Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger wurde 1948 geboren. Innerhalb des Familienverbands, in dem er aufwuchs, war sein Vater Raucher. Er wohnt in der Nähe einer viel befahrenen Grazer Durchzugsstraße. Bei einer Gesundenuntersuchung wurden eine Einschränkung der Kapazität seiner Lunge und ein leicht erhöhter Blutdruck festgestellt. Medikamente wurden nicht vorgeschrieben, ihm wurde nur geraten, sich gesund zu ernähren und ausreichend Bewegung zu machen. Nicht feststellbar ist ein Gesundheitsschaden infolge einer Feinstaubbelastung. Seit dem 1. 1. 2005 darf die Feinstaub-PM 10-Konzentration in der Luft bestimmte Werte nicht übersteigen. Bei den Messstationen in Graz wurden Überschreitungen des zulässigen Grenzwerts aufgezeichnet. Die Vorinstanzen haben das (soweit für das Revisionsverfahren noch relevant) auf Amtshaftung und das Nachbarrecht gestützte Feststellungsbegehren des Klägers, die Beklagte hafte wegen unterlassener Maßnahmen oder Anordnungen zur Begrenzung der Feinstaubbelastung, abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Wird - wie hier - der Amtshaftungsanspruch auf die Unterlassung behördlicher Maßnahmen gestützt, setzt die Haftung des Rechtsträgers eine schuldhaft pflichtwidrige Unterlassung voraus (1 Ob 73/01v; 1 Ob 285/04z). Den Geschädigten trifft auch im Amtshaftungsverfahren grundsätzlich die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden (RIS-Justiz RS0022469; RS0022686). Es ist Sache des Klägers, der eine (zukünftige) Gesundheitsschädigung durch eine Überschreitung der Feinstaubgrenzwerte annimmt, das rechtswidrige Organverhalten als Ursache für den Eintritt zukünftiger Schäden zu behaupten und zu beweisen. Entgegen seiner Auffassung reicht für die Rechtswidrigkeit die Grenzwertüberschreitung alleine nicht aus (Wagner/Kerschner, Immissionsschutzgesetz-Luft [2008] 106). Die in der Revision zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 25. 7. 2008, Janecek gegen Freistaat Bayern, C-237/07 , die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte Betroffenen das Recht zubilligt, im Sinn des Art 7 Abs 3 der Richtlinie 96/62 EG des Rats vom 27. 9. 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität die Erstellung eines Aktionsplans bei den zuständigen Behörden zu erwirken, zwingt zu keiner anderen Beurteilung der Behauptungs- und Beweislast in diesem innerstaatlichen Amtshaftungsprozess. Es geht hier nicht um die in Art 7 Abs 3 der zitierten Richtlinie bzw § 9a IG-L konkret festgelegte Verpflichtung, einen Aktionsplan bzw ein Programm mit konkreten Maßnahmen zur Reduzierung der Grenzwerte zu erstellen, oder das Antragsrecht zur Durchsetzung dieser Verpflichtung. Zu beurteilen ist ein Schadenersatzanspruch wegen rechtswidrigen und schuldhaften Organverhaltens. Die zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs geht nicht von einer zwingenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus, durch im Rahmen eines Aktionsplans zu treffende Maßnahmen sicherzustellen, dass es zu keinerlei Überschreitung der Grenzwerte kommt (Rn 44 ff). Auf das Unterlassen der Erstellung eines Aktionsplans bzw die Unterlassung von darin konkret angeordneten Maßnahmen hat sich der Kläger bei der Konkretisierung seines auf Amtshaftung gestützten Klagsvorbringens (S 3 und 4 des Verhandlungsprotokolls vom 20. 3. 2008) nicht berufen. Er beschränkte sich auf den Vorwurf von unterlassenen Maßnahmen, die im Wesentlichen dem in den §§ 13, 14 und 20 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) enthaltenen, im Rahmen eines Aktionsplans möglichen Maßnahmenkatalog entnommen sind. Soweit er sich auf eine unterlassene Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 km/h beruft, steht die Erreichung der Grenzwerte durch eine derartige Maßnahme außerdem nicht fest (S 15 bzw 17 des Ersturteils). Der Anregung des Klägers auf Anrufung des Europäischen Gerichtshofs, um die Behauptungs- und Beweislast bei Überschreitungen von Feinstaubgrenzwerten zu klären, ist somit nicht zu folgen. Scheitert eine inhaltliche Prüfung des eingeklagten Feststellungsanspruchs an der konkreten Darstellung des rechtswidrigen amtshaftungsbegründenden Verhaltens, hilft dem Kläger auch der in der Revision herangezogene Anscheinsbeweis nicht weiter. Dieser setzte das Vorbringen eines typischen Geschehensablaufs voraus, der auf einen bestimmten Kausalzusammenhang oder ein bestimmtes Verschulden hinwiese (Rechberger in Rechberger ZPO³ Vor § 266 ZPO Rz 22).
Der Kläger wertet die erhöhte Partikelkonzentration als Immission im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB, weil die ortsübliche Nutzung seiner Mietwohnung durch die von der öffentlichen Hand mit ihrem Fuhrpark ausgehenden Beeinträchtigungen gestört würde. Die Vorinstanzen haben dieses Vorbringen als zu unsubstantiiert gewertet, um daraus auf das Nachbarrecht gestützte Schadenersatzansprüche wegen Gesundheitsschädigung abzuleiten. Die Lösung der einzelfallbezogenen (RIS-Justiz RS0037780) Frage nach der hinreichenden Schlüssigkeit stellt sich nicht als korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Der Hinweis des Klägers, bei nachbarrechtlichen Unterlassungsansprüchen wegen Lärmbelästigung reiche die Behauptung der Überschreitung von bestimmten Lärmgrenzwerten aus, steht dem nicht entgegen. In den vom Kläger angeführten Beispielen wird der Zusammenhang zwischen dem Verhalten eines bestimmten Verursachers von Immissionen und der Beeinträchtigung/der Überschreitung von Lärmgrenzwerten ausreichend konkretisiert. Im Gegensatz dazu ist die Zuordnung der erhöhten Partikelkonzentration als Folge des (öffentlichen) Fuhrparks oder des allgemeinen Verkehrs nicht eindeutig.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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