OGH 1Ob93/18k

OGH1Ob93/18k17.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden, sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M* T*, geboren am ** 2008, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter S* T*, vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in Lilienfeld, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 4. April 2018, GZ 23 R 115/18m‑77, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 6. Februar 2018, GZ 1 Ps 88/12s‑68, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122271

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 71 Abs 2 AußStrG mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem KindNamRÄG 2013 soll nunmehr die Obsorge beider Elternteile (eher) die Regel sein (RIS-Justiz RS0128811). Eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern setzt dabei ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und einen Entschluss zu fassen. Es ist also eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob bereits jetzt eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder ob zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden kann (RIS-Justiz RS0128812). Zur Herstellung der erforderlichen Gesprächsbasis ist bei ausreichender Aussicht auf Erfolg auch auf die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Mittel des § 107 Abs 3 AußStrG zurückzugreifen (8 Ob 152/17m).

Ob eine ausreichende Kommunikationsbasis vorhanden ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0128812 [T15]). Das gleiche gilt für die Frage, ob mit der Herstellung einer solchen in absehbarer Zeit zu rechnen ist (8 Ob 7/15k; vgl RIS-Justiz RS0128812 [T5]).

Das Rekursgericht ließ die Frage offen, ob die im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Besuchskontakten vorhandene Gesprächsbasis zwischen den Eltern für eine sinnvolle Ausübung der gemeinsamen Obsorge bereits ausreiche, ging aber davon aus, dass durch die Teilnahme an einer Mediation – die Teilnahme an einem Erstgespräch wurde den Eltern gemäß § 107 Abs 3 AußStrG aufgetragen – die erforderliche Gesprächsbasis in absehbarer Zeit hergestellt werden könne. Diese Prognose stützte es im Wesentlichen darauf, dass sowohl der Mutter als auch dem Vater die Bedeutung eines guten Kontakts des Kindes zu beiden Elternteilen für dessen Entwicklung bewusst sei.

Angesichts des (festgestellten) Willens beider Eltern, dem Kindeswohl abträgliche Verhaltensweisen zu unterlassen und ihre Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit mit professioneller Unterstützung, etwa durch eine Mediation, wieder herzustellen, hält sich die Beurteilung des Rekursgerichts im Rahmen des der Rechtsprechung zukommenden Beurteilungsspielraums bei Anwendung der dargestellten Grundsätze, nach denen auch die zu erwartende zukünftige Entwicklung in die Beurteilung einzubeziehen ist (vgl RIS-Justiz RS0128812; 8 Ob 7/15k, 8 Ob 152/17m).

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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