European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020NC00004.15H.0218.000
Spruch:
Zur Führung des Verlassenschaftsverfahrens ist das Bezirksgericht Salzburg zuständig.
Der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 14. Jänner 2015, GZ 42 Nc 2/15i‑15, mit dem es seine Unzuständigkeit aussprach und die Übernahme des Verfahrens ablehnte, wird aufgehoben.
Text
Begründung
A***** T*****, ungarische Staatsbürgerin, verstarb am 7. Oktober 2014 in Salzburg, *****. Ihre „letzte Wohnanschrift“ lautet nach der Mitteilung des Sterbefalls an das Bezirksgericht Liezen als Verlassenschaftsgericht *****, Liezen.
Nach Ermittlungen des Gerichtskommissärs hatte sich die Verstorbene von dieser Adresse am 30. 9. 2014 abgemeldet (Behördenanfrage Zentrales Melderegister ON 10). Seit 30. 9. 2014 war sie in Österreich weder mit einem Haupt‑ noch einem Nebenwohnsitz gemeldet. Bei der Stadtgemeinde Liezen scheint auch entgegen der Sterbefallsmitteilung kein Ehegatte der Verstorbenen auf. Der in der Mitteilung des Sterbefalls als Ehegatte angegebene „C***** T*****“ konnte laut Bericht des Gerichtskommissärs im „ZTR“ nicht aufgefunden werden.
Mit diesem Erhebungsergebnis legte der Gerichtskommissär den Akt dem Bezirksgericht Liezen zur Prüfung seiner Zuständigkeit vor.
Daraufhin übermittelte das Bezirksgericht Liezen den Verlassenschaftsakt dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit dem Bemerken, dass die Verstorbene am Todestag keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich gehabt habe.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien retournierte den Akt im Hinblick darauf, dass aufgrund der Bestimmungen der §§ 105, 66 f JN jenes Gericht zuständig sei, in dessen Sprengel der letzte Aufenthalt der Verstorbenen im Inland gelegen sei.
Daraufhin übertrug das Bezirksgericht Liezen den Akt dem Bezirksgericht Salzburg.
Dieses stellte den Akt aber mit dem Bemerken zurück, dass die Zuständigkeit den gewöhnlichen Aufenthalt der Verstorbenen voraussetze. Die Tatsache, dass die Verstorbene am 7. Oktober 2014 in Salzburg verstorben sei, beweise nicht, dass dieser Ort ihr gewöhnlicher Aufenthalt gewesen sei, zumal sie höchstens eine Woche in Salzburg aufhältig gewesen sei und die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts als Richtschnur von etwa sechs Monaten Aufenthalt ausgehe.
Das Bezirksgericht Liezen führte daraufhin eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, in dem für die Verstorbene drei „Nebenwohnsitze“ in Liezen, Graz und Klagenfurt am Wörthersee aufscheinen, bei denen es sich jeweils um „Laufhäuser“ handelt.
Nach diesen mehrfachen Aktenversendungen sprach das Bezirksgericht Liezen mit Beschluss vom 18. 12. 2014 seine Unzuständigkeit aus und überwies die Sache an das Bezirksgericht Salzburg, welches sich hierauf seinerseits für nicht zuständig erklärte und die Übernahme des Verfahrens unter Hinweis auf die bereits oben wiedergegebene Rechtsansicht ablehnte (ON 15 und 16).
Daraufhin legte das Bezirksgericht Liezen den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit vor.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Entscheidung nach § 47 JN hat beim Obersten Gerichtshof (anders als in Delegierungs‑ und Ordinationssachen nach § 7 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 7 OGHG) im Fünfersenat zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0126085).
2. Gemäß § 105 JN gehören Verlassenschaftsverfahren vor das Gericht, in dessen Sprengel der Verstorbene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hatte. Lässt sich ein solcher im Inland nicht ermitteln oder ist er bei mehreren Gerichten begründet, gehören sie vor das Gericht, in dessen Sprengel sich der größte Teil des im Inland gelegenen Vermögens des Verstorbenen befindet, sonst vor das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.
Gemäß § 106 Abs 1 JN ist die inländische Gerichtsbarkeit für die Abhandlung einer Verlassenschaft und für das sie ersetzende Verfahren (§§ 153 ff AußStrG) sowohl für das im Inland befindliche unbewegliche Vermögen als auch für das bewegliche Vermögen im Inland unter anderem dann gegeben, wenn der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Überdies ist zu beachten, dass gemäß § 107 JN inländische Gerichtsbarkeit für die Todesfallaufnahme stets gegeben ist (vgl dazu Potyka, Die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit in Verlassenschaftssachen nach dem Außerstreit-Begleitgesetz unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zu Deutschland, RZ 2005, 6 ff FN 6).
Das vorliegende Verfahren befindet sich im Stadium vor der Todesfallaufnahme. Auch im Hinblick auf die ungarische Staatsbürgerschaft der Verstorbenen ist daher derzeit die inländische (internationale: vgl Mayr in Rechberger, ZPO4 §§ 106‑107 JN Rz 1) Gerichtsbarkeit jedenfalls gegeben.
3. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN setzt grundsätzlich voraus, dass die konkurrierenden Gerichte rechtskräftig über ihre Unzuständigkeit zur Entscheidung über die gleiche Rechtssache abgesprochen und diese verneint haben (RIS-Justiz RS0046374, 4 Nc 2/13a mwN). Im Hinblick auf den eingangs wiedergegebenen Verfahrensstand kommt (bzw kam) hier eine Zustellung der Unzuständigkeitsbeschlüsse der beteiligten Bezirksgerichte im Sinne dieser Judikatur allerdings nicht in Betracht, weil überhaupt noch keine der Parteien, denen eine Rekurslegitimation zukäme, vorhanden sind; zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist daher eine sofortige Entscheidung im vorliegenden Kompetenzkonflikt geboten und unumgänglich (vgl 6 Nc 26/09i).
4. Die zeitlich jüngere Entscheidung des Bezirksgerichts Salzburg missachtet diese ständige Rechtsprechung, wonach der Überweisungsbeschluss unabhängig von seiner Zustellung an die Parteien für das Adressatgericht solange maßgebend bleibt, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wurde, sodass das Adressatgericht seine Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen kann, das überweisende Gericht sei zuständig (RIS‑Justiz RS0046391, RS0002439, RS0046315, RS0046363, RS0081664, 4 Nc 2/13a, 6 Nc 19/08h zum Verlassenschaftsverfahren). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es dabei grundsätzlich auch nicht auf die Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses an (6 Nc 19/08h mwN, RIS‑Justiz RS0046391).
Es war daher die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg auszusprechen.
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