Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 11. 1. 1997 stieß der Kläger mit einem von ihm geleasten PKW gegen
11.40 Uhr auf der Inntalautobahn, Ausfahrt Schwaz, etwa im Bereich des Scheitelpunktes einer Rechtskurve gegen die linksseitige Leitplanke, wodurch der PKW beschädigt wurde. Im Bereich der Unfallstelle war die Fahrbahn großflächig (über mehr als 20 m in Längsrichtung zur Kollisionsstelle hin) vereist, wobei dieser Fahrbahnzustand optisch nicht zu erkennen war. Der Bereich war zu diesem Zeitpunkt aus ungeklärter Ursache nicht gestreut.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadenersatz mit der Behauptung, sie sei ihrer Verpflichtung zur Erhaltung des Weges bzw der Autobahn im Sinne des § 1319a ABGB nicht nachgekommen. Die Senke, in der sich der Unfall ereignet habe, hätte gestreut werden müssen, weil dort das Wasser nicht abrinne.
Die beklagte Partei wendete ein, die Strecke sei um 8 Uhr mit dem Streufahrzeug befahren worden. Dennoch sei es im konkreten Fall kleinräumig, offenbar unter dem Einfluss von Wind, zu einer gewissen Fahrbahnglätte gekommen. Ein fahrlässiges Verhalten auf ihrer Seite liege nicht vor. Dem Kläger sei die Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit vorzuwerfen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren im Umfang von S 2.640 (Kosten der vorprozessualen Begutachtung) als unzulässig zurück, gab ihm im Übrigen mit S 111.265 statt und wies ein Mehrbegehren von S 2.160 ab.
Es traf neben den eingangs wiedergegebenen noch folgende Feststellungen:
Der Kläger hielt eine Geschwindigkeit von etwa 70 km/h ein, bremste im Bereich einer Senke leicht und geriet auf Grund der vereisten Fahrbahn ins Schleudern. Bei trockener Fahrbahn ist der Unfallbereich mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h problemlos befahrbar, im damals vereisten Zustand lag die unkritische Fahrgeschwindigkeit bei unter 50 km/h. Zwischen dem 1. und 11. 1. 1997 wurde am 4. 1. tagsüber leichter unergiebiger Schneefall beobachtet, sonst gab es keinen Niederschlag. Nachdem es in den Morgenstunden des 11. 1. 1997 im Inntal bedeckt durch Hochnebel war, lockerte die Wolkendecke in Raum Schwaz im Laufe des Vormittags langsam auf. Gegen 11.30 Uhr war eine Lufttemperatur von minus 1 Grad Celsius und eine relative Feuchtigkeit von 90 % vorhanden, wobei in der Nähe von Flüssen oder feuchten Wiesen die Feuchtigkeit zumindest teilweise auch höher sein konnte. Die Bodentemperatur lag am Vormittag zunächst unter dem Gefrierpunkt und stieg mit Sonneneinstrahlung auf den Gefrierpunkt und stellenweise darüber an. Die ungewöhnlich lange Schönwetterperiode im Jahr 1997 verursachte im Inntal über einen Zeitraum von nahezu zwei Wochen ähnliche Witterungsverhältnise mit nächtlichen Minimaltemperaturen deutlich unter und Maximaltemperaturen um den Gefrierpunkt. Eine Vereisung durch Ablagerung des in der Luft vorhandenen überschüssigen Wasserdampfes auf dem Straßenbelag war eher in der Nacht und besonders in den Morgenstunden zu erwarten. Der für den Winterdienst eingeteilte Fahrer der Autobahnmeisterei Vomp hatte auf Grund der nach den Witterungsverhältnissen zu erwartenden Vereisung die Aufgabe, in den Morgenstunden auch auf der Autobahnausfahrt Schwaz im Bereich von nassen Stellen Salz zu streuen. Er erreicht diese Ausfahrt üblicherweise gegen 8 Uhr Früh. Das Bestreuen der Ausfahrt unterblieb am Unfallstag aber aus ungeklärten Gründen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass die Beklagte gemäß §§ 2, 6 ASFINAG-ErmächtigungsG 1997 (BGBl 113/1997) als Wegehalterin der Inntalautobahn anzusehen sei, die ab dem 1. 1. 1997 als Mautautobahn zu qualifizieren sei. Es sei nicht strittig, dass am Fahrzeug des Klägers eine entsprechende Vignette angebracht gewesen sei. § 1319a ABGB sei nur auf nicht vertraglich übernommene Sorgfaltspflichten anzuwenden. Bei Verletzung vertraglicher Sorgfaltspflichten werde auch für leichte Fahrlässigkeit gehaftet. Die beklagte Partei hafte dem Kläger gegenüber für die Verletzung der vertraglich übernommenen Sorgfaltspflichten auch bei nur leichter Fahrlässigkeit, wobei Beweislastumkehr im Sinn des § 1298 ABGB eintrete. Die Autobahnausfahrt Schwaz sei trotz der vorauszusehenden Gefahr einer Vereisung in den Morgenstunden nicht gestreut worden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nur teilweise Folge und verpflichtete sie zur Zahlung von S 78.600 samt 4 % Zinsen ab 20. 3. 1998. Das Mehrbegehren von S 34.665 samt einem Zinsenmehrbegehren wies es ab. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei und führte zur Rechtsfrage im Wesentlichen Folgendes aus:
Zwar sei die vom Verfassungsgerichtshof ausgesprochene Aufhebung des § 15 des Bundesgesetzes betreffend die Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften BGBl 1992/826 als verfassungswidrig erst mit Ablauf des 30. 6. 1998 in Kraft getreten. Durch diese Bestimmung seien aber nicht alle Bundesstraßengesellschaften haftungsmäßig privilegiert worden, sondern nur jene, denen diese Privilegien durch das Gesetz ausdrücklich zugebilligt worden sei. Privilegierte Bundesautobahnen und Bundesschnellstraßen seien jene gewesen, die von der Alpenstraßen-AG und der Österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen-AG erhalten worden seien; hingegen unterlägen die übrigen Autobahnen und Bundesschnellstraßen, für deren Benützung nach dem Bundesstraßenfinanzierungsgesetz (BGBl 1996/201 idF BGBl 1996/656) ab dem 1. 1. 1997 eine zeitabhängige Maut einzuheben gewesen sei, den allgemeinen Haftungsgrundsätzen des ABGB. Die Beklagte treffe daher die dem Vertrag entsprechende Verpflichtung, die zur entgeltlichen Benützung überlassene Straße in einem verkehrssicheren Zustand zu halten, weshalb sie den Straßenbenützern gegenüber für die Verletzung der vertraglich übernommenen Sorgfaltspflichten selbst bei leichter Fahrlässigkeit hafte. Zudem trete Beweislastumkehr im Sinn des § 1298 ABGB ein. Es habe nicht geklärt werden können, aus welchen Gründen die zum Unfallszeitpunkt vereiste Unfallstelle nicht gestreut worden sei. Der Beklagten wäre im Sinn des § 1298 ABGB der Beweis oblegen, dass sie ohne ihr Verschulden an der Erfüllung ihrer vertraglichen Verbindlichkeit verhindert gewesen sei. Da dieser Beweis nicht erbracht worden sei, sei die Haftung für den eingetretenen Schaden zu bejahen.
Das Berufungsgericht sprach nach einem Abänderungsantrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage, ob die "Mautvignette" mit einer üblichen privaten Straßenmaut vergleichbar sei oder zu dieser wesentliche Unterschiede bestünden, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, das Haftungsprivileg im Sinn des § 1319a ABGB aufrecht zu erhalten, fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.
Eine Revisionsbeantwortung des Klägers wurde rechtskräftig als verspätet zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob die "Mautvignette" mit einer üblichen Straßenmaut vergleichbar sei, wurde vom erkennenden Senat in der Entscheidung 2 Ob 33/01v bereits dahingehend beantwortet, dass es sich bei der zeitabhängigen Maut (Vignettenmaut) gemäß § 7 des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996 (= Art 20 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 1996/201) nicht um eine Abgabe, sondern um ein privatrechtliches Entgelt handle (vgl VwGH 98/06/0002 = ZfVB 199/1048; Stolzlechner/Kostal, Das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, ZVR 1999, Sonderheft 5 A, 17). Danach gelte für diese Mautstrecken die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aus der Zeit vor 1997, derzufolge der Mautstraßenerhalter auf der Grundlage eines mit dem Straßenbenützer entgeltlich geschlossenen Vertrages bei Erfüllung seiner vertraglich übernommenen Schutz- und Sorgfaltspflichten für jedes Verschulden einzustehen habe (2 Ob 105/89 = ZVR 1990/14; RIS-Justiz RS0023825; RS0023459; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 25 zu § 1319a; Harrer in Schwimann ABGB2 Rz 27 zu § 1319a). Die Haftungseinschränkung auf grobe Fahrlässigkeit gemäß § 1319a ABGB sei demnach auch im Fall der Vignettenmaut gemäß § 7 BStFG 1996 nicht anwendbar (so auch Messiner,
Die Auswirkungen der Aufhebung des erweiterten Haftungsprivilegs des § 1319a ABGB für Straßensondergesellschaften als Mautstraßenerhalter durch den VfGH, ZVR 1997, 235 f bei FN 5).
Die Vorinstanzen haben daher zutreffend das Vorliegen einer vertraglichen Haftung der beklagten Partei angenommen. Bei einer Vertragshaftung trifft die Beweislast für die Vertragsverletzung und den Kausalzusammenhang den Geschädigten (1 Ob 75/00m = JBl 2001, 104; Reischauer, Neuere Rechtsprechung und Lehre zu § 1298 ABGB, JBl 1998, 473 ff; ders Pistenrand- bzw Pistenumfeldsicherung/Sorgfaltsverletzung und Beweislast/§ 1298 ABGB-Bemerkungen zu 1 Ob 75/00m; JBl 2001, 131). Diesre Beweislast hat der Kläger durch Nachweis der Vereisung der Autobahnabfahrt über eine Strecke von 20 m als Grund für sein Abkommen von der Straße entsprochen. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich bereits ausgesprochen, dass (im Bereich von Mautautobahnen) der Autobahnhalter die Verantwortung für die Verkehrssicherheit der Straße im entsprechenden Zeitpunkt im Rahmen der Zumutbarkeit übernimmt. Danach ist der Autobahnhalter grundsätzlich verpflichtet, auch für ausreichende Schneeräumung zu sorgen, um im Rahmen des Zumutbaren die Autobahn in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten (ZVR 1990/14). Bei Gefahr von Glatteis sind alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um ein Schleudern von Fahrzeugen hintanzuhalten (ZVR 1990/16 [Bestreuung der Fahrbahn mit Sand oder Rollsplitt]). Wo aber § 1298 ABGB anzuwenden ist, hat der Schuldner zu beweisen, dass er die objektiv gebotene Sorgfalt eingehalten hat; gelingt ihm dieser Beweis nicht, so steht ihm allenfalls noch der Beweis offen, dass ihm die Nichteinhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt subjektiv nicht vorwerfbar ist (Reischauer, Neuere Rechtsprechung und Lehre zu § 1298 ABGB aaO 474 mwN). Danach trifft die beklagte Partei die Beweislast, dass ihr die unterlassene Bestreuung der vereisten Fläche weder objektiv noch subjektiv vorzuwerfen ist. Diesen Beweis konnte sie nicht erbringen. Nach den Feststellungen unterblieb eine (gebotene) Streuung der vereisten Fläche aus ungeklärten (offensichtlich unaufklärbaren) Gründen. Diese Negativfeststellung geht daher nach der oben dargestellten Beweislastverteilung zum Nachteil der beklagten Partei.
Die Vorinstanzen haben daher zutreffend die vertragliche Haftung der beklagten Partei bejaht und den ihr obliegenden Entlastungsbeweis als nicht erbracht angesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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