Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Ihm wurden in einem am 23. 9. 1997 bewilligten Zwangsversteigerungsverfahren rechtskräftig 121/4110 Anteile einer Innsbrucker Liegenschaft - verbunden mit Wohnungseigentum an der "Wohnung 8" und mehreren Garagenplätzen - um das geringste Gebot von 2,537.500 S zugeschlagen.
Der Beklagte hatte im Exekutionsverfahren als gerichtlich bestellter Sachverständiger den Befund und das Gutachten zur Bewertung des Exekutionsobjekts zu erstatten. Zum gerichtlichen Schätzungstermin am 17. 11. 1997 um 9 Uhr fanden sich der Beklagte, eine Vertreterin des Verpflichteten und ein Rechtspfleger ein. Der Beklagte hatte noch keine Vorerhebungen gepflogen, sondern verfügte nur über einen Grundbuchsauszug. Nach mehrmaligem Läuten an der Eingangstür der Wohnung öffnete eine Frau im Nachthemd. Sie erklärte sich mit einer Besichtigung einverstanden. Die Wohnung war durch zugezogene Fenstervorhänge abgedunkelt. "Der Beklagte" besichtigte die Küche, das Wohnzimmer und das Bad, jedoch nicht das dunkle Schlafzimmer, in dem sich die Bewohnerin aufhielt. Er fertigte von den besichtigten Räumen Lichtbilder an.
Nach dem 17. 11. 1997 ersuchte er in seiner Funktion als gerichtlich bestellter Sachverständiger einen Beamten der Schlichtungsstelle des Magistrats der Stadt Innsbruck um Ausfolgung der "Unterlagen über die Nutzflächen" der besichtigten Wohnung. Daraufhin erhielt er eine "Kopie des Parifizierungsbescheides". Darin war die Nutzfläche der Wohnung, die aus 4 Zimmern, Küche, Bad, WC, Abstellraum und Diele bestand, mit 97,35 m2 ausgewiesen.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Innsbruck vom 19. 10. 1981 war jedoch eine "Änderungsparifizierung" durchgeführt worden. Danach erfolgte eine Teilung der Wohnung in eine solche mit 3 Zimmern, Küche, Bad, WC, Abstellraum, Diele und Vorraum bei einer Nutzfläche von 67,01 m2 und in eine solche mit Zimmer, dunkler Kochnische, Dusche samt WC bei einer Nutzfläche von 30,34 m2. Auf die ungeteilte Wohnung entfiel ein Nutzwert von 99. Nach der Teilung hatte die Wohnung 8 einen Nutzwert von 69 und die neu gebildete Wohnung 8a einen solchen von 30. Obgleich beim Magistrat der Stadt Innsbruck "Änderungsparifizierungen" üblicherweise "bei den ursprünglichen Parifizierungen liegen", war das im Anlassfall nicht so, weshalb dem Beklagten die Änderung verborgen blieb. Er bemerkte jedoch, dass dem Nutzwert der Wohnung 8 nach dem ihm übergebenen Bescheid (unter Einschluss der Garagenplätze) 151 Anteile entsprachen, wogegen im Grundbuch nur 121 Anteile aufschienen. Diese Diskrepanz führte er - ohne Durchführung weiterer Erhebungen - auf einen bloßen Schreibfehler im Grundbuch zurück. Seine Vermutung war unzutreffend. Durch einen Einblick in die Urkundensammlung des Grundbuchs hätte er die Ursache der Zifferndiskrepanz klären können, weil dort auch "die entsprechende Seite aus dem neuen Parifizierungsbescheid mit der handschriftlichen Überschrift 'Neufestsetzung'" erlag.
Im Befund und Gutachten vom 24. 11. 1997 führte er ua aus:
"Folgende Topeinheiten sind Gegenstand der Bewertung:
O-CI 95 - Anteil 121/4110 - falscher Wert im Grundbuch; richtiger Wert 151/4110.
Der Anteil 121/4110 der OZ 95 entspricht nicht der Tatsache. Im Nutzwertgutachten sind die einzelnen Nutzwerte angegeben, rechnet man die Wohnung und sämtliche Garagenplätze zusammen, so ist der richtige Anteil der OZ 95 151/4110."
Ferner beschrieb er die außerordentlich gute Lage des Bewertungsobjekts in Klinik- und Universitätsnähe, wies auf die leichte Vermietbarkeit der Wohnung sowie der Garagenplätze hin und bezeichnete die Wohnungsfläche mit 97,35 m2. Nach seiner Beschreibung bestand die Wohnung aus 4 Zimmern, dunkler Küche, Bad, WC, Abstellraum und Diele. Deren Verkehrswert ermittelte er mit rund 2,388.000 S, jenen der Abstellplätze dagegen mit 2,867.000 S. Das Exekutionsgericht setzte den Schätzwert im Beschluss vom 16. 6. 1998 mit insgesamt 5,075.000 S fest. Dieser Wert wurde in das Versteigerungsedikt übernommen und das geringste Gebot mit 2,537.500 S festgelegt. Das Edikt enthielt noch folgenden Hinweis:
"Auf das beim Bezirksgericht Innsbruck ... aufliegende Gutachten wird hingewiesen."
Der Kläger wurde auf die Kaufgelegenheit durch die Veröffentlichung des Edikts in der Tiroler Tageszeitung "relativ" kurz vor dem Versteigerungstermin aufmerksam. Er besorgte sich das Bewertungsgutachten aus dem Exekutionsakt, hielt den ermittelten Schätzwert für zu hoch und nahm sich vor, das Exekutionsobjekt allenfalls um den halben Schätzwert zu ersteigern. Weil die Wohnung vermietet war, besichtigte er sie vor dem Versteigerungstermin nicht. Zu diesem erschien er als einziger Bieter. Er unterstellte aufgrund der ihm bekannten Unterlagen des Exekutionsakts eine Wohnungsgröße von 97,35 m2. Ihm wurde sodann der - nach einer Entscheidung der Grundverkehrsbehörde rechtskräftig gewordene - Zuschlag um das geringste Gebot erteilt. Den Grundbuchsstand hatte er vor dem Versteigerungstermin nicht erhoben, weil "bei einer Versteigerung ohnehin die Grundbuchsbereinigung durchzuführen ist". Der Hinweis im Befund des Gutachtens auf die Diskrepanz zwischen dem Grundbuchsstand und dem Parifizierungsbescheid war ihm entgangen. Als er den Mietzins, den die Mitglieder einer Wohngemeinschaft zu zahlen hatten, im Zusammenhang mit einer Verlängerung des Bestandverhältnisses erhöhen wollte und dabei die Wohnung besichtigte, empfand er sie als "relativ klein für 100 m2". Nach Erhebungen unter Zuhilfenahme der grundbücherlichen Urkundensammlung erkannte er die wahre Wohnungsgröße. Er wäre am Erwerb der Wohnung auch dann interessiert gewesen, wenn im Bewertungsgutachten die richtige Fläche ausgewiesen gewesen wäre. Dann hätte er sie jedoch nur um einen geringeren Preis als das tatsächlich bezahlte Meistbot erworben.
Der Kläger begehrte den Ersatz seines mit 385.148,68 S sA bezifferten Schadens, der in seinem Vermögen durch das unrichtige, dem Exekutionsverfahren aber dennoch zugrunde gelegte Gutachten des Beklagten verursacht worden sei. Er habe 30 m2 Wohnnutzfläche bezahlt, die er nicht erhalten habe. Deshalb habe er auch eine zu hohe Grunderwerbssteuer und eine zu hohe Grundbuchseintragungsgebühr leisten müssen. Der fehlerhafte Befund des Beklagten beruhe auf grober Fahrlässigkeit, habe dieser doch die Grundlagen für das Gutachten weder bei der Parifizierungsbehörde noch beim Grundbuchsgericht ausreichend erhoben. Überdies habe er sich mit einer teilweisen Wohnungsbesichtigung begnügt. Der Gewährleistungsausschluss nach § 189 Abs 2 EO betreffe nicht auch Schadenersatzansprüche. Dem Beklagten sei als gerichtlich bestelltem Sachverständigen die Ersetzung der dem Vollstreckungsorgan gemäß § 144 Abs 1 EO (Anm: in seiner alten, hier nicht mehr anwendbaren Fassung) obliegenden Beschreibung des Schätzungsobjekts durch den Befund des Sachverständigen bekannt gewesen. Er hätte die "für eine vollständige Beschreibung wesentlichen Umstände" zwecks Information der Kauflustigen festhalten und insofern Sorgfaltspflichten wahrnehmen müssen. Durch den gerichtlichen Auftrag sei ein "Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter" zustande gekommen, hätten doch "für die Interessenmitverfolgung Dritter nach der Interessenlage konkrete Anhaltspunkte" bestanden. Er - der Kläger - habe als Ersteher jedenfalls auf die Richtigkeit des Befunds im gerichtlichen Bewertungsgutachten, auf das sich das Versteigerungsedikt ausdrücklich bezogen habe, vertrauen dürfen.
Der Beklagte wendete ein, ihm sei die geänderte Nutzwertfeststellung nicht "bekanntgegeben bzw eine solche Abänderung verneint" worden. Beim Augenschein am 17. 11. 1997 habe "morgens eine völlig überraschte Bewohnerin dieser Wohnung", die "noch das Nachthemd getragen" habe, geöffnet. Deshalb und wegen der "Dunkelheit" sei "im Einvernehmen mit den weiteren damals anwesenden Personen auf eine (Anm: vollständige) Besichtigung und Erhebung der Räumlichkeiten verzichtet" worden. Als Bewertungsgrundlage sei das ihm übergebene "amtliche Nutzwertgutachten" ausreichend gewesen. Ein Bewertungsgutachten im Zwangsversteigerungsverfahren diene nur der "Abwicklung des gerichtlichen Verfahrens, nicht aber dazu, einen Einfluss auf die Willensbildung Dritter auszuüben". Jeder Bieter habe sich selbst über den Wert des Exekutionsobjekts "nach seinen eigenen Überlegungen, Zwecken und Bedürfnissen" zu informieren. Dem Kläger als erfahrenem Rechtsanwalt hätte die Diskrepanz zwischen dem Nutzwertgutachten und dem Grundbuchsstand, auf die er im Befund ausdrücklich hingewiesen habe, auffallen müssen. Der Kläger hätte ferner eine Versagung der Zuschlagsgenehmigung durch die Grundverkehrsbehörde erwirken können. Der Ersatzanspruch sei überhöht. An kleineren Wohnungen seien erfahrungsgemäß - auch wegen des geringeren Quadratmeterpreises - mehr Kauflustige interessiert. Eine solche Wohnung wäre dem Kläger daher nicht um das geringste Gebot zugeschlagen worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seiner Ansicht ist der Ersteher kein vom "Besteller" des Gutachtens verschiedener Dritter, auf den sich der Schutzzweck der vom Sachverständigen "als Hilfsorgan einer öffentlichen Behörde" vollzogenen Regelungen erstrecke.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, der gerichtlich bestellte Sachverständige hafte dem Ersteher für die Richtigkeit seines Bewertungsgutachtens nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (ecolex 1992, 627; SZ 60/2; SZ 57/105) nicht. Das Höchstgericht habe sich auch mit Einwendungen im Schrifttum auseinandergesetzt. In der jüngsten einschlägigen Entscheidung (8 Ob 25/97b) habe es die bisherige Rechtsprechung fortgeschrieben und ausgeführt, Wilhelms Glosse zur Entscheidung ecolex 1992, 627 zeige keine neuen Gesichtspunkte auf. Das seit 1. 7. 1992 geltende Liegenschaftsbewertungsgesetz erfordere - so der Oberste Gerichtshof - gleichfalls keine Änderung der Rechtsprechung, weil neue Bewertungsrichtlinien keinen Einfluss darauf hätten, "dass der Ersteher nicht Schutzobjekt der Bestimmungen der EO über die Schätzung" sei. Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil "die Rechtsfrage auf Grundlage der zitierten herrschenden Judikatur gelöst" worden sei.
Die Revision ist, wie sich aus der nachstehenden Erwägungen ergeben wird, zulässig; sie ist - im Sinne ihres Aufhebungsbegehrens - auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof verneinte bisher in ständiger Rechtsprechung die Organstellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen nach § 1 Abs 2 AHG (ecolex 1992, 627 [Wilhelm]; SZ 60/2 [je Sachverständiger im Exekutionsverfahren]; SZ 58/42; RZ 1978/130 [je Sachverständiger im Zivilprozess]; EvBl 1965/420 [Masseverwalter - dieser wurde offenkundig als Sachverständiger angesehen]; RZ 1965, 83 [Sachverständiger im Strafprozess]; SZ 28/116 [Sachverständiger im Exekutionsverfahren]) und sprach mit ausführlicher Begründung zuletzt in der Entscheidung SZ 60/2 aus, auch seine bisherige Ansicht aufrechtzuerhalten, dass den im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren beigezogenen "Schätzungsgutachter ... gegenüber dem späteren Ersteher in Ansehung der gutächtlichen Äußerung zur Schätzwertermittlung keine besondere Sorgfaltspflicht" treffe, sei doch "die Stellung des Bieters und späteren Erstehers ... nach seiner rechtlich geschützten Lage von der der Parteien ... zu unterscheiden". Im Unterschied zu den Parteien des Exekutionsverfahrens und zu den Buchberechtigten, "deren Rechte durch die gerichtliche Bestimmung des Schätzwertes" zu schützen seien, sei "der Mitbieter und Ersteher Herr seiner Entschlüsse". Er sei ferner "nie zur Bezahlung der Gutachtenskosten verpflichtet", weshalb solche Kosten "seine Vermögenslage" nicht berühren könnten. Somit sei das Gutachten im Verhältnis zum Ersteher gar nicht entgeltlich nach § 1300 ABGB. Der Ersteher müsse daher selbst prüfen und beurteilen, "ob die Abgabe eines Anbotes seinen wirtschaftlichen Interessen" entspreche, weil er das "wirtschaftliche Risiko" zu tragen habe. Der in der Entscheidung SZ 57/105 vertretenen Ansicht, eine Sachverständigenhaftung sei dann zu bejahen, wenn "die gemäß § 144 Abs 1 EO (Anm: alte Fassung) dem Vollstreckungsorgan obliegende Beschreibung" durch den "Befund im Schätzungsgutachten" ersetzt worden sei "und der Ersteher durch eine solche unrichtige Beschreibung einen Schaden" erlitten habe, sei deshalb nicht zu folgen, weil dem Gesetz eine klare "Trennung der Tätigkeit des gerichtlichen Organes und der des Sachverständigen" zu entnehmen sei. Es sei "Sache des Gerichtsorganes ..., dem Schätzmann alle ... Daten" als Grundlage für "die Wertermittlung" durch den Sachverständigen "an die Hand zu geben". Liege "die Beschreibung des Grundstückes und damit die Überprüfung der Übereinstimmung der Katasterdaten mit dem tatsächlichen Besitzstand nicht im gesetzlichen Aufgabenbereich des Sachverständigen", so könnten "außerhalb seines Wirkungsbereiches aufgetretene Fehler seine privatrechtliche Schadenersatzpflicht nicht begründen", woraus folge, dass das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen wegen einer "auf Fahrlässigkeit beruhenden Abweichung des Schätzwertes vom wahren Wert ... mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges keinen Schadenersatzan- spruch des späteren Erstehers" begründe.
Diese Sicht der Rechtslage wurde zuletzt in der Entscheidung 8 Ob 25/97b mit der Begründung fortgeschrieben, der Oberste Gerichtshof habe die gegen die ständige Rechtsprechung im Schrifttum erhobenen Einwände verworfen. Zufolge des am 1. 7. 1992 in Kraft getretenen Liegenschaftsbewertungsgesetzes sei eine Änderung der Rechtslage gleichfalls nicht eingetreten, könne doch das Vermögen des Erstehers durch die bloße "Neufassung der Bewertungsrichtlinien ... nicht Schutzobjekt der Bestimmungen der EO über die Schätzung im Zuge des Zwangsversteigerungsverfahrens" geworden sein.
2. Der Kläger macht einen bloßen Vermögensschaden geltend. Es entspricht ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung, dass die Verursachung eines solchen Schadens nur dann ersatzpflichtig macht, wenn dem geltend gemachten Anspruch die vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts, die Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers zugrundeliegt. Von diesen Voraussetzungen der Haftung für einen bloßen Vermögensschaden kommt hier nur die Verletzung von Rechtsvorschriften in Betracht, die bestimmte Personen vor der Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen sollen. Dabei muss die übertretene Bestimmung gerade auch den Zweck haben, den Geschädigten vor eintretenden Vermögensnachteilen zu bewahren. Gehaftet wird demnach nur für Schäden, die gerade in Verwirklichung jener Gefahr verursacht wurden, um deren Vermeidung willen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten fordert oder untersagt. Dabei ist ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Bestimmung und einem eingetretenen Schaden etwa schon dann anzunehmen, wenn die übertretene Norm die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen bloß mitbezweckte (JBl 2000, 320; 1 Ob 2312/96y; SZ 68/191 je mzwN).
2. 1. Entgegen der in der Entscheidung 8 Ob 25/97b vertretenen Ansicht normierte das unter 1. erwähnte Liegenschaftsbewertungsgesetz nicht nur eine "Neufassung der Bewertungsrichtlinien", sondern es fällt seither auch die Beschreibung der wertbestimmenden Faktoren des Exekutionsobjekts - also die Befundaufnahme - nach § 141 Abs 1 EO in Verbindung mit § 9 Abs 1 Z 2 LBG eindeutig in den Pflichtenkreis des gerichtlich bestellten Sachverständigen (siehe etwa Danzl, GeO Anm 6 zu § 40).
Dagegen wurde das Ergebnis der Entscheidung SZ 60/2 nach Erörterung der Entscheidung SZ 57/105 auf die klare "Trennung der Tätigkeit des gerichtlichen Organes und der des Sachverständigen" nach der damals geltenden, heute jedoch überholten Rechtslage gestützt. Gerade in diesem Zusammenhang wurde dort betont, "Zweck der vom Gerichtsorgan vorzunehmenden Beschreibung" sei es, "den Bietern ein genaues Bild über Lage, Größe, Kulturgattung, Bauzustand und wirtschaftliche Bedeutung der Liegenschaft zu geben". Ist jedoch die in der Entscheidung SZ 60/2 ausgeführte Trennung der Tätigkeitsbereiche des im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren bestellten Sachverständigen einerseits und des Vollstreckungsorgans andererseits zufolge der Novellierung des § 141 EO durch Art III Z 2 des Liegenschaftsbewertungsgesetzes BGBl 1992/150 Rechtsgeschichte und fällt daher die Aufnahme des Befunds über das Exekutionsobjekt seither eindeutig in den Pflichtenkreis des durch das Gericht beigezogenen Sachverständigen, so sind die Bestimmungen der Exekutionsordnung in Verbindung mit jenen des Liegenschaftsbewertungsgesetzes über die Schätzung des Exekutionsobjekts nunmehr zwanglos als Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB aufzufassen, deren Beachtung auch Schäden im Vermögen des Erstehers zufolge der auf einer fehlerhaften Befundaufnahme fußenden unrichtigen Bewertung des Exekutionsobjekts vermeiden soll (so schon zur alten Rechtslage G. Nowotny, Die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen gegenüber dem Ersteher in der Liegenschaftszwangsversteigerung, JBl 1987, 282, 284; Pfersmann, Bemerkenswertes aus der SZ 58, ÖJZ 1988, 69, 77). Überdies wurde schon in der Entscheidung SZ 60/2 darauf hingewiesen, dass "es sich bei der Frage, inwieweit der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht nur dem Gericht und der vertraglich bestellte Sachverständige nicht nur seinem Vertragspartner gegenüber" hafte, "um verwandte Problemkreise" handle. Durch die nunmehrige Einbeziehung der Vermögensinteressen des Erstehers in den Schutzzweck der erörterten Normen über die Schätzung des Exekutionsobjekts wird somit die nach der geltenden Rechtslage mögliche Harmonisierung der Haftung des im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren bestellten Sachverständigen gegenüber dem Ersteher mit der Haftung des Privatsachverständigen gegenüber Dritten (zu letzterer Haftung siehe SZ 69/258 mwN) erreicht.
Unter Zugrundelegung solcher Gesichtspunkte kann es nicht mehr entscheidungswesentlich sein, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige keinen Entlohnungsanspruch gegen den Ersteher hat.
3. Vor dem Hintergrund der voranstehenden Erwägungen haftet der Beklagte dem Kläger daher dem Grunde nach für den geltend gemachten Vermögensschaden, ist ihm doch die ungenügende Befundaufnahme als Grundlage seines deshalb unrichtigen Bewertungsgutachtens - nach dem Beurteilungsmaßstab gemäß § 1299 ABGB - zumindest als leichte Fahrlässigkeit anzulasten. Daran kann die in der Revisionsbeantwortung ins Treffen geführte Regelung des § 140 Abs 2 EO nichts ändern. Wenngleich das Exekutionsgericht nach dieser Gesetzesstelle die für die Schätzung benötigten Unterlagen anderer Behörden von Amts wegen beizuschaffen hat, durfte der Beklagte seiner Bewertung, nachdem ihm die Diskrepanz zwischen dem allein für maßgebend gehaltenen Parifizierungsbescheid einerseits und dem Grundbuchsstand andererseits aufgefallen war, nicht einfach die Daten dieses Parifizierungsbescheids zugrunde legen, ohne den Versuch zu unternehmen, die von ihm erkannte Diskrepanz durch Einsicht in die grundbücherliche Urkundensammlung näher aufzuklären. Der Beklagte durfte also die Eintragung im Hauptbuch der Sache nach nicht als bloßen Ziffernsturz erklären, ohne der wahrgenommenen Zahlendiskrepanz auf den Grund zu gehen.
Soweit sich der Beklagte als Stütze für seinen Prozessstandpunkt noch auf § 140 Abs 3 EO beruft, ist ihm zu erwidern, dass die Unrichtigkeit seines Bewertungsgutachtens nichts mit der Schätzung eines vom Vollstreckungsorgan unrichtig beschriebenen Liegenschaftszubehörs zu tun hat, sondern auf anderen Ursachen beruht.
4. Der Beklagte wendete im Verfahren erster Instanz allerdings auch ein Mitverschulden des Klägers ein, brachte er doch vor, dem Kläger als erfahrenem Rechtsanwalt hätte die Diskrepanz zwischen dem Nutzwertgutachten und dem Grundbuchsstand, auf die im Befund ausdrücklich hingewiesen worden sei, auffallen müssen. Dieser Standpunkt wird in der Revisionsbeantwortung aufrecht erhalten.
Dieser Argumentation des Beklagten ist beizutreten. Dem Kläger fällt tatsächlich ein Mitverschulden an dem eingeklagten Vermögensschaden zur Last, ist ihm doch das Übergehen des jedenfalls für einen Rechtsanwalt deutlich erkennbaren Hinweises im Befund des Beklagten auf die Diskrepanz zwischen dem Grundbuchsstand und dem Parifizierungsbescheid als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten nach § 1304 ABGB anzulasten. Eine Bedachtnahme auf diese Diskrepanz hätte einen aufmerksamen Kauflustigen veranlasst, Nachforschungen über deren Ursache anzustellen; solche hätten den Fehler im Befund des Beklagten zu Tage gebracht.
Das Verschulden des Beklagten, der die erörterte Diskrepanz als gerichtlich bestellter Sachverständiger unaufgeklärt ließ, wiegt jedoch schwerer als die Nachlässigkeit des Beklagten bei der Durchsicht des Bewertungsgutachtens, sodass der erkennende Senat eine Verschuldensteilung von 3 : 1 zu Lasten des Beklagten für angemessen hält.
5. Das Erstgericht wird somit im fortgesetzten Verfahren ergänzende Feststellungen zu treffen haben, die auch eine abschließende rechtliche Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruchs der Höhe nach erlauben.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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