OGH 2Ob129/71

OGH2Ob129/712.3.1972

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pichler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Sobalik, Dr. Piegler, Dr. Fedra und Dr. Reithofer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** V*****, vertreten durch Dr. Hans Rogen, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wider die beklagte Partei H***** K*****, Schweiz, vertreten durch Dr. Ernst Stolz, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Schadenersatzes, infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. Februar 1971, GZ 2 R 1/71‑23, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 17. November 1970, GZ 5 Cg 2362/70‑13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1972:0020OB00129.710.0302.000

 

Spruch:

 

Der Revision der Klägerin wird nicht, der des Beklagten teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es unter Einbeziehung des nicht in Beschwerde gezogenen und bestätigten Teils zu lauten hat:

„1.) Die Forderung der Klägerin besteht mit 6.283,90 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1969 zu Recht.

2.) Die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung besteht mit 750 S zu Recht.

3.) Der Beklagte ist daher schuldig, der Klägerin 5.533,90 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1969 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

4.) Das Mehrbegehren der Klägerin auf Zahlung weiterer 18.597,20 S samt 4 % Zinsen aus 24.131,10 S vom 5. 3. 1967 bis 15. 10. 1969 und aus 18.597,20 S seit 16. 10. 1969 wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 2.817,44 S bestimmten Prozesskosten und die mit 920,16 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.“

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.765,28 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 5. 3. 1967 um ca 20:20 Uhr beim Überqueren der Rheinstraße in Bregenz‑Vorkloster vom PKW des Beklagten erfasst und schwer verletzt. Aus Anlass dieses Unfalls wurde der Beklagte wegen Übertretung nach § 335 StG rechtskräftig verurteilt.

Mit der Behauptung, dass der Beklagte den Unfall durch Unaufmerksamkeit und Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit allein verschuldet habe, begehrte die Klägerin unter Berücksichtigung einer vor Klagserhebung geleisteten Teilzahlung von 6.451,35 S und einer Haushaltsersparnis von 1.140 S die Zahlung des Gesamtbetrags von 24.131,10 S samt 4 % Zinsen seit 5. 3. 1967 für Schmerzengeld, Verdienstentgang und verschiedene unbestrittene Auslagen.

Der Beklagte wendete überwiegendes Verschulden der Klägerin ein, bestritt das Schmerzengeld sowie den Verdienstentgang der Höhe nach und machte eine Gegenforderung von 1.710 S, ds drei Viertel seiner Reparaturkosten zur Aufrechnung geltend.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 6.339,88 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1969 und die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung mit 750 S zu Recht bestehe. Es verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 5.589,88 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1969 und wies das Mehrbegehren von 18.541,22 S samt 4 % Zinsen seit 5. 3. 1967 sowie das Mehrbegehren an Zinsen aus dem zugesprochenen Betrag für die Zeit vom 5. 3. 1967 bis 15. 10. 1969 ab.

Die Berufung des Beklagten, mit der dieser erreichen wollte, dass der Klägerin nur ein Betrag von 3.023,80 S zugesprochen werde, blieb ohne Erfolg. Hingegen gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerin teilweise dahin Folge, dass die Klagsforderung mit 16.485,48 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1969, die Gegenforderung mit 375 S zu Recht bestehe und der Beklagte daher zur Zahlung von 16.110,48 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1969 verurteilt, das rechtliche Begehren aber abgewiesen werde.

Beide Parteien erheben Revision. Die Klägerin macht als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, ihr in Abänderung des Berufungsurteils weitere 8.020,62 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1969 zuzusprechen und die Gegenforderung des Beklagten zur Gänze abzuweisen. Der Beklagte bekämpft die Berufungsentscheidung aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, dass „ein gleichteiliges Verschulden der Streitteile angenommen, der Höhe nach lediglich ein Schmerzengeld von 20.000 S zugrundegelegt und bei der Berechnung der der Klägerin unter Zugrundelegung eines gleichteiligen Verschuldens zustehenden Schadenersatzansprüche das Quotenvorrecht hinsichtlich des Krankengeldes von 6.451,35 S zugrundegelegt werde“. Hilfsweise stellen beide Parteien einen Aufhebungsantrag.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, der gegnerischen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt; hingegen kommt der Revision des Beklagten teilweise Berechtigung zu.

Vor Eingehen auf die Revisionsausführungen des Beklagten ist zu prüfen, ob sein Revisionsantrag den Erfordernissen des § 506 Abs 1 Z 2 ZPO entspricht. Nach dieser Bestimmung hat die Revision unter anderem die bestimmte Erklärung zu enthalten, welche Abänderung des Urteils beantragt werde. Im Leistungsprozess muss der Revisionswerber grundsätzlich ziffernmäßig bestimmt angeben, welcher Teil des Begehrens zugesprochen und welcher abgewiesen werden soll (Fasching Kommentar zu den ZP‑Gesetzen, IV Seite 65, 350 f; SZ 42/148). Das Fehlen der Angabe eines ziffernmäßigen Betrags im Abänderungsantrag kann jedoch als unschädlich angesehen werden, wenn aus dem Akt der vom Rechtsmittelwerber gewünschte Betrag, wie diesfalls, durch einfache Rechenoperationen eindeutig, leicht und mit Sicherheit festzustellen ist. Fehler bei der Beurteilung der Absicht des Rechtsmittelwerbers und bei der Berechnung des Umfangs der Anfechtung sind vorliegend im Hinblick auf die Revisionsausführungen und die in der Berufungsschrift des Beklagten vorgenommene Berechnung des Ersatzanspruchs der Klägerin mit Sicherheit auszuschließen.

Der Revisionsantrag ist aus den vorstehenden Erwägungen genügend bestimmt, sodass der meritorischen Erledigung des Rechtsmittels ein Hindernis nicht entgegensteht.

Zur Erörterung steht erstens die Frage des Mitverschuldens der Klägerin, zweitens die Schmerzengeldbemessung und drittens die Berechnung des Verdienstentgangs der Klägerin.

Mitverschulden der Klägerin:

Der Beklagte fuhr mit seinem PKW auf der Rheinstraße in Bregenz bei Dunkelheit und leichtem Regen mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h in Richtung Hard. Die im Unfallbereich gerade verlaufende Rheinstraße ist einschließlich der beiden je 1 m breiten Radfahrstreifen 13 m breit und besitzt eine Straßenbeleuchtung. Die Klägerin nahm, als sie die Straße zu überqueren begann, das von rechts kommende Fahrzeug des Beklagten wahr, glaubte jedoch, die andere Straßenseite noch rechtzeitig erreichen zu können. In der Fahrbahnmitte blickte sie, ohne stehen zu bleiben, noch einmal kurz nach rechts, sah den PKW des Beklagten in einer Entfernung von 30 bis 40 m und ging in der Annahme, die Straße noch vor dem PKW überqueren zu können, weiter, ohne noch einmal nach rechts zu schauen. Der Beklagte nahm die Klägerin zu einem Zeitpunkt wahr, als diese die Straßenmitte noch nicht erreicht hatte. Er fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit, aber bremsbereit weiter, weil er glaubte, dass die Klägerin seine Vorbeifahrt in der Straßenmitte abwarten werde. Als der Beklagte bemerkte, dass die Klägerin weiter ging, bremste er scharf und zog sein Fahrzeug nach rechts. Im Zeitpunkt des Bremseinsatzes hatte der PKW zum rechten Radfahrstreifen einen Seitenabstand von 1,8 bis 2 m. Bei einem Seitenabstand des PKWs von 1 m vom rechten Radstreifen wurde die Klägerin von der rechten vorderen Hälfte des PKWs erfasst und zur Windschutzscheibe geschleudert. Die Bremsspuren der rechten Räder des PKWs waren 15,4 die der linken Räder 15,8 m lang. Die Klägerin war beim Zusammenstoß noch 1,50 m vom Radfahrstreifen entfernt.

Das Erstgericht nahm gleichteiliges Verschulden beider Beteiligten an, wobei es der Klägerin einen Verstoß gegen die Bestimmungen des § 76 Abs 4 lit c und 5 StVO 1960 – in der zur Unfallszeit geltenden Fassung – anlastete, während es dem Beklagten zum Vorwurf machte, dass er vorerst ohne Geschwindigkeitsverminderung weiterfuhr und auf das offenbar verkehrswidrige Verhalten der Fußgängerin verspätet reagierte.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass den festgestellten Umständen eine Verschuldensteilung von 1:3 zu Lasten des Beklagten gerecht werde. Die Klägerin habe als sicher angenommen, die Straße noch vor dem PKW überqueren zu können. Der Beklagte hingegen habe die Gefahr erkannt und geradezu bewusst in Kauf genommen.

Die Klägerin wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass sie den Unfall mitverschuldet habe. Der PKW sei, als sie die Fahrbahn betreten habe, noch mindestens 60 bis 80 m von der späteren Unfallstelle entfernt gewesen. Günstigere Verhältnisse zum Überqueren der stark frequentierten Straße im Ortsgebiet habe sie nicht erwarten können. Sie sei weder berechtigt noch verpflichtet gewesen, in der Fahrbahnmitte stehen zu bleiben. Der Beklagte hätte den Unfall durch eine geringe Geschwindigkeitsverminderung, allenfalls verbunden mit einem leichten Auslenken nach links, vermeiden können. Ein Anspruch des Beklagten, das Ortsgebiet mit gleichbleibender Geschwindigkeit zu durchfahren, lasse sich aus § 76 StVO 1960 nicht ableiten.

Der Beklagte meint, dass die Klägerin ein gleichteiliges Mitverschulden treffe. Die Klägerin habe sich nicht vergewissert, ob sie die Fahrbahn vor dem Eintreffen des PKWs mit Sicherheit überschreiten könne. Sie habe überdies die Fahrbahn außerhalb eines in der Nähe befindlichen Fußgängerübergangs überquert und dem Fahrzeugverkehr ab der Fahrbahnmitte überhaupt keine Beachtung geschenkt. Dem Beklagten falle dagegen lediglich eine verspätete Reaktion zur Last.

Die Ausführungen der Klägerin sind nicht stichhältig die des Beklagten nur zum Teil berechtigt.

Gemäß § 76 Abs 5 StVO 1960 haben Fußgänger die Fahrbahn in angemessener Eile und – außerhalb von Schutzwegen – auf dem kürzesten Weg zu überqueren; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht behindern. Diese Regelung ist von dem Grundsatz beherrscht, dass die Fahrbahn in erster Linie für den Fahrzeugverkehr bestimmt ist (ZVR 1968 Nr 123). Mit Rücksicht auf dieses Vorrecht des Fahrzeugverkehrs muss der Fußgänger in der Regel davon ausgehen, dass der Lenker eines Fahrzeugs seine bisherige Fahrweise beibehält. Vor dem Betreten der Fahrbahn hat der Fußgänger demnach sorgfältig zu prüfen, ob er die Straße noch vor dem Eintreffen von Kraftfahrzeugen mit Sicherheit überschreiten kann. Bei Erreichen der Fahrbahnmitte muss er sich neuerlich vergewissern, ob sich ihm von rechts ein Fahrzeug nähert, und er muss stehenbleiben, wenn ein Fahrzeug so nahe ist, dass die gefahrlose Fahrbahnüberquerung vor diesem nicht mit Sicherheit möglich ist (ZVR 1959 Nr 122). Aus dem Gebot des § 76 Abs 5, 1. Satz StVO 1960, die Fahrbahn in angemessener Eile zu überqueren, kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht abgeleitet werden, dass ein Fußgänger, der zulässigerweise bis zur Fahrbahnmitte gegangen ist, die zweite Fahrbahnhälfte ohne Rücksicht auf die Behinderung des Fahrzeugverkehrs überqueren dürfe. Ein solcher Rechtssatz findet sich auch nicht in der von der Revision bezogenen Entscheidung ZVR 1964 Nr 275. Der Oberste Gerichtshof hat vielmehr dort ausgesprochen, dass die Verpflichtung nach § 76 Abs 5, 1. Satz StVO 1960 ein durch die Verkehrslage gerechtfertigtes Stillstehen, des Fußgängers auf die Fahrbahn nicht ausschließt. Bei den von den Untergerichten festgestellten Verhältnissen konnte die Klägerin nicht mit Sicherheit annehmen, dass sie die andere Straßenseite noch vor dem Eintreffen des von rechts kommenden Fahrzeugs erreichen werde. Bei Dunkelheit und Regen ist die Gefahr einer Täuschung über Entfernung und Geschwindigkeit eines herannahenden Fahrzeugs ungleich größer als bei Tag. Die Klägerin war daher zu einer besonders sorgfältigen Prüfung der Verkehrslage verpflichtet und hätte bei Anwendung dieser Sorgfalt, zumindest bei dem Blick von der Fahrbahnmitte nach rechts die Gefährlichkeit der weiteren Überquerung erkennen können. Gewiss ist von einem Fußgänger nicht zu verlangen, dass er vor dem Betreten der Fahrbahn eine mit Zehntelsekunden operierende Berechnung der Möglichkeit des Überquerens anstellt. Den von der Klägerin daraus gezogenen Schlussfolgerungen ist jedoch nicht beizupflichten. Gerade wegen der Schwierigkeit/Geschwindigkeit, Entfernung und Fahrzeit des herannahenden Fahrzeugs verlässlich abzuschätzen, muss der Fußgänger die Verkehrslage besonders sorgfältig prüfen und ehe ungünstig beurteilen, im Zweifel daher stehenbleiben und die Vorbeifahrt des Fahrzeugs abwarten. Die von der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung angestellten Berechnungen sind nicht zielführend, weil Entfernung und Geschwindigkeit des PKW nur mit Annäherungswerten feststehen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin nur mehr 1,50 m vom Radfahrstreifen entfernt war, kann nicht geschlossen werden, dass der Unfall ohne Auslenken des Beklagten nach rechts auch bei Weiterfahrt mit unverminderter Geschwindigkeit unterblieben wäre, weil der Beklagte durch die, wenn auch verspätete, Notbremsung die Unfallstelle später als bei ungebremster Fahrt erreichte. Die Klägerin wäre daher zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte bei unverminderter Geschwindigkeit zu ihrer Überquerungslinie gekommen wäre, vom rechten Radfahrstreifen noch mehr als 1,50 m entfernt gewesen. War der Beklagte zur Vermeidung eines Unfalls genötigt, seine Geschwindigkeit zu vermindern oder nach links auszulenken, dann war er durch das Verhalten der Klägerin behindert und es haben die Vorinstanzen mit Recht einen Verstoß der Klägerin gegen die Vorschrift des § 76 Abs 5 StVO 1960 angenommen. Hingegen liegt ein Verstoß der Klägerin gegen die Vorschrift des § 76 Abs 6 StVO 1960 nicht vor, da nicht festgestellt und vom Beklagten in I. Instanz auch nicht behauptet wurde, dass sich in der Nähe der Unfallstelle ein Fußgängerübergang befunden habe. Das Erstgericht ist im Gegenteil davon ausgegangen, dass ein Fußgängerübergang nicht vorhanden oder mehr als 25 m entfernt gewesen sei. Mangels einer entsprechenden Prozessbehauptung in I. Instanz liegt der vom Beklagten in diesem Zusammenhang unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemachten Feststellungsmangel nicht vor.

Das Eigenverschulden der Klägerin wird dadurch, dass der Beklagte den Unfall nicht verhindert hat, obwohl er dies konnte, nicht aufgehoben. Der Entscheidung ZVR 1964 Nr 275 lag wohl ein ähnlicher, aber in wesentlichen Punkten doch verschiedener Sachverhalt zugrunde.

Der Beklagte wendet sich mit Recht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass er bewusst fahrlässig gehandelt habe, Die aus der Einnahme der Bremsbereitschaft gezogene Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Beklagten sei sich von diesem Zeitpunkt an der Gefährlichkeit der Situation bewusst gewesen, widerspricht der Feststellung, dass der Beklagte glaubte, die Klägerin werde in der Fahrbahnmitte stehenbleiben. Diese Feststellung schließt die Annahme eines höheren Fahrlässigkeitsgrades auf Seiten des Beklagten aus. Das bei den gegebenen Umständen verfehlte Auslenken nach rechts, ohne das der Unfall – bei gleichzeitigem Bremsen – vermutlich unterblieben wäre, ist letztlich eine Folge der unbestritten (AS 123) verspäteten Reaktion des Beklagten und stellt kein für die Verschuldensabwägung gewichtiges, zusätzliches Verschuldensmoment dar. Bei der Verschuldensteilung ist zum Nachteil der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie den Unfall durch die den Verkehrsvorschriften widersprechende Behinderung des Fahrzeugverkehrs primär ausgelöst hat. Dem Beklagten ist daher beizupflichten, dass den festgestellten Umständen eine Verschuldens‑ und Schadensteilung von 1 : 1 entspricht.

Schmerzengeld:

Die Klägerin erlitt beim Unfall einen offenen Bruch des rechten Unterschenkels und eine Rissquetschwunde am linken Fußrücken. Im Krankenhaus Bregenz wurde ein Steinmannnagel durch das Fersenbein geschlagen, der Bruch eingerichtet und ein Oberschenkelgipsverband angelegt. Die Wunden wurden ausgeschnitten und genäht. In der Folge kam es an der Bruchstelle zu einer Eiterung. Die Klägerin war vom Unfallstag bis 5. 5. 1967 und später noch einmal 10 Tage in stationärer Krankenhausbehandlung. Der Oberschenkelgips wurde nach zweimaligen Wechsel am 15. 8. 1967 abgenommen. Damals war der Bruch knöchern verheilt. Die Fisteleiterung hatte aufgehört. Am rechten Unterschenkel blieb vorne innen eine strahlige, runde Narbe von ca 6 cm Durchmesser zurück. Diese liegt etwas unter dem übrigen Hautniveau und ist etwas hyperpigmentiert. In ihrem Bereich besteht eine Neigung zur Schuppenbildung. Eine wesentliche Änderung des Narbenbildes ist nicht zu erwarten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Narbe nach dem vierten Lebensjahrzehnt bei Auftreten von Krampfadern die Entstehung eines Unterschenkelgeschwürs begünstigen wird. Die Klägerin neigt nach ihrem Konstitutionstyp zur Krampfaderbildung im Unterschenkelbereich. Unfallsbedingte Arbeitsunfähigkeit bestand bis 1. 11. 1967. Aufgrund der Verletzungen hatte die Klägerin 8 bis 10 Tage starke, 20 Tage mittlere und 30 Tage leichte dauernde Schmerzen zu erleiden. Derzeit können bei Witterungsumschwüngen noch leichte Schmerzen auftreten.

Gegen die Bemessung des Schmerzengeldes mit 25.000 S macht der Beklagte geltend, dass der Oberste Gerichtshof auch in letzter Zeit für schwere Verletzungen und länger dauernde Schmerzen nur geringe Schmerzengeldbeträge zugesprochen haben. Angemessen sei ein Betrag von 20.000 S.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Höhe des Schmerzengeldes nach den besonderen Umständen des Einzelfalls richtet. Bei der Schwere der Verletzungen, die einen längeren Krankenhausaufenthalt erforderte, der Dauer des durch eine Fisteleiterung komplizierten Heilungsverlaufs und der Entstellung der Klägerin durch eine große Narbe am rechten Unterschenkel bestehen gegen die Bemessung des Schmerzengeldes mit rechnungsmäßig 25.000 S keine rechtlichen Bedenken.

Verdienstentgang und Quotenvorrecht:

Die Klägerin behauptete in der Klage einen betragsmäßig nicht mehr bestrittenen Verdienstentgang von 12.600 S und rechnete darauf das vom Sozialversicherungsträger bezogene Krankengeld von 6.348,05 S an. Das Erstgericht kürzte den mit 6.251,95 S errechneten Verdienstentgang um die von der Klägerin zugestandene Haushaltsersparnis von 1.140 S und sprach der Klägerin die Hälfte des Differenzbetrags zu. Das Berufungsgericht lehnte die vom Beklagten in der Berufung geforderte Anwendung des Quotenvorrechts unter Hinweis auf die oberstgerichtliche Entscheidung ZVR 1965 Nr 6 mit der Begründung ab, dass der Beklagte einen solchen Einwand im Verfahren I. Instanz nicht erhoben habe und die Klägerin daher weder die Möglichkeit noch – im Hinblick auf ihren Prozessstandpunkt in der Verschuldensfrage – Anlass gehabt habe, zu der Frage, ob überhaupt ein Quotenvorrecht bestehe, Stellung zu nehmen.

Diese Ansicht des Berufungsgerichts wird vom Beklagten mit Recht bekämpft. Das sogenannte Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers beruht auf der Bestimmung des § 332 ASVG, derzufolge die dem Verletzten gegen den Schädiger zustehenden Ersatzansprüche insoweit auf den Sozialversicherungsträger übergehen, als dieser dem Verletzten aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen Leistungen zu erbringen hat. Im Umfange dieses gesetzlichen Forderungsübergangs verliert der Verletzte die Legitimation zur Geltendmachung seiner Ersatzansprüche. Dem Berufungsgericht ist zwar zuzugeben, dass die Frage der Aktiv‑ oder Passivlegitimation in der Regel nur auf Einwendung zu prüfen ist, doch müssen nur die Tatsachen vorgebracht werden, aus denen sich in rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt (SZ 30/38). Wer den hiefür maßgeblichen Sachverhalt vorgetragen hat, ist unerheblich. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin behauptet, Leistungen aus der Sozialversicherung erhalten zu haben. Sie hat diese auch auf ihren Verdienstentgangsanspruch angerechnet. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts bedurfte es daher nicht der ausdrücklichen Erklärung des Beklagten, dass er den Mangel der Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich des auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Schadenersatzanspruchs einwende. Der vom Berufungsgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht herangezogenen Entscheidung ZVR 1965 Nr 6 lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Das Quotenvorrecht und der Forderungsübergang waren aus besonderen, vom Kläger im Revisionsverfahren vorgebrachten Gründen strittig. Außerdem hatte der Geschädigte bereits in der Klage ein Eigenverschulden anerkannt und seinen Verdienstentgang in der Weise berechnet, dass er davon die Leistungen des ausländischen Sozialversicherungsträgers in Abzug brachte und erst die Differenz um den Mitverschuldensanteil kürzte. Im vorliegenden Fall wird das Quotenvorrecht und die Berechnung des Verdienstentgangs nicht bestritten. Die Klägerin macht lediglich geltend, dass sich der Beklagte im Rechtsmittelverfahren nicht mehr auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers berufen könne.

Der gesamte Verdienstentgang der Klägerin steht mit 12.600 S fest. Der nach Abzug der Haushaltsersparnis 1.140 S verbleibende Betrag von 11.460 S ist aufgrund des gleichteiligen Eigenverschuldens um die Hälfte auf 5.730 S zu kürzen. Dieser Ersatzanspruch ist, da die Klägerin insgesamt 6.348,05 S an Krankengeld bezogen hat, zur Gänze auf den Sozialversicherungsträger übergegangen (§ 332 Abs 1 ASVG), sodass der Klägerin aus dem Titel des Verdienstentgangs ein Ersatzanspruch nicht zusteht.

Die sonstigen Schäden der Klägerin stehen mit 25.470,50 S (Schmerzengeld 25.000 S, verschiedene Auslagen 470,50 S) fest. Nach Abzug des Mitverschuldensanteils verbleibt ein Ersatzanspruch von 12.735,25 S, auf den der Beklagte 6.451,35 S bezahlt hat. Die Klagsforderung besteht daher mit 6.283,90 S sA zu Recht. Der Schaden des Beklagten wurde mit 1.500 S festgestellt. Dem Beklagten steht daher eine Gegenforderung von 750 S zu, sodass der Klägerin 5.533,90 S sA zuzusprechen und das darüber hinausgehende Begehren abzuweisen war.

Die Änderung des angefochtenen Urteils in der Hauptsache erfordert eine neue Entscheidung über die Kostenersatzpflicht. Die Klägerin ist mit rund drei Viertel der geltend gemachten Ansprüche unterlegen (von den begehrten 24.131,10 S wurden nur 5.533,90 S zugesprochen) und hat daher gemäß § 43 Abs 1 ZPO dem Beklagten die Hälfte seiner Kosten von 5.634,88 S, das sind 2.817,44 S zu ersetzen.

Für die Berufungsschrift gebührt keiner der Parteien ein Kostenersatz, da die Klägerin keinen und der Beklagten nur einen geringfügigen Erfolg (55,98 S) hatte. Gegenstand der Berufungsverhandlung waren Ansprüche in der Höhe von 21.107.30 S (Berufung der Klägerin 18.541,22 S, Berufung des Beklagten 2.566,08 S). Der Beklagte obsiegte mit ca sieben Achtel (18.597,20 S) sodass ihm die Klägerin gemäß §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO drei Viertel der Kosten der Berufungsverhandlung zu ersetzen hat.

Im Revisionsverfahren drang der Beklagte mit ca vier Fünftel seines Begehrens (Revisionsgegenstand 13.086,68 S) durch und erreichte die Abweisung der gegnerischen Revision. Die Klägerin hat daher dem Beklagten drei Fünftel der Kosten seiner Revisionsschrift und die Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

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