European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00079.23H.0523.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Kläger nehmen den Beklagten aus einem privaten Wohnungskauf auf Gewährleistung und Schadenersatz in Anspruch. Der Vertrag enthielt folgende Klausel:
„Die Käufer haben den Vertragsgegenstand vor Vertragsunterfertigung eingehend besichtigt und kennen daher dessen Art, Lage und äußere Beschaffenheit. Die Übergabe und Übernahme des Kaufgegenstandes erfolgt im bestehenden tatsächlichen Zustand desselben, ohne Haftung des Verkäufers für einen bestimmten Bau- oder Erhaltungszustand des Objektes [...] oder eine sonstige bestimmte tatsächliche Eigenschaft oder Beschaffenheit der Liegenschaft.“
[2] Das Exposé des Maklers hatte für die Wohnung einen „sehr guten Zustand“ ausgewiesen. Nachträglich stellte sich heraus, dass ein Schrankraum bei der Errichtung zu gering gedämmt worden war und dort auch eine Wärmebrücke bestand, weswegen ein massiver Schimmelbefall hinter einem Kasten auftrat. Die Schimmelfreiheit dieses Raums kann aufgrund dieser Baumängel auch durch häufiges Lüften nicht sichergestellt werden.
[3] Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass die eingangs genannte Klausel die Haftung für geheime Mängel nicht erfasste, und sprach daher mit Zwischenurteil aus, dass der Anspruch der Kläger dem Grunde nach zu Recht bestehe.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[5] 1. Vereinbarungen über die Beschränkung oder den Ausschluss der Haftung sind nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) auszulegen (RS0016561) und im Zweifel einschränkend zu interpretieren (RS0038546; RS0018561 [insb T2]). Die jeweils nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Vertragsauslegung begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0044298; RS0044358). Eine solche würde sich nur stellen, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden wäre (RS0042936).
[6] 2. Das is hier nicht der Fall.
[7] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hatte in der Vergangenheit bereits folgende vergleichbare Klauseln zu beurteilen:
„[...] die Kaufliegenschaft ist den Käufern auf Grund eigener eingehender Besichtigung bekannt, diese werde daher so verkauft und übergeben, wie sie liege und stehe, ohne dass die beklagte Partei für einen bestimmten Zustand oder eine besondere Beschaffenheit [...] oder eine besondere Eigenschaft haftet“ (3 Ob 542/87).
„Den Käufern ist der Zustand der Liegenschaft bekannt und sie hatten auch die Gelegenheit, sich über den tatsächlichen Zustand der Liegenschaft, sowohl in sachlicher wie auch in öffentlich‑rechtlicher Hinsicht zu informieren. Die Verkäufer haften demnach für keine bestimmte Beschaffenheit des Vertragsgegenstands [...]“ (9 Ob 50/10h).
„Der Käufer hat das Objekt besichtigt und kennt daher dessen Zustand. Für eine besondere Beschaffenheit, Flächenmaß und Bauzustand des Kaufobjekts wird keine Haftung übernommen“ (2 Ob 176/10m).
„Der kaufenden Partei sind das Kaufobjekt und die Grundstücksgrenzen in der Natur durch mehrmalige Besichtigungen und eine Begehung durch einen von ihr gewählten Sachverständigen nach Lage und Beschaffenheit bekannt und sie [hat] keine weiteren sichtbaren Baumängel [...] festgestellt; die kaufende Partei verzichtet daher auf eine Gewährleistung, insbesondere für einen bestimmten Bauzustand oder allfällige Sachmängel jeglicher Art der zum Liegenschaftsvermögen gehörenden Gebäude“ (8 Ob 9/19k).
[8] Der Oberste Gerichtshof nahm in diesen Entscheidungen an, dass die jeweilige Vertragsbestimmung nur die Gewährleistung für solche Mängel ausschließe, die für den Käufer bei einer sorgfältigen Besichtigung erkennbar gewesen wären. Dies folge daraus, dass der Haftungsausschluss jeweils mit dem Hinweis auf den dem Käufer bekannten Zustand der Liegenschaft und der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Informationsbeschaffung durch deren Besichtigung in Verbindung stand (9 Ob 50/10h; 2 Ob 176/10m).
[9] 2.2. Auf dieser Grundlage bedarf die Beurteilung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall keiner Korrektur. Der Revisionswerber nimmst selbst das Vorliegen eines „geheimen“ Mangels an. Für die von ihm angesprochene „Nachfrage“ bestand wegen der Zusage eines „sehr guten Zustands“ der Wohnung ebenso wenig ein Anlass wie für die Beiziehung eines Sachverständigen zur Besichtigung (vgl RS0018513). Für den inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Hinweis auf die Besichtigung und dem Haftungsausschluss ist nicht zwingend ein „Verbindungswort“ („demnach“; „daher“) erforderlich (vgl 2 Ob 176/10m). Der Rechtsmittelwerber legt auch nicht dar, warum sich aus dem „Gesamtbild der Vertragsvereinbarung“ bzw den „Begleitumständen des Vertrags“ zwingend ein anderes Auslegungsergebnis ergäbe. Soweit er in diesem Zusammenhang auf einzelne Partei‑ und Zeugenaussagen Bezug nimmt, ist seine Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.
[10] 3. Gründe gegen die vom Berufungsgericht dem Grunde nach bejahte Preisminderung zeigt der Beklagte nicht auf. Der Mangel liegt angesichts der Feststellung, dass die Wärmebrücke und die unzureichende Dämmung nicht beseitigt wurden, weiterhin vor. Angesichts der im Verfahren erstatteten Einwendungen besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte insofern einem (primären) Verbesserungsbegehren nachgekommen wäre (vgl 1 Ob 15/09a).
[11] 4. Eine Haftung für Mangelfolgeschäden bestreitet der Revisionswerber mit der Begründung, es habe ihn mangels Erkennbarkeit des Mangels keine Aufklärungspflicht getroffen. Damit übergeht er, dass nicht feststeht, ob der Schimmel bereits vor Verkauf der Wohnung aufgetreten war und wer den Innenputz im Schrankraum an dieser Stelle erneuert hatte (ob dies also allenfalls auf Veranlassung des Beklagten erfolgt war). Somit blieb aber offen, ob der Beklagte Kenntnis von den zur Schimmelbildung führenden Baufehlern hatte. Dass das Berufungsgericht unter diesen Umständen den Nachweis des fehlenden Verschuldens (§ 1298, § 933a Abs 3 ABGB) an der mangelhaften Erfüllung (vgl RS0122652) als nicht erbracht ansah, bedarf daher keiner Korrektur.
[12] 5. Die objektive Wertminderung der Wohnung, deren Ersatz die Kläger unter dem Titel des „merkantilen Minderwerts“ erkennbar anstreben, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Mangelfolgeschaden, weil der Schaden nicht an einer anderen als der mangelhaften Sache eintrat (RS0054272). Vielmehr liegt ein Mangelschaden vor. Der Unterscheidung kommt hier aber nur insoweit Bedeutung zu, als für den Ersatz des Mangelschadens ebenfalls der Vorrang der Verbesserung gilt (§ 933a Abs 2 ABGB). Dass die Kläger nicht auf diese verwiesen werden können, wurde aber bereits ausgeführt. Im Übrigen ist auch für den Ersatz des Mangelschadens ein Verschulden des Übergebers „am Mangel“ erforderlich. Wie dargelegt wird dieses aber nach § 1298 iVm § 933a Abs 3 ABGB vermutet. Der Nachweis des fehlenden Verschuldens ist dem Beklagten nicht gelungen. Auf das Verhältnis dieses Schadenersatzanspruchs zu Ansprüchen aufgrund von Preisminderung hat bereits das Berufungsgericht hingewiesen.
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