OGH 2Ob118/13m

OGH2Ob118/13m19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz A*****, vertreten durch Dr. Manfred Engl, Rechtsanwalt in Neumarkt, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde S*****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 5.210 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 20. März 2013, GZ 22 R 59/13z‑32, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 2. Jänner 2013, GZ 2 C 58/12v‑28, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.748,31 EUR (darin 183,38 EUR USt und 648 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8. November 2011, gegen 20:00 Uhr, kam der Kläger auf dem vor einem Schulkomplex befindlichen Parkplatz, dessen Wegehalterin die beklagte Gemeinde ist, im Bereich einer Sperrfläche, auf der die beklagte Partei einen Fahrradständer aufgestellt hatte, zu Sturz und verletzte sich. Der Vorplatz des Schulkomplexes ist ein öffentlicher Parkplatz, auf dem grundsätzlich jedermann sein Fahrzeug abstellen kann. Abends nutzen ihn Vereine bzw Volkshochschulbesucher.

Im Unfallsbereich schließt unmittelbar an das Gebäude ein vier Meter breiter Fahrstreifen an; danach sind die mit Pollern abgegrenzten Parkplätze so angelegt, dass sie vom Schulgebäude aus gesehen auf der linken Seite durch eine Sperrfläche begrenzt werden. Auf dieser Sperrfläche befand sich im Unfallszeitpunkt ein Fahrradständer. Er war so in den Boden eingelassen, dass zwischen seinem dem Boden zugewandten Grundrahmen und dem Boden selbst ein Abstand von bis zu zehn Zentimetern blieb. Dieser entsteht deshalb, weil der Fahrradständer horizontal montiert werden muss, damit die in ihm eingeklemmten Fahrräder vertikal stehen können. Im Hinblick auf die jeweilige Unebenheit des Bodens beträgt der Abstand zum Grundrahmen mindestens fünf Zentimeter, bei geneigter Fahrbahnoberfläche können aber Höhendifferenzen von zehn Zentimetern und mehr entstehen, ohne dass die Montage dadurch unsachgemäß oder unfachgerecht würde.

Im Unfallszeitpunkt war es dunkel, der Parkplatz war durch drei Straßenlaternen im Abstand von jeweils 25 Meter ausreichend ausgeleuchtet, alle Beleuchtungskörper funktionierten. Die weißen Markierungen der Sperrfläche waren ebenso wie die Poller erkennbar, wobei das Fahrzeug des Klägers einen Schatten in Richtung der Sperrfläche warf. Der Kläger ging nach Ende seines Spanischkurses im Schulgebäude zu seinem Fahrzeug, um seine Tasche ins Auto zu stellen. Danach kehrte er in Richtung Gebäude zu den anderen Kursteilnehmern zurück. Dabei überquerte er die Sperrfläche, bemerkte den Fahrradständer aber nicht. Es konnte nicht festgestellt werden, ob er den Boden vor sich beobachtete. Er blieb mit einem Fuß unter der Querverstrebung des Fahrradständers hängen und stürzte über diesen nach vorne auf den Boden.

Der Kläger begehrt Schmerzengeld, Ersatz für Sachschäden und pauschale Unkosten insgesamt in Höhe des Klagsbetrags und brachte vor, die Beklagte hafte wegen unsachgemäßer Aufstellung mangels ausreichender Beleuchtung und mangelhafter Kennzeichnung des Fahrradständers.

Die Beklagte bestritt dies.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und verneinte sämtliche Haftungsgründe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das erstgerichtliche Urteil deshalb auf, weil die StVO unter dem Titel „Kennzeichnung von Verkehrshindernissen“ in § 89 Abs 1 StVO ausdrücklich vorsehe, dass Gegenstände, die auf einer Straße stehen oder liegen, vom Verfügungsberechtigten durch das Gefahrenzeichen „andere Gefahren“ kenntlich zu machen seien. Unter einer Straße sei gemäß § 2 Abs 1 Z 1 StVO jede für den Fußgänger‑ oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche, somit auch eine auf einem Parkplatz befindliche Sperrfläche, die von Fußgängern benutzt werden dürfe, zu verstehen. Selbst wenn der Fahrradständer daher aufgrund der Straßenbeleuchtung erkennbar gewesen sei, hätte die in § 89 Abs 1 StVO vorgeschriebene Kennzeichnung nur dann unterbleiben dürfen, wenn er am Straßenrand aufgestellt und dadurch niemand gefährdet oder behindert worden wäre. Diese Bestimmung müsse das Erstgericht mit den Parteien noch erörtern.

Da zur Frage, ob ein auf einer markierten Sperrfläche im Boden verankerter Fahrradständer ein Hindernis iSd § 89 StVO darstelle, keine Judikatur bestehe, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig , er ist auch berechtigt .

I. Die Beklagte bringt im Rekurs vor, dass § 89 Abs 1 StVO mehrmals den Begriff des „Vorbeifahrens“ beinhalte, Sperrflächen aber nicht befahren werden dürften. Der Schutzzweck der Bestimmung liege nicht nur darin, auf das Vorhandensein eines Gegenstands auf der Straße aufmerksam zu machen, sondern anderen Verkehrsteilnehmern die Orientierung zu erleichtern, die Fahrbahn für den Lenker ausreichend zu beleuchten und ihn abschätzen zu lassen, ob er links oder rechts am Gegenstand vorbeifahren müsse. Daraus lasse sich zweifelsfrei entnehmen, dass § 89 Abs 1 StVO auf die Fahrbahn iSd § 2 Abs 1 Z 2 StVO und nicht auf die Straße iSd § 2 Abs 1 Z 1 StVO zu beziehen sei. Die konsequente Fortsetzung des Gedankengangs des Berufungsgerichts hätte ansonsten zur Folge, dass jeder Radständer, Blumentrog und jede sonstige Einrichtung gekennzeichnet werden müsste. Es sei keineswegs vom Schutzzweck des § 89 Abs 1 StVO umfasst, dass ein sach‑ und fachgerecht montierter, ausreichend beleuchteter Fahrradständer zusätzlich durch ein Gefahrenzeichen oder weitere Lampen kenntlich gemacht werden müsse. Aus den Feststellungen des Erstgerichts ergebe sich, dass die Sperrfläche ohnehin ausreichend beleuchtet und der Fahrradständer erkennbar gewesen sei. Die Verhinderung eines unter solchen Umständen dennoch eintretenden Schadens sei vom Normzweck des § 89 Abs 1 StVO nicht umfasst. Auch handle es sich bei den Gegenständen, die unter § 89 StVO fielen, regelmäßig um solche, die, wie Sand, Baumaterial, fahrunfähige Fahrzeuge und dergleichen, vorübergehend vorhanden und nicht fix montiert und mit der Fahrbahn verbunden seien.

II. Der Kläger sieht in seiner Rekursbeantwortung den Zweck des § 89 Abs 1 StVO auch darin, durch die Beleuchtung andere Verkehrsteilnehmer auf das Vorhandensein des Gegenstands auf der Straße aufmerksam zu machen. Bei den „anderen Verkehrsteilnehmern“ könne es sich nicht nur um Fahrzeuglenker, sondern auch um Fußgänger handeln. Hier sei der Fahrradständer nicht fix montiert, sondern lediglich in Löcher im Asphalt gesteckt gewesen. Im Übrigen seien auch straßenbauliche Einrichtungen, die zur Ordnung und Sicherung des Verkehrs bei Straßenbauarbeiten errichtet würden, also fachgerecht montiert seien, zu den Verkehrshindernissen iSd § 89 Abs 1 StVO zu zählen, wie sich aus 8 Ob 235/79 ergäbe.

III.1. Gemäß § 89 Abs 1 StVO sind Gegenstände, die auf der Straße stehen oder liegen, von den Verfügungsberechtigten durch das Gefahrenzeichen „Andere Gefahren“ und bei Dämmerung, Dunkelheit, Nebel, oder wenn es die Witterung sonst erfordert, durch Lampen kenntlich zu machen. Kann nur an einer Seite vorbeigefahren werden, so ist der Gegenstand für diejenigen, die links vorbeifahren durch ein rotes Licht und für diejenigen, die rechts vorbeifahren, durch weißes Licht zu kennzeichnen. Kann an beiden Seiten vorbeigefahren werden, so ist der Gegenstand durch gelbes Licht zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung darf unterbleiben, wenn die Gegenstände am Straßenrand so gelagert sind, dass niemand gefährdet oder behindert wird und sie bei schlechten Sichtverhältnissen durch rückstrahlendes Material oder eine sonstige Beleuchtung erkennbar sind. Dauernde Absperrungen, wie etwa Mautschranken und dergleichen, müssen ständig gut erkennbar sein.

III.2. § 89 Abs 1 StVO stellt nach der Rechtsprechung eine Schutznorm dar (RIS‑Justiz RS0027760).

Diese für die Verkehrssicherheit wichtige Bestimmung hat den Zweck, durch die Beleuchtung nicht nur auf das Vorhandensein eines Gegenstandes auf der Straße aufmerksam zu machen, sondern einem herankommenden Verkehrsteilnehmer die Orientierung zu erleichtern. Es soll ihm die Einstellung darauf, ob er an dem Gegenstand links oder rechts vorbeifahren muss, bereits durch die Art des Lichts erleichtert werden (ZVR 1970/44 = Pürstl, StVO 12 § 89 E 6; RIS‑Justiz RS0075370).

III.3. § 89 StVO trug die Überschrift „Kennzeichnung und Entfernung von Verkehrshindernissen“. Da die Entfernung von Verkehrshindernissen einer genaueren Regelung bedurfte, erschien es dem Gesetzgeber zweckmäßig, diesbezüglich eigene Vorschriften aufzunehmen und § 89 StVO zu teilen (vgl § 89a StVO über die Entfernung von Hindernissen).

Der Bestimmung lässt sich daher auch im Zusammenhalt mit ihrer früheren Überschrift entnehmen, dass sie sich in erster Linie auf vorübergehende Hindernisse, die auch wieder entfernt werden können bzw sollen, bezieht und nicht darauf, dass jeder permanent auf der Straße aufgestellte Gegenstand eines eigenen Gefahrenzeichens und einer eigenen Beleuchtung bedürfte. Dies erschließt sich auch aus dem letzten Satz des § 89 Abs 1 StVO, wonach dauernde Absperrungen lediglich ständig gut erkennbar sein müssen.

III.4. Die Rechtsprechung zeigt folgende Kasuistik:

Nach der ‑ auch in der Rekursbeantwortung zitierten ‑ Entscheidung 8 Ob 235/79 stellen Verkehrseinrichtungen während der Bauarbeiten zu ihrer Errichtung ein Verkehrshindernis iSd § 89 Abs 1 StVO dar, wenn sie die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigen (vgl RIS‑Justiz RS0023862). Reine Schotterablagerungen dagegen bilden kein Hindernis iSd § 89 StVO (RIS‑Justiz RS0073591). Ebenso ist ein auf einer Fahrbahnhälfte aufgestellter Mast der Telefonleitung kein Hindernis iSd § 89 StVO (RIS‑Justiz RS0074446) und gehört auch eine auf einem Weg angebrachte Stacheldrahtabsperrung nicht zu den im ersten Satz des § 89 StVO genannten „Gegenständen, die auf der Straße stehen oder liegen“. Für sie ist nicht die Aufstellung des Gefahrenzeichens „Andere Gefahr“ erforderlich, die Absperrung muss aber ständig gut erkennbar sein (RIS‑Justiz RS0075500). Hingegen wurde das Verschulden eines Bundeslandes angenommen, wenn neben einer Bezirksstraße ein Geländer (Bachbett) in die Fahrbahn ragte und keine Rückstrahllinsen angebracht waren (RIS‑Justiz RS0075536).

Für Einrichtungen iSd § 57 Abs 1 StVO gilt nach 2 Ob 298/00p nicht § 89 Abs 1 sondern § 57 Abs 2 StVO.

III.5. Nach Pürstl, StVO 12 Anmerkung 3 zu § 89 StVO kann aus dem Inhalt der Bestimmung („vorbeifahren“) geschlossen werden, dass sich die Form der Kenntlichmachung durch Lampen nur auf solche Verkehrshindernisse bezieht, die sich auf der Fahrbahn befinden. Für Verkehrshindernisse auf Gehsteigen würden Blinkleuchten ausreichen. Baugerüste seien allerdings nach § 89 Abs 1 StVO zu kennzeichnen, während für das Aufstellen oder die Lagerung von Sachen, die für den Bau, die Erhaltung, Pflege und Reinigung der Straße erforderlich sind, zwar gemäß § 82 Abs 3 lit d StVO keine Bewilligung, aber eine entsprechende Kennzeichnung erforderlich sei.

III.6. Zusammenfassend kann aus der Bestimmung des § 89 Abs 1 StVO - mag sie auch in erster Linie Hindernisse im Blick haben, die sich auf der Fahrbahn iSd § 2 Abs 1 Z 2 StVO, also jenem Teil der Straße, der für den Fahrzeugverkehr bestimmt ist, befinden ‑ nicht geschlossen werden, dass auf Parkplätzen vorhandene Sperrflächen von ihrer Geltung generell ausgenommen wären.

Bedenkt man allerdings den Zweck der Bestimmung, auf das Vorhandensein des Hindernisses aufmerksam zu machen und herankommenden Verkehrsteilnehmern die Orientierung zu erleichtern, ist im vorliegenden Fall auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Sperrfläche, auf der der Radständer montiert war, gemäß § 9 Abs 1 StVO nicht befahren werden durfte. Beim Ausmaß der erforderlichen Erkennbarkeit und Orientierungsmöglichkeit ist aber auf die die jeweilige Straßenfläche berechtigt benutzenden Verkehrsteilnehmer und deren Wahrnehmungsmöglichkeiten abzustellen.

Auf nicht dem Fahrzeugverkehr dienenden Straßenflächen, insbesondere Gehsteigen, letztlich aber auch begehbaren Sperrflächen, haben Fußgänger regelmäßig mit Einrichtungen wie Masten, Trögen, Abfallbehältnissen, Pollern und Ständern, darunter auch Fahrradständern, zu rechnen. Bei all diesen im Hinblick auf § 89 Abs 1 StVO eine spezifische Beleuchtung und ein besonderes ‑ letztlich eine zusätzliche Gefahrenquelle schaffendes (und daher seinerseits wieder zu kennzeichnendes?) ‑ Verkehrszeichen zu verlangen, würde die Pflichten gemäß § 89 Abs 1 StVO auch nach Ansicht des erkennenden Senats überspannen.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der Parkplatz, auf dem sich der Unfall ereignete, ohnehin ausreichend ausgeleuchtet war.

Der vom Berufungsgericht für notwendig erachteten Erörterung bedarf es somit nicht, weshalb das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen war.

III.7. Die Kostenentscheidung ist in § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte