European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00085.17G.0524.000
Spruch:
Beide Rechtsmittel werden mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO bzw des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB steht dem bisher haushaltsführenden Ehegatten nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts ein Unterhaltsanspruch dann nicht mehr zu, wenn dessen Geltendmachung, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre. Eine Unterhaltsverwirkung kommt nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl dazu etwa die Nachweise bei Koch in KBB5 § 94 ABGB Rz 21) auch in anderen Fällen bei schweren schuldhaften Eheverfehlungen des Anspruchstellers in Betracht, die einen (vollen) Unterhaltszuspruch für die Zeit danach als grob unbillig erscheinen ließen, wobei insbesondere für den vollen Anspruchsverlust ein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS‑Justiz RS0009759). Es soll der Zuspruch von Unterhalt verhindert werden, wenn der Berechtigte eklatant gegen eheliche Gebote verstößt und ein solcher Verstoß nach dem objektiven Gerechtigkeitsempfinden mit dem Zuspruch von Unterhalt unvereinbar ist (RIS‑Justiz RS0117457). Dabei sind das objektive Gewicht der ehewidrigen Verhaltensweisen sowie das Maß der subjektiven Verantwortlichkeit des betreffenden Ehegatten in Betracht zu ziehen (RIS‑Justiz RS0005919). Eine vollständige Unterhaltsverwirkung setzt regelmäßig einen völligen Verlust oder eine ihm nahekommende Verflüchtigung des Ehewillens des (vormals) unterhaltsberechtigten Ehegatten voraus, der sich schuldhaft über alle Bindungen aus der ehelichen Partnerschaft hinwegzusetzen bereit ist (RIS‑Justiz RS0009759 [T6, T15]).
2. Bei der Beurteilung der Frage des Gewichts der einem Ehegatten zur Last gelegten Eheverfehlungen und ihrer Eignung, ein Erlöschen des Unterhaltsanspruchs bei (noch) aufrechtem Bestand der Ehe herbeizuführen, ist immer auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0047080 [T7]), sodass regelmäßig eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist. Dass dem Gericht zweiter Instanz bei seiner Beurteilung, die Klägerin habe ihre Unterhaltsansprüche verwirkt, eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, vermag sie in ihren außerordentlichen Rechtsmitteln nicht aufzuzeigen.
3. Dass ausschließlich rechtskräftig festgestellte Straftaten (zB Verleumdung) ausreichendes Gewicht für eine Unterhaltsverwirkung hätten, entspricht entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin keineswegs der Judikatur. Auch andere Eheverfehlungen, insbesondere wenn sie in größerer Zahl begangen werden, sind häufig Ausdruck dafür, dass der betreffende Ehegatte nicht gewillt ist, die gegenüber dem anderen Ehegatten bestehenden Pflichten einzuhalten.
Der Verweis auf eine angeblich ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs, die durch das Zitat „2 Ob 188/07d“ belegt werden soll, geht in mehrfacher Hinsicht ins Leere. Die von der Rechtsmittelwerberin zitierte Entscheidung existiert nicht. Sollte sie die zu 3 Ob 188/07d ergangene Entscheidung meinen, übersieht sie offenbar, dass diese nicht zur Frage der Unterhaltsverwirkung, sondern vielmehr in einem Ehescheidungsverfahren ergangen ist. Ob bei grundlosem Verlassen der Hausgemeinschaft eine grobe Eheverfehlung nur bei Nichtbefolgen einer Rückkehraufforderung anzunehmen ist, hängt von einer Gesamtbetrachtung ab, in deren Rahmen insbesondere auch zu prüfen ist, ob dem verlassenen Ehegatten ein weiteres Zusammenleben überhaupt noch zumutbar wäre. Das haben die Vorinstanzen im vorliegenden Fall erkennbar verneint.
4. Auch wenn es grundsätzlich zutrifft, dass bei der Prüfung einer allfälligen Unterhaltsverwirkung auch das Verhalten des anderen Ehegatten nicht vernachlässigt werden darf (RIS‑Justiz RS0047080), kann nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen keine Rede davon sein, dass der Beklagte die Eskalation am 29. 5. 2016 (schuldhaft) provoziert hätte. Insgesamt ist der Klägerin vorzuwerfen, dass sie wiederholt versucht hat, ihn durch unrichtige Anschuldigungen einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, die Ausreise mit den gemeinsamen Kindern in die Mongolei angedroht hat, durch Zurückbehaltung seines Dienst‑Laptops seine geschäftliche Tätigkeit beeinträchtigt hat, sich mehrfach aggressiv und häufig lieblos (insb auch während der Krebserkrankung des Beklagten) verhalten hat und letztlich mit den Kindern die Wohnung verlassen hat, ohne über ihren Aufenthalt Auskunft zu geben, wogegen ihm kein Verschulden an der Missstimmung zwischen den Ehegatten vorzuwerfen ist. Warum es unter diesen Umständen von Bedeutung sein sollte, ob die Klägerin darüber hinaus noch die Absicht verfolgt haben sollte, sich in den Besitz der ehelichen Wohnung zu setzen, ist nicht verständlich.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3, auch iVm § 528 ZPO).
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