Normen
ABGB §901
ABGB §914
ABGB §918
ABGB §921
ABGB §1090
ABGB §1118
ABGB §901
ABGB §914
ABGB §918
ABGB §921
ABGB §1090
ABGB §1118
Spruch:
Die Zulässigkeit eines zeitgerechten Rücktritts eines Gastes von einem Beherbergungsvertrag ohne die Folgen verschuldeter Nichterfüllung kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung als der Übung des redlichen Verkehrs entsprechend angesehen werden
OGH 14. Dezember 1979, 1 Ob 779/79 (LG Innsbruck 3 R 490/79; BG Reutte C 473/78 )
Text
Auf einem ihm vom Kläger übermittelten Zimmerbestellungsformular, in dem u. a. festgehalten war, daß die angegebenen Buchungstermine verbindlich seien und bei späterer Ankunft oder früherer Abreise der Zimmerpreis in Rechnung gestellt werden müsse, bestellte der Beklagte am 23. Jänner 1978, vom Kläger bestätigt mit Schreiben vom 26. Jänner 1978, für die Zeit vom 21. Dezember 1978 (Ankunftstag) bis 8. Jänner 1979 (Abreisetag) im Hotel des Klägers ein Zimmer für zwei Personen samt Halbpension zum Preis von 395 S pro Person und Tag. Am 26. Juni 1978 teilte der Beklagte mit, auf Grund einer Familienangelegenheit, die plötzlich auf ihn zugekommen sei, gezwungen zu sein, den Kläger zu bitten, seine Zimmerbestellung zu streichen. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 29. Juni 1978:"Wir bestätigen dankend den Erhalt Ihres Schreibens vom 26. Juni 1978 und bedauern außerordentlich, daß es Ihnen nun doch nicht möglich ist, wie am 23. Jänner 1978 gebucht, Ihren Weihnachtsurlaub in unserem Hause zu verbringen. Bedauerlicherweise entsteht uns durch Ihre Stornierung ein erheblicher finanzieller Schaden. Wir dürfen Sie daher bitten, 50 DM Bearbeitungsgebühr innerhalb der nächsten Tage auf unser Konto Nr. 31051/6 bei Raika T oder mittels Verrechnungsschecks anzuweisen. Wir dürfen Ihnen versichern, daß es nicht in unserem Interesse liegt, bei unvorhergesehenen Hinderungsgrunden Gebühren zu verrechnen, sind aber nach den enormen Regie- und Bearbeitungskosten an kaufmännische Regeln leider auch gebunden. Wir danken Ihnen schon jetzt für Ihr Verständnis und hoffen, daß es Ihnen zu einen anderen Zeitpunkt möglich ist, einen Ferienaufenthalt in unserem Haus zu verbringen."
Nach mehrfachen vergeblichen Mahnungen beanspruchte der Kläger mit der von ihm erhobenen Klage zunächst den Betrag von 350 S zuzüglich Mahnspesen. Bei der Tagsatzung vom 10. Jänner 1979 brachte der Kläger vor, das für den Beklagten reservierte Zimmer hätte vom 21. Dezember bis 25. Dezember 1978 und vom 7. Jänner bis 8. Jänner 1979, also durch fünf Tage, nicht anderweitig vermietet werden können, woraus sich für den Kläger ein Schaden von 3500 S (Zimmerpreis abzüglich jeweils 45 S für das Frühstück) ergeben habe. Der Kläger erklärte, auf die Geltendmachung der Stornogebühr zu verzichten, nahm eine Klagsänderung vor und beanspruchte vom Beklagten 3500 S samt Anhang. Der Beklagte wendete ein, daß es im einschlägigen geschäftlichen Verkehr nicht üblich sei, vom anderen Teil eine Entschädigung zu verlangen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte im wesentlichen fest: Der Kläger habe die Stornierung durch den Beklagten vorbehaltslos zur Kenntnis genommen. In der vom Kläger angegebenen Zeit hätten Zimmer vom Typ, den der Beklagte zunächst bestellt hatte, trotz Bemühungen des Klägers nicht belegt werden können. Die Ersparnisse des Klägers infolge Unterbleibens seiner Leistungen hätten 20% des Zimmerpreises betragen. Laut § 4 Abs. 2 des Österreichischen Hotelreglements, nach welchem die österreichischen Beherberger üblicherweise bereit seien, mit ihren Gästen Beherbergungsverträge abzuschließen, sei eine Stornogebühr im Ausmaß des Zimmerpreises für drei Tage zu bezahlen, wenn der Beherbergungsvertrag zwischen drei Monaten und einem Monat vor dem vereinbarten Ankunftstag des Gastes aufgelöst werde. Zwischen den Streitteilen sei ein gültiger Beherbergungsvertrag zustande gekommen, der keine Regelung über eine Stornierung enthalten habe. Das Vertragsrecht sei jedoch vom Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht; die Bedeutung von Erklärungen richte sich danach, wie sie unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv verstanden werden müßten; dazu seien die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen. Träten nach Abschluß des Geschäftes Konfliktsfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt worden seien, sei unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Zweckes zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten. In solchen Fällen habe eine gerichtliche Vertragsergänzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Verkehr Platz zu greifen. Aus der Erklärung des Beklagten sei zu erkennen, daß er den Vertrag nicht erfülle. Werde vom Schuldner die Erfüllung gänzlich (schuldhaft) vereitelt, so könne der Gläubiger nach seiner Wahl entweder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten. Durch die Erklärung des Klägers im Schreiben vom 29. Juni 1978 und in seiner Vernehmung als Partei könne angenommen werden, daß er vom Vertrag zurücktrat. Ob ihm 50 DM an Bearbeitungsgebühr zustunden, sei unerheblich, da der Kläger hierauf in der Tagsatzung vom 10. Jänner 1979 ausdrücklich verzichtet habe. Darüber hinaus sei die Willensäußerung des Klägers so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspreche. Dazu seien die Umstände und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen. Das Gericht stütze sich hiebei auf das österreichische Hotelreglement.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und änderte dessen Urteil dahin ab, daß es den Beklagten zur Bezahlung von 2800 S samt Anhang verurteilte und nur das Mehrbegehren abwies. Die Bearbeitungsgebühr von 50 DM, zu deren Bezahlung der Kläger den Beklagten vergeblich aufgefordert habe,könne als Anbot des Klägers an den Beklagten verstanden werden, eine vergleichsweise Regelung über den Ersatz des dem Kläger durch den Vertragsrücktritt durch den Beklagten entstandenen Schadens zu treffen. Da der Beklagte hierauf nicht eingegangen sei und keine Zahlung geleistet habe, sei dem Kläger die Geltendmachung weiterer Schadenersatzansprüche offengeblieben. Eine Verschweigung oder einen Verzicht könne im Hinblick auf die Weigerung des Beklagten zur Zahlung der Bearbeitungsgebühr nicht angenommen werden. Damit bestehe gemäß § 921 erster Satz ABGB ein Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens bei Rücktritt des Beklagten vom geschlossenen Vertrag. Den Beweis eines mangelnden Verschuldens habe der Beklagte nicht erbracht, obwohl er gemäß § 1298 ABGB hiefür beweispflichtig wäre. Die Schadenshöhe ergebe sich nach den Feststellungen pro Tag und Bett mit 280 S (Zimmerpreis ohne Frühstück 350 S abzüglich 20% Eigenersparnis). Ein Eingehen auf das Österreichische Hotelreglement erübrige sich, weil dessen Gültigkeit für den Vertrag zwischen den Parteien nicht festgestellt worden sei; nach Auskunft der Kammer der gewerblichen Wirtschaft stelle es auch keinen Handelsbrauch dar.
Über Revision des Beklagten änderte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß er das Urteil des Erstgerichtes wiederherstellte.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß durch den Schriftwechsel vom 23. und 26. Jänner 1978 zwischen den Parteien ein sogenannter Beherbergungsvertrag (Hotelaufnahmevertrag; Gastaufnahmevertrag; Pensionsvertrag) zustande kam, der weder in den in der Bundesrepublik Deutschland noch in den in Österreich geltenden Gesetzen eine ausdrückliche Regelung erfahren hat. Es handelt sich um einen Vertrag, der Elemente des Mietvertrages, aber auch solche des Dienst-, Werk- und Kaufvertrages enthält und damit eine Beurteilung als Vertrag sui generis rechtfertigt (MietSlg. 30 249; RZ 1977/135; Gschnitzer in Klang[2]IV/1, 660; in diesem Sinne auch Emmerich in Staudinger, BGB[12] II, 659 Vorbemerkung 59 vor den §§ 535, 536 BGB; Soergel - Mezger, BGB[10]II, 1755 Anm. 34). Es liegt ein sogenannter gemischter Vertrag vor, bei dem einer einheitlichen Leistung (Zins) Gegenleistungen gegenüberstehen, die unter verschiedene Vertragstypen fallen (Ehrenzweig[2] II/1, 184; Klang in seinem Kommentar[2]V, 17).
Im vorliegenden Falle wurde bei Abschluß des Beherbergungsvertrages nicht vereinbart, daß eine Seite vom Vertrag zurücktreten dürfe, ohne daß ihr irgendwelche Zahlungsverpflichtungen oblägen, aber auch nicht das Gegenteil, da die Verbindlichkeit der gebuchten Termine offensichtlich nur die Einhaltung der vereinbarten Ankunfts- und Abreisetage betraf, nicht aber ein Rücktrittsrecht des Bestellers. Für einen solchen Fall wurde die Auffassung vertreten, daß der Besteller zumindest insoweit, als bestellte Zimmer nicht anderweitig genützt werden können, voll zahlungspflichtig bleibe, auch wenn nicht nur die Bestellung, sondern auch der Rücktritt schon viele Monate vor dem vereinbarten Ankunftstag erfolgten und der für die Bestellung maßgebliche Anlaß der Reservierung im Zeitpunkt des Rücktrittes fortgefallen war (OLG Braunschweig, NJW 1976, 570; Emmerich a. a. O; Gelhaar in BGB-RGRK[12] II/2, III. Titel, 92 Anm. 255). Diese Meinung blieb aber nicht ohne Widerspruch (Menden in NJW 1976, 969 f.). Der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland differenzierte in diesem Sinne (NJW 1977, 385). Zunächst unterschied er - bei einem Vertrag zwischen einem Reisebüro und einem Hotel - zwischen dem eigentlichen Gastaufnahmevertrag und einem diesem Vertrag vorangehenden Hotelreservierungsvertrag, mit dem sich die Parteien verpflichten, spätestens zu Beginn der eigentlichen Belegungszeit die entsprechenden Verträge abzuschließen; die Weigerung des Bestellers, den Hauptvertrag abzuschließen, soll aber Ersatzansprüche wegen Nichterfüllung der nach dem Hauptvertrag geschuldeten Leistungen begrunden, so daß es dann rechtlich ohne Belang ist, ob man einen einheitlichen Vertrag oder zwei Verträge annimmt. Der Bundesgerichtshof vertrat aber auch die Auffassung, daß ein Rücktrittsrecht, selbst wenn es nicht vereinbart wurde, nicht verneint werden müßte; er hielt ein solches dann für gegeben, wenn es sich schon aus der Natur des Vertrages oder aber auf Grund Handelsbrauches ergebe. Der Bundesgerichtshof bejahte ein Rücktrittsrecht von einem zwischen einem Reisebüro und einem Beherbergungsunternehmen abgeschlossenen Reservierungsvertrag insbesondere dann, wenn die uneingeschränkte Bindung des Reisebüros an die einmal getroffene Vereinbarung es mit einem solchen Risiko belasten würde, daß ein billig und gerecht denkender Hotelier eine Bereitschaft hiezu auf Seite des Vertragspartners nicht voraussetzen dürfe (§ 157 BGB); er hielt im Anlaßfall allerdings ergänzende Erhebungen für erforderlich und insbesondere auch eine Risikenteilung zwischen Reisebüro und Hotelier denkbar.
Aus der genannten, auch bei Bedachtnahme auf österreichisches Recht überzeugenden Entscheidung ist für den zwischen den Parteien des nunmehrigen Prozesses abgeschlossenen Vertrag auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß kein beiderseitiges Handelsgeschäft vorlag und Handelsbrauch (§ 346 HGB) daher nicht anwendbar ist, doch die allgemein gültige Schlußfolgerung zu ziehen, daß auch ein solcher Beherbergungsvertrag durch einseitige Erklärung auflösbar sein kann, ohne daß Schadenersatzfolgen eintreten. Dem § 157 BGB, der auf Treu und Glauben verweist, ist im österreichischen Recht der § 914 ABGB, wonach Verträge so zu verstehen sind, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, äquivalent.
Grundsätzlich kann sich allerdings eine Partei nicht auf das Nichtvorhandensein oder auf den Wegfall einer Vertragsvoraussetzung berufen, wenn diese sich auf Tatsachen der eigenen Sphäre bezieht;
jeder Vertragsteil muß vielmehr die Gefahr aller Umstände tragen, die sich in seinem Bereich ereignen (EvBl. 1978/137; EvBl. 1977/68;
SZ 49/13 u. a.; Koziol - Welser[5] I 114; Gschnitzer in Klang[2]IV/1, 340). In aller Regel erfordert es also die Vertragstreue, daß jeder Vertragsteil die von ihm übernommenen Verpflichtungen erfüllt und das Risiko eines Fehlschlagens seiner Erwartungen tragen muß. Die Auslegung eines Vertrages nach den für jeden Vertragsteil geltenden Regeln von Treu und Glauben kann aber auch dazu führen, daß ein Vertrag gelöst werden darf, wenn im Festhalten am Vertrag, im Beharren auf Verpflichtungen, deren Erfüllung dem Schuldner nicht mehr zumutbar ist, geradezu ein Verstoß gegen diese Grundsätze erblickt werden muß (EvBl. 1974/29; SZ 43/63 u. a.; Steinwentner in JBl. 1950, 199 und 252). Die Duldung eines Abgehens von einem Vertrag wird einem Partner umso eher zumutbar sein, je weniger seine Rechtslage dadurch beeinträchtigt wird. Die Abwägung hat unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles zu geschehen und kann dazu führen, daß nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs ein einseitiger Vertragsrücktritt ohne Schadenersatzpflicht auch als vereinbart angesehen werden kann, ohne daß dies ausdrücklich vereinbart gewesen wäre. Dies wird insbesondere dann zu gelten haben, wenn die Möglichkeit einer Änderung der Sachlage beiden Vertragspartnern bekannt war und daher zumindest teilweise als ein von beiden Parteien dem Vertragsabschluß zugrunde gelegtes Risiko angesehen werden kann (RZ 1974/59; vgl. MietSlg. 23 077). Eine solche Annahme wird naheliegen, wenn zwischen Abschluß und Durchführung des Vertrages ein verhältnismäßig langer Zeitraum liegt.
Bei Abschluß eines erst in relativ ferner Zukunft zu realisierenden Beherbergungsvertrages ist einerseits zu beachten, daß sich nach dem Beurteilungsvermögen beider Vertragspartner die persönlichen Verhältnisse auf Seite des Gastes einerseits bis zum vereinbarten Ankunftstag in einer Weise verändern können, die ihm die Wahrnehmung der Rechte aus dem Vertrag unmöglich macht, und es andererseits in der Regel für den Hotelier keine besondere Belastung darstellt, einen Rücktritt vom Vertrag zu einem Zeitpunkt hinzunehmen, zu dem nach aller Erfahrung die meisten Beherbergungsverträge für einen bestimmten Zeitraum noch gar nicht abgeschlossen sind, so daß in der Regel keine Schwierigkeiten bestehen können, noch anderweitig zu disponieren und einen anderen Gastaufnahmevertrag abzuschließen. Die Abwägung der beiderseitigen Risiken bei Abschluß eines Beherbergungsvertrages auf lange Sicht muß dann zu dem Ergebnis führen, daß die Zulässigkeit eines zeitgerechten Rücktrittes des Gastes von einem Beherbergungsvertrag ohne Eintritt der Folgen verschuldeter Nichterfüllung des Vertrages jedenfalls dann, wenn - ähnlich wie bei einem Dauerschuldverhältnis (SZ 48/77; SZ 46/109 u. v. a.) - wichtige Gründe vorliegen oder eine entsprechende Verkehrsübung besteht, so sehr im Interesse des Gastes geboten und dem Hotelier zumutbar ist, daß ein Recht darauf auch ohne ausdrückliche Vereinbarung als in seiner Natur liegender Bestandteil des Vertrages anzusehen ist.
Aus den Feststellungen des Prozeßgerichtes ist zu schließen, daß nach dem Österreichischen Hotelreglement der Beherbergungsvertrag bis spätestens drei Monate vor dem vereinbarten Ankunftstag des Gastes durch einseitige Erklärung ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Stornogebühr oder von Schadenersatz aufgelöst werden kann; dies besagt § 4 Abs. 1 des Hotelreglementes auch ausdrücklich. Nur bei Rücktritt zwischen drei Monaten und einem Monat vor dem vereinbarten Ankunftstag ist eine Stornogebühr zu bezahlen (§ 4 Abs. 2). An sich richtig wies das Berufungsgericht allerdings darauf hin, daß die Geltung des Österreichischen Hotelreglements für den Vertrag zwischen den Parteien nicht vereinbart war. Es will auch Sondervereinbarungen nicht ausschließen (§ 1) und überhaupt die Vertragsfreiheit nicht einschränken. Das Erstgericht stellte aber immerhin fest, daß das Österreichische Hotelreglement nur die Regeln enthalte, nach welchen die österreichischen Beherberger üblicherweise bereit seien, mit ihren Gästen Beherbergungsverträge abzuschließen; es zog daraus den Schluß, daß das Hotelreglement bei der Klarstellung dessen, was der Übung des redlichen Verkehrs entspreche, zu berücksichtigen sei. Dem ist jedenfalls insoweit beizupflichten, als eine vertragsergänzende Berücksichtigung einer Übung, eine Frage vertraglich in bestimmter Weise zu regeln, durchaus statthaft ist (vgl. Rummel, Vertragsauslegung nach der Verkehrssitte, 87; vgl. auch Bydlinski in Kastner - Festschrift, 55 f.). Die Grundsätze des Österreichischen Hotelreglements, die im wesentlichen der Natur (den Besonderheiten) des Beherbergungsvertrages Rechnung tragen, können daher, selbst wenn sie nicht solche Bedeutung erlangt hätten, um sie unter Kaufleuten geradezu als Handelsbrauch anzuerkennen, bei der Auslegung von Verträgen eines Hoteliers mit einem Gast jedenfalls insoweit mitberücksichtigt werden, als im Zweifel anzunehmen ist, daß der Hotelier sich entweder an die dort von seiner eigenen Standesvertretung niedergeschriebenen und daher allgemein als zumutbar angesehenen Grundsätze halten oder von ihnen nicht weiter entfernen wolle, als sich dies aus dem Inhalt seiner Erklärungen eindeutig ergibt. Eine solche Annahme ist schon deswegen berechtigt, weil einem Hotelier nicht unterstellt werden kann, daß er sich nicht stets der Bedeutung und der Notwendigkeit eines fairen Verhaltens Gästen gegenüber im eigenen Interesse und dem der Fremdenverkehrswirtschaft im allgemeinen bewußt ist. Bei Betrachtung der Übung des Verkehrs war es daher mangels ausdrücklicher gegenteiliger Vereinbarung als Vertragsinhalt anzusehen, daß der Kläger einen Rücktritt des Beklagten vom Vertrag mehr als drei Monate vor dem vereinbarten Ankunftstag anerkennen und damit keine Schadenersatzansprüche verbinden, jedenfalls aber nicht mehr als einen Bearbeitungsspesenersatz geltend machen werde.
Der Beklagte gab seine einseitige Rücktrittserklärung rund ein halbes Jahr vor dem vertraglich vereinbarten Ankunftstag ab. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes steht dem Kläger dann aber der von ihm geltend gemachte Schadenersatzanspruch dafür, daß er ein Zimmer der vom Beklagten gewählten Kategorie während der ursprünglich vereinbarten Vertragszeit durch fünf Tage nicht vergeben konnte, nicht zu. Ob und in welcher Höhe er eine Bearbeitungsgebühr beanspruchen konnte, ist nicht weiter zu untersuchen, da der Kläger auf diesen ursprünglich geltend gemachten Anspruch im Verfahren ausdrücklich verzichtete. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist demnach in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
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