Spruch:
Der Zweck der Haftungsbeschränkung des Dienstnehmers besteht in gleicher Weise auch gegenüber den Hinterbliebenen des Dienstgebers, nämlich darin, ihn vor Überforderung zu schützen, wobei aber das DHG auf das Bestehen einer Haftpflichtversicherung zugunsten des Dienstnehmers grundsätzlich nicht Bedacht nimmt
OGH 17. Oktober 1974, 2 Ob 137/74 (OLG Wien 9 R 185/73; KG Korneuburg 2 Cg 169/72)
Text
Der bei der Klägerin pensionsversicherte Karl K wurde bei einem Verkehrsunfall als Mitfahrer in dem von ihm gehaltenen und vom Beklagten der bei ihm beschäftigt war, gelenkten PKW getötet. Die Klägerin begehrte den Ersatz der von ihr in der Zeit vom 5. November 1969 bis 30. April 1972 an Adele K bezahlten Witwenpension von 12.893.50 S und der an den minderjährigen Alfred K gezahlten Waisenpension von 7865.90 S, insgesamt also von 20.759.40 S samt Anhang gestützt auf § 109 GSPVG. Überdies wurde ein Feststellungsbegehren erhoben.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung.
Das Erstgericht sprach der Klägerin 15.634.28 S samt Anhang zu und stellte die Haftung des Beklagten für die Pflichtaufwendungen der Klägerin ab 15. Dezember 1973 fest, soweit diese im Schadenersatzanspruch der Hinterbliebenen Deckung finden. Das Leistungsmehrbegehren und das weitergehende Feststellungsbegehren (für die Zeit vom 18. April 1972 bis 15. Feber 1973) wurden abgewiesen.
Das Berufungsgericht setzte den Zuspruch auf 13.660.80 S samt Anhang herab und stellte die Haftung des Beklagten für die künftigen Pflichtaufwendungen der Klägerin ohne die erwähnte zeitliche Einschränkung fest.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge; die Urteile der Untergerichte wurden aufgehoben, die Rechtssache wurde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war Karl K der Gatte der Adele K und der Vater des minderjährigen Alfred K. Er war von Beruf Bettfedernhändler und als solcher häufig auswärts tätig. Er lebte mit Gattin und Sohn im gemeinsamen Haushalt. Seine selbst berufstätige Gattin erhielt von ihm als Zuschuß zum Wirtschaftsgeld durchschnittlich 400 S monatlich. Dieser Betrag wurde jedoch von ihm selbst verbraucht. Adele K mußte noch ungefähr 200 S monatlich zum Unterhalt ihres Gatten beisteuern. Karl K wendete jährlich etwa 3000 S bis 3500 S für Strom und Beheizung, sowie 2000 S bis 2500 S für Bekleidung und Wäsche seines Sohnes auf, machte aber für seine Gattin keine Aufwendungen.
Der Beklagte wurde nach § 335 StG wegen des gegenständlichen Verkehrsunfalles verurteilt.
Das Erstgericht kam zu dem Ergebnis, daß zwar die von der Klägerin gewährte Waisenpension, nicht aber die Witwenpension in den Unterhaltsansprüchen der Hinterbliebenen gedeckt gewesen seien. § 2 des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes komme nicht zur Anwendung, weil zwischen dem Beklagten und den Hinterbliebenen nach Karl K kein Dienstverhältnis bestanden habe.
Das Berufungsgericht lehnte ebenfalls die Heranziehung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes ab, fand aber, daß der Deckungsfonds für den Anspruch der Klägerin unrichtig berechnet worden sei, und gelangte deshalb zur Abänderung des Leistungsurteils; außerdem sei das Feststellungsbegehren für die Zeit von der Klagseinbringung bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung zu Unrecht abgewiesen worden.
Der Revisionswerber rügt vor allem, daß die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes nicht angewendet worden seien. Es sei nicht einzusehen, wieso er dem Legalzessionar des bloß am Körper verletzten Dienstgebers das eigene mindere Versehen als haftungsbefreiend einwenden könnte, nicht aber bei unveränderter Interessenlage im Falle des Todes des Dienstgebers. Wäre ein Direktanspruch nicht gegeben, so könnten auch die Hinterbliebenen nicht geschädigt sein. Es müsse daher geprüft werden, ob ein minderer Grad des Versehens vorliege.
Die Untergerichte vermeinten, aus dem Umstand, daß es sich beim Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB um einen originären Anspruch der Hinterbliebenen handle, sowie daß die Hinterbliebenen im Dienstnehmerhaftpflichtgesetz nicht erwähnt wurden, schließen zu können, daß dieses Gesetz hier nicht anwendbar sei. Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Den Hinterbliebenen im Sinne des § 1327 ABGB gebührt nämlich dem Gründe nach nur insoweit Schadenersatz, als der Verletzte einen solchen selbst verlangen könnte, wenn er am Leben geblieben wäre (vgl. die Entscheidungen Nr. 4 zu § 1327 ABGB GMA[29]). Diese (übrigens in § 846 BGB ausdrücklich enthaltene) Regel ist ein Ausdruck des weiterreichenden Grundsatzes, daß die Ansprüche des ersatzberechtigten Dritten in ihrer Entstehung vom Verhalten des unmittelbar Verletzten in gleicher Weise wie etwa die eigenen Ansprüche abhängen. Dazu kommt die Erwägung, daß der Zweck der Haftungsbeschränkung des Dienstnehmers in gleicher Weise auch gegenüber den Hinterbliebenen des Dienstgebers besteht, nämlich ersteren vor Überforderungen zu schützen, wobei aber das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz auf das Bestehen einer Haftpflichtversicherung zugunsten des Dienstnehmers grundsätzlich nicht Bedacht nimmt (vgl. Palandt, BGB [32], Anm. 1 zu § 844; Soergel - Siebert, BGB[10], Anm. 2 zu § 846). Wäre also der Schadenersatzanspruch des Verletzten selbst beschränkt, wenn er den Unfall überlebt hätte, dann könnten auch seine Hinterbliebenen keinen uneingeschränkten Anspruch geltend machen. Die Auffassung der Untergerichte müßte ja in dem Fall, daß ein Dienstgeber durch Verschulden seines Dienstnehmers verletzt wird und später an den Folgen dieser Verletzung stirbt, zu einer verschiedenen Behandlung der Ansprüche nach §§ 1325 und 1327 ABGB führen, wofür sich keine logische Begründung geben ließe. Es wird deshalb zu prüfen sein, ob diesfalls Karl K nach § 2 DHG einen vollen, einen eingeschränkten oder gar keinen Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten gehabt hätte, wenn er nicht getötet worden wäre. Von der Frist des § 6 DHG sind jedoch die Hinterbliebenen keinesfalls betroffen, weil sich die Verjährung ihrer Schadenersatzansprüche selbständig nach § 1489 ABGB bestimmt. Für die bezeichnete rechtliche Beurteilung fehlen aber die notwendigen Feststellungen, weil die Untergerichte solche von ihrer irrigen Rechtsansicht ausgehend für überflüssig gehalten haben.
Die Urteile der Untergerichte waren daher aufzuheben und dem Erstgericht neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.
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