das Ableben der Eltern sei gerade für bereits aus dem Elternhaus ausgezogene volljährige und im Erwerbsleben stehende Kinder ein dem Lebenskalkül typischerweise entsprechendes Ereignis; auch bei schwerem Verschulden des Schädigers handle es sich um einen mittelbaren Schaden.

Hiezu wurde erwogen:

Der erkennende Senat hat in 2 Ob 84/01v = SZ 74/90 = ZVR 2001/73 (Karner) = ecolex 2001, 668 (Helmich) = JBl 2001, 660 = ASoK 2001, 323 (Stärker) = RdW 2002, 215 (Schobel 206) = ZEuP 2002, 834 (Kadner Graziano) = NZV 2002, 26 = EFSlg 97.045 nach Darstellung von Rechtsprechung und Lehre sowie einem Blick auf die Rechtslage in anderen europäischen Staaten (vgl hiezu nunmehr auch Danzl in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 139 FN 365 mit Hinweis auf FN 343 und 354; Kadner Graziano, Angehörigenschmerzengeld im europäischen Privatrecht - die Schere schließt sich, ZEuP 2002, 834, 841 ff) und die Empfehlungen des Europarates zur Vereinheitlichung der Rechtsbegriffe des Schadenersatzes bei Körperverletzung und Tötung vom 14. 3. 1975 ausgesprochen, dass ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt hat, nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht kommt. Bei leichter Fahrlässigkeit oder im Fall bloßer Gefährdungshaftung fehlt es hingegen an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes.

An dieser Rechtsprechung, die in der Fachliteratur überwiegend Zustimmung gefunden hat (vgl die Nachweise bei Danzl aaO 140 ff; kritisch jüngst Reischauer in Rummel3 § 1325 ABGB Rz 5a), ist festzuhalten.

Der Ansicht, die (Trauer über die) Tötung eines nahen Angehörigen gehöre zum allgemeinen, von jedem selbst zu tragenden Lebensrisiko (vgl Danzl aaO 127, 128 FN 339 mwN), ist der erkennende Senat in 2 Ob 84/01v nicht gefolgt. Ihr ist auch im Falle des Verlustes von Eltern nicht zuzustimmen: Der Anspruch auf Trauerschmerzengeld kann nicht schon mit der Begründung verneint werden, das Ableben von Eltern entspreche für erwachsene Kinder ohnehin dem "Lebenskalkül", wie die Rechtsmittelwerber meinen.

In 2 Ob 84/01v wurde auch bereits klargestellt, dass der Gefahr des Ausuferns von Ansprüchen durch enge Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises zu begegnen ist. Kinder, die über den Verlust eines Elternteiles trauern, gehören zum engsten, typischerweise schutzwürdigen Angehörigenkreis, dessen Grenzen hier nicht weiter untersucht werden müssen. Dass die Selbsterhaltungsfähigkeit (etwa eines jugendlichen Hilfsarbeiters im Vergleich zu einem gleichaltrigen Mittelschüler) hiefür eine erhebliche Bedeutung hätte, ist nicht nachvollziehbar; Alter des Getöteten und Aufhebung der Hausgemeinschaft können den Anspruch eines Kindes auf Trauerschmerzengeld dem Grunde nach nicht von vornherein ausschließen (vgl die zutreffenden Ausführungen des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht in ZVR 2001/72: mit dem "Abnabeln" oder "Loslassen" des Kindes hört die emotionale Sonderbeziehung zwischen Eltern und Kind nicht auf); die Bedeutung dieser Umstände für die Höhe des Anspruches wird noch zu erörtern sein.

Maßgeblich für die Zuerkennung von Trauerschmerzengeld ist die intensive Gefühlsgemeinschaft (vgl den Grundsatz 19 der bereits erwähnten Empfehlungen des Europarates; Karner, Rechtsprechungswende bei Schock und Fernwirkungsschäden Dritter? ZVR 1998, 182, 187), wie sie zwischen den nächsten Angehörigen typischerweise besteht (vgl auch 8 Ob 127/02p = ZVR 2002/96 [Karner]). Dem Schädiger steht es allerdings frei, diese Vermutung durch den Beweis zu entkräften, dass eine solche Gefühlsgemeinschaft trotz formalem Naheverhältnis tatsächlich nicht bestand, was etwa bei verfeindeten Ehegatten im Scheidungsstadium vorstellbar ist. Dem steht die Entscheidung 2 Ob 79/00g = SZ 74/24 = ZVR 2001/52 (Karner) nicht entgegen: Auch wenn die familienrechtliche Nahebeziehung zwischen nahem Angehörigen und Unfallsopfer vor dem Unfall gerade gestört war, zeigte der Eintritt eines Schockschadens mit Krankheitswert, dass die Gefühlsgemeinschaft doch noch existierte. Im vorliegenden Fall bestand nach den vorinstanzlichen Feststellungen aber ohnehin ein ausgezeichnetes, enges und ungestörtes Verhältnis zwischen dem Kläger und seiner Mutter.

Was die Anspruchshöhe anlangt, kommt es auf die Intensität der familiären Bindung an (vgl Roberto, Schweizerisches Haftpflichtrecht [2002] Rz 929; Oftinger/Stark, Schweizerisches Haftpflichtrecht I5 § 8 Rz 89). Neben dem Alter von Unfallsopfer und Angehörigen ist insbesondere das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft von Bedeutung (vgl Oftinger/Stark aaO Rz 94, 97; vgl auch die tabellarischen Übersichten zur italienischen, französischen und spanischen Rechtsordnung in DAR 2001, 585 f, 590, 593). Durch die Gründung eines eigenen Haushaltes und einer eigenen Familie wird regelmäßig die Beziehung des Kindes zu den Eltern gelockert (vgl Oftinger/Stark aaO Rz 97). Erhöhend wird sich im Zuge der Globalbemessung des Schmerzengeldes hingegen regelmäßig das Erleiden einer eigenen Gesundheitsschädigung (eines krankheitswertigen Schockschadens) auswirken, mag auch die Abgrenzung zwischen Trauer mit und ohne Krankheitswert häufig problematisch sein (2 Ob 84/01v). Ein gesonderter Zuspruch hätte hiefür - trotz Hinzutreten eines weiteren, hier nicht gegebenen Zurechnungsgrundes - nicht zu erfolgen.

In einem Extremfall (unfallsbedingter Verlust von Ehefrau und drei Kindern, schwere andauernde psychische Beeinträchtigungen) wurde einem 45-jährigen Familienvater vom erkennenden Senat der von ihm in dritter Instanz noch begehrte Betrag von EUR 65.000,- - zugesprochen (2 Ob 186/03x = ZVR 2004/6). Damals ging es allerdings nicht um ein (reines) Trauerschmerzengeld, sondern um die Abgeltung eines Schockschadens mit Krankheitswert; der Vorwurf groben Verschuldens wurde nicht erhoben.

Rechtsvergleichend ist in erster Linie ein Blick auf die Schweizer Rechtsordnung naheliegend, der auf der Grundlage des Art 47 OR Zusprüche an nahe Angehörige (Ehegatte, Elternteil, Kind) in der Größenordnung von sfr 10.000,-- bis 50.000,-- zeigt (Roberto aaO Rz 929; Schnyder im Basler Kommentar, OR I3 Art 47 Rz 21; Danzl aaO 151 mwN).

Im vorliegenden Fall ist bei der Bemessung des Schmerzengeldes für den geltend gemachten (reinen) Trauerschaden insbesondere zu bedenken, dass im Unfallszeitpunkt die getötete Mutter 61 Jahre und der Sohn noch nicht 40 Jahre alt war, der Sohn im eigenen Haushalt und mit eigener Familie, aber in unmittelbarer Nachbarschaft zu seiner Mutter lebte, und zwischen ihnen ein ausgezeichnetes, besonders enges und intensives Verhältnis bestand; nach der bisherigen Aktenlage hält der erkennende Senat ein Trauerschmerzengeld von EUR 13.000,-- für angemessen.

Was die Ergänzungsaufträge des Berufungsgerichtes anlangt, so sind Feststellungen zum Unfallshergang, die eine Beurteilung des maßgeblichen Verschuldensgrades ermöglichen, im Hinblick auf die in 2 Ob 84/01v vorgenommene Einschränkung auf grobes Verschulden unerlässlich. Eine Bindung an das Strafurteil besteht hier (im KFZ-Haftpflichtbereich) allerdings weder gegenüber dem zweitbeklagten Haftpflichtversicherer noch gegenüber dem erstbeklagten (verurteilten) Lenker (2 Ob 257/97a = SZ 71/66 = ZVR 1998/98; RIS-Justiz RS0110240), wie zur Verdeutlichung der insoweit möglicherweise missverständlichen Ausführungen des Berufungsgerichtes festzuhalten ist.

Hingegen sind Feststellungen zur psychophysischen Situation des Klägers entbehrlich, weil er keine eigene Gesundheitsschädigung geltend gemacht hat; die Feststellung, er habe unter dem Tod seiner Mutter sehr gelitten, genügt. Auch zum persönlichen Naheverhältnis hat das Erstgericht für eine Bemessung ausreichende Feststellungen getroffen, die keiner Ergänzung bedürfen.

Abschließend ist zu bemerken, dass der Entscheidung 2 Ob 111/03t = ZVR 2004/26 die ihr vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung beigemessene Bedeutung im gegebenen Zusammenhang nicht zukommt. Dort ging es um die psychosomatische Erkrankung einer Tochter nach unfallsbedingter Abwesenheit ihrer Eltern; bei der zitierten Textpassage über die Bedeutung einer gesteigerten Gefährlichkeit handelt es sich überdies nur um das Referat einer Lehrmeinung (insofern missverständlich RIS-Justiz RS0117794).

Da es im Ergebnis beim Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes zu bleiben hat, war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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