OGH 25Os5/15w

OGH25Os5/15w1.12.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 1. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Dr. Bartl sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. Gottfried T*****, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 6. Oktober 2014, GZ D 3/14‑44, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0250OS00005.15W.1201.000

 

Spruch:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Mag. Gottfried T***** des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er den Auftrag seines Klienten Valentin S***** zur Erhebung einer Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts ***** vom 14. Juni 2013, AZ 4 C 137/13y, nicht nachgekommen ist („und dadurch Letzterem, da das Urteil rechtskräftig und vollstreckbar wurde, einen nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügte“).

Über den Beschuldigten wurde hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 1 DSt die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich seine Berufung wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen siehe RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe; sie schlägt fehl.

Die „Berufung wegen Nichtigkeit“ beschränkt sich weitgehend darauf, die Konstatierungen des Disziplinarrats als „unrichtig“ zu bezeichnen und ihnen auf eigener Beweiswürdigung beruhende Erwägungen entgegenzuhalten, ohne solcherart ‑ § 285 Abs 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt entsprechend ‑ einen Nichtigkeitsgrund iSd § 281 Abs 1 StPO einzeln und bestimmt zu bezeichnen (vgl RIS‑Justiz RS0124546).

Die Widersprüche in den Aussagen des Zeugen S***** blieben nicht unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall; vgl ES 4).

Soweit die Beschwerde der Sache nach das Fehlen von Feststellungen (Z 9 lit a) dahingehend rügt, dass der Beschuldigte seinem Mandanten nach Urteilszustellung am 19. Juni 2013 mitgeteilt habe, ohne dessen gesonderten Auftrag ein Rechtsmittel nicht ausarbeiten zu wollen, worauf ein solcher Auftrag nicht erfolgt sei, bezieht sie sich auf keine entscheidenden Tatsachen.

Denn der Disziplinarrat ging ‑ auch aufgrund des vom Zeugen S***** gewonnenen persönlichen Eindrucks ‑ erkennbar davon aus, dass der Mandant bereits durch seine Mitteilung vom 4. Juni 2013 (vgl ON 5b Beilage ./M) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, „jedenfalls die Erhebung einer Berufung“ zu wollen, zumal „auszuschließen“ sei, dass der Zeuge „den Unterschied zwischen Berufung und Berufungsanmeldung inhaltlich verstand“, und dass er auch in der Folge nicht darauf verzichtete (ES 3 f). Damit war aber eine ‑ vom Rechtsmittelwerber als fehlend reklamierte ‑ „gesonderte Auftragserteilung zur Einbringung einer Berufung“ nicht mehr erforderlich.

Warum die Mitteilung des Beschuldigten, er werde „gegen das vorliegende Urteil ein Rechtsmittel nicht ausarbeiten“, wenn er von S***** „keinen gesonderten Auftrag“ erhalte (Schreiben vom 19. Juni 2013; ON 5b Beilage ./N), in „rechtlicher Hinsicht“ und „bei Würdigung der Gesamtumstände“ eine „stillschweigende“ Kündigung der Vertretung (vgl § 11 Abs 2 RAO) sein sollte, obwohl er im Zuge der nachfolgenden Besprechung mit seinem Mandanten am 8. Juli 2013 die Erhebung der Berufung ‑ mit Blick auf § 11 Abs 1 RAO unzulässiger Weise (RIS‑Justiz RS0087644; VwGH 30. 1. 2011, 98/18/0225; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8, § 11 RAO Rz 5) ‑ von der Bezahlung eines Kostenvorschusses abhängig machte (ON 5b Beilage ./O), legt die Berufung nicht dar.

Soweit der Rechtsmittelwerber behauptet, die Berufungsausführung aufgrund von ihm erkannter Aussichtslosigkeit unterlassen zu haben (vgl RIS-Justiz RS0055931), orientiert er sich nicht an den erstinstanzlichen Feststellungen zur Nichteinbringung infolge Fehlens eines Kostenvorschusses (ES 3). Auf deren Basis wurde die schuldhafte Unterlassung der Erhebung der Berufung bei aufrechtem Mandatsverhältnis gegen den Auftrag des Mandanten aber zutreffend dem Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt (die Nichtannahme der dadurch unter einem verwirklichten Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt blieb unbekämpft) unterstellt (ES 4; vgl RIS‑Justiz RS0123208, RS0071925, RS0055801; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8, § 11 RAO Rz 3).

Mit der Behauptung, dass „im gegenständlichen Fall“ ‑ soweit überhaupt ‑ „geringes Verschulden“ vorliege, weshalb „das Disziplinarverfahren ohne Strafausspruch einzustellen“ gewesen wäre, macht der Beschuldigte (im Rahmen der Strafberufung) der Sache nach Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO infolge Unterlassung der Anwendung des § 3 DSt geltend.

Den Feststellungen im Disziplinarerkenntnis zufolge wäre zwar die Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts ***** „nicht erfolgversprechend“ gewesen und ist dem Mandanten aus deren Nichterhebung ‑ in der das disziplinäre Verhalten des Beschuldigten zu erblicken ist ‑ auch kein „finanzieller unwiederbringlicher Schaden“ erwachsen (ES 4 f). Es kann daher ‑ ungeachtet der insoweit widersprüchlichen Formulierung im Spruch („und dadurch […] einen nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügte“) ‑ von keinen oder nur unbedeutenden Folgen iSd § 3 DSt ausgegangen werden. Da der Beschuldigte aber die Erhebung des Rechtsmittels vom Erlag eines Kostenvorschusses abhängig gemacht hat (ES 3), ist sein Verschulden nicht bloß als geringfügig im Sinn von erheblich hinter den typischen Fällen solcher Verstöße zurückbleibend anzusehen (vgl RIS‑Justiz RS0089974, RS0056585).

Indem sich die Schuldberufung darin erschöpft, im Rahmen ihrer Kritik an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats auf die Ausführungen zur behaupteten Nichtigkeit zu verweisen und Fehlen eines Verschuldens zu behaupten, weil ein „gesonderter Auftrag“, die Berufung einzubringen, nicht erfolgt sei, vermag sie keine Bedenken gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen zu erwecken.

Auch die ‑ gemäß § 49 letzter Satz DSt implizite ‑ Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe schlägt fehl, wurde doch über den Beschuldigten die gesetzliche Mindeststrafe verhängt und kommt ein Absehen von dieser (§ 39 DSt) nach den Umständen des Falls aus den zu § 3 DSt dargelegten Erwägungen nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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