Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.
Text
Begründung
Die Staatsanwaltschaft Salzburg erhob gegen den Kläger, Herfried Manfred S***, Martin H***, Manfred P*** und Erich E*** Strafantrag, die Genannten hätten am 19. August 1984 in Saalfelden an einer Schlägerei teilgenommen, wodurch Johann S*** einen Schienbeinbruch (richtig Schienbeinkopfbruch) rechts und Jim G*** einen Bruch des Mittelhandknochens, eine Wunde am Kinn, Abschürfungen vor dem linken Ohr und Bißwunden an den Fingern, sohin schwere Verletzungen erlitten hätten. Sämtliche Beschuldigten wurden mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29. Jänner 1986, 20 E Vr 3654/84, Hv 266/84-22-25, rechtskräftig des Vergehens des Raufhandels nach § 91 StGB schuldig erkannt. Nach den gekürzten Ausfertigungen wurde der Sachverhalt wie im Strafantrag angenommen. Der Kläger begehrt vom Beklagten die Bezahlung eines Schmerzengeldes von S 330.000,- samt Anhang und die Feststellung, daß er zur ungeteilten Hand mit den anderen rechtskräftig verurteilten Schädigern für alle zukünftigen Schäden aus dem Raufhandel vom 19. August 1984 hafte. Alle strafgerichtlich verurteilten Personen hätten auf den Kläger und seine Begleiter eingeschlagen; während die Begleiter des Klägers die Flucht ergriffen hätten, sei dies dem Kläger, der schwer verletzt worden sei, nicht möglich gewesen.
Der Beklagte wendete ein, er sei nur ganz unwesentlich am Rande an der Auseinandersetzung, die schon im Gang gewesen sei, beteiligt gewesen, er sei mit dem Kläger überhaupt nicht in Kontakt gekommen; nur er und Jim G*** hätten sich, ohne daß dadurch jemand verletzt worden sei, hin- und hergeschoben. Er habe nachweislich den Kläger nicht angerührt oder verletzt, er sei nicht einmal in der Nähe des Klägers gewesen. Er habe auch nicht andere Personen unterstützt, den Kläger zu verletzen. Vielmehr habe er dem Kläger nach dessen Verletzung zum Auto geholfen. Martin H*** habe zugegeben, daß er dem Kläger Schläge auf den Kopf und in das Gesicht versetzt und ihn mit den Füßen getreten habe.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, zur ungeteilten Hand mit den übrigen rechtskräftig strafgerichtlich verurteilten Personen dem Kläger den Betrag von S 230.0000,- samt Anhang zu bezahlen. Es gab auch dem Feststellungsbegehren statt. Das Leistungsmehrbegehren wies es ab. Der Beklagte sei nach § 91 StGB verurteilt worden. Damit stehe das Merkmal der Vorsätzlichkeit seiner schädigenden Handlungsweise fest. Dies bewirke eine Solidarhaftung nach § 1302 Satz 2 erster Fall ABGB. Stehe eine solche Solidarhaftung fest, dann komme es nicht darauf an, ob sich die Anteile der einzelnen Täter an dem gesamten Schaden bestimmen ließen; es bedürfe daher keiner weiteren Beweisaufnahme. Aus der Bindungsnorm des § 268 ZPO ergebe sich zwingend das Merkmal der Vorsätzlichkeit der Schadenszufügung durch den Beklagten. Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Teile nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, insgesamt S 300.000,- übersteigt. Im Falle des § 1302 zweiter Satz zweiter Fall ABGB stünde zwar jedem potentiellen Täter der Entlastungsbeweis zu; wer beweisen könne, daß er nicht verursacht habe, obwohl er als potentieller Täter in Frage komme, müsse als Haftender ausscheiden. Das Strafgericht habe aber den Beklagten rechtskräftig wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Daraus folge auf Grund der Bindungswirkung, daß den Beklagten ein Verschulden an der tätlichen Teilnahme an der Schlägerei treffe. Stelle das Strafgericht fest, daß ein qualifiziertes Verhalten eine schwere Körperverletzung herbeigeführt habe, so könne der zivilrechtlich belangte Täter den Verursachungszusammenhang zwischen seinem Verhalten und der schweren Körperverletzung eines Menschen auch dann nicht mehr wirksam bestreiten, wenn die schwere Verletzung lediglich eine objektive Bedingung erhöhter Strafbarkeit sei. Zum selben Ergebnis komme man aber auch, wenn man vom zivilrechtlichen Tatbestand der §§ 1301 f ABGB ausgehe. Durch die tätliche Teilnahme an einer Schlägerei habe der Beklagte gemeinschaftlich mit den anderen Tätern zu dem rechtswidrigen Erfolg beigetragen. Durch das Strafurteil sei die Rechtswidrigkeit der Handlungsweise festgestellt worden, die zu dem rechtswidrigen Erfolg geführt habe. In einem solchen Fall der vorsätzlichen Schadenszufügung im Sinne des § 1302 zweiter Satz erster Fall ABGB trete auf jeden Fall die Solidarhaftung ein, gleichgültig, ob sich der Anteil des einzelnen Beschädigers am Erfolg bestimmen lasse oder nicht. Eine andere Auffassung würde der Bestimmung des § 1301 ABGB widersprechen, die keine Haftung für fremde Verschulden als Ausnahme von der Bestimmung des § 1313 ABGB bedeute, sondern eine Mithaftung aller am widerrechtlichen Erfolg auf irgendeine Art Beteiligten eintreten lasse.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist berechtigt.
Die Bindung nach § 268 ZPO erstreckt sich auf die den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen (SZ 54/150 mwN). Vom Strafgericht festgestellte Tatsachen, die über den Straftatbestand hinausreichen, binden dagegen den Zivilrichter nicht (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 861; vgl. JBl. 1986, 239; SZ 54/150). Der Zivilrichter darf, soweit die Bindung reicht, einen vom Straftatbestand abweichenden Sachverhalt nicht feststellen (SZ 55/184; SZ 52/17 ua; Fasching aaO); er darf insoweit keinerlei Beweise aufnehmen, sondern hat die im Strafurteil festgestellten Tatsachen ungeprüft seinem Urteil zugrundezulegen (1 Ob 11/86). Die Bindungswirkung tritt auch dann ein, wenn das Urteil nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung in gekürzter Form ausgefertigt wurde. In der zum Zeitpunkt der Urteilsfällung durch das Landesgericht Salzburg geltenden Fassung des § 488 Z 7 StPO konnte der Einzelrichter im Falle der Verurteilung die im § 260 Z 1 StPO genannten Angaben ganz oder teilweise durch Verweisung auf den Strafantrag ersetzen, wenn das Gericht den darin dagestellten wesentlichen Sachverhalt ohne Änderung als erwiesen angenommen hat oder die abweichenden Feststellungen mit wenigen Worten angegeben werden können. Der Meinung Faschings aaO Rz 860, daß solche gekürzten Ausfertigungen überhaupt keine Aussprüche über Tatsachen beinhalteten, so daß der Umfang der Bindung des Zivilrichters aus dieser Entscheidung gar nicht feststellbar wäre, kann daher nicht gefolgt werden. Festgestellt sind vielmehr in einem solchen Fall die im Strafantrag gemäß §§ 484 Abs 1, 207 Abs 2 StPO anzuführenden Tatumstände. Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits wiederholt ausgesprochen, daß auch bei gekürzter Urteilsausfertigung die Bindungswirkung des § 268 ZPO eintritt (3 Ob 577/85; 2 Ob 43/85 ua). Auf Grund des rechtskräftigen gekürzt ausgefertigten Strafurteiles des Erstgerichtes vom 29. Jänner 1986 steht so fest, daß auch der Beklagte am 19. August 1984 in Saalfelden an einer Schlägerei teilnahm, wodurch Johann S*** und Jim G*** schwer verletzt wurden. Den Vorinstanzen kann aber nicht darin gefolgt werden, daß aus diesem das Zivilgericht bindenden Sachverhalt sich der rechtliche Schluß ableiten ließe, sämtliche rechtskräftig verurteilten Personen hätten dem Kläger und dem Jim G*** vorsätzlich ihre Verletzungen zugefügt, so daß schon aus diesem Grund die Solidarhaftung nach § 1302 ABGB eintrete. Wäre den Verurteilten ein solcher Vorsatz unterstellt worden, hätten sie nicht den Tatbestand des § 91 StGB, sondern den der schweren Körperverletzung nach den §§ 84 ff StGB erfüllt. Gemeinsamer Mißhandlungs- oder Verletzungsvorsatz, der unter Umständen spontan gefaßt werden kann, schließt die Anwendung des § 91 StGB aus (SSt 48/48; Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts2, Besonderer Teil I § 91 StGB Rz 2; Leukauf-Steininger2 § 91 StGB Rz 17; Liebscher in JBl. 1982, 329). Raufhandel stellt einen bloßen Auffangtatbestand zu den Körperverletzungsdelikten dar (SSt 48/48; Kienapfel aaO; Leukauf-Steininger aaO Rz 2). Strafgrund ist demnach nicht etwa (wie vormals nach den §§ 143, 157, StG) der Verdacht einer Urheberschaft des Teilnehmers an einer bestimmten Verletzungsfolge (in Verbindung mit Beweisschwierigkeiten), sondern schon die generelle und abstrakte Gefährlichkeit des Raufhandels schlechthin, deretwegen jede Teilnahme daran pönalisiert wird, ohne daß dabei für jeden einzelnen Teilnehmer doch immerhin die zumindest theoretische (abstrakte) Möglichkeit gegeben sein müßte, daß seine schuldhafte Beteiligung, die (zur Strafbarkeit aller Teilnehmer vorauszusetzende) schwere Folge des konkreten Raufhandels (mit-)verursacht haben könnte. Darauf, ob gerade der jeweils zu beurteilende Tatbeitrag eines bestimmten Teilnehmers für die schwere Verletzung kausal war oder immerhin theoretisch hätte sein können, kommt es nicht an. Für die Strafbarkeit ist es ohne Belang, ob die Verletzung vor, während oder nach der Teilnahme des Täters eintrat, sofern dies nur im Verlauf desselben Raufhandels geschah. Die durch die Teilnahme am Raufhandel bewirkte Gefährdung, nicht aber der Nachweis der kausalen Herbeiführung der Verletzung gerade durch den verurteilten Täter ist Tatbestandserfordernis (EvBl 1987/61). Der Tatbestand des Raufhandels nach § 91 StGB ist daher selbst dann erfüllt, wenn der Verurteilte erwiesenermaßen nicht als Urheber der schweren Verletzung in Betracht kommt (EvBl 1987/61; JBl. 1982, 328). Der Vorsatz des Täters muß sich nur auf die Teilnahme an der Schlägerei bzw. an dem Angriff mehrerer erstrecken, die schwere Verletzungsfolge selbst ist objektive Bedingung der Strafbarkeit, die Zurechnung der Verletzung setzt nicht einmal Fahrlässigkeit eines Täters voraus (EvBl, 1987/61; Leukauf-Steininger aaO Rz 12; Kienapfel aaO Rz 23). Durch die im Strafantrag gebrauchte Wendung "wodurch Johann S*** ... und Jim G*** ... schwere
Verletzungen erlitten haben", bedeutete nur, daß die objektive Bedingung der Strafbarkeit, die schwere Verletzung eingetreten war, hingegen trat eine Bindung des Zivilrichters daran, daß der Beklagte kausal die Verletzung des Klägers herbeigeführt hätte, nicht ein. Ausgehend vom dargestellten objektiven Umfang der Bindungswirkung bleibt daher zu prüfen, ob der Beklagte allein schon wegen der Teilnahme an einem Raufhandel mit allen rechtskräftig verurteilten Personen solidarisch haftet oder ob ihm die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises offen steht.
Gemäß § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich unmittelbar oder mittelbar durch Verleiten, Drohen, Helfen, Befehlen und dgl. oder durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben. In einem solchen Fall verantwortet gemäß § 1302 ABGB, wenn die Beschädigung in einem Versehen begründet ist und die Anteile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt wurde oder wenn die Anteile der einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen, so haften alle für einen und einer für alle, doch bleibt dem, der den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die übrigen vorbehalten. Nur für den Fall, daß alle Verurteilten vorsätzlich handelnde Mittäter gewesen wären, wird die Ursächlichkeit der Handlungsweise jedes einzelnen nicht gesondert geprüft. Es wird vielmehr davon ausgegangen, daß jeder der Mittäter eine nicht wegzudenkende Ursache für den Schadenserfolg setzte (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 297; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3 262). Vorsätzliche gemeinschaftliche Schadenszufügung liegt nicht vor; der Vorsatz war nur auf die Teilnahme an einer Schlägerei oder an einem Angriff mehrerer gegen den Kläger und Jim G*** gerichtet. Auf Grund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteiles ergibt sich zwar, daß einer oder mehrere der Verurteilten und/oder allenfalls noch weitere unbekannt gebliebene Personen den eingetretenen Schaden verursacht haben, es steht aber nicht fest, wer von ihnen den Schaden tatsächlich herbeigeführt hat. Es liegt somit die in Lehre und Rechtsprechung anerkannte Rechtsfigur der alternativen Kausalität vor (SZ 57/51; SZ 56/120; SZ 54/63 je mwN; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 26, 27 zu § 1302). Im Falle alternativer Kausalität haben alle, die potentiell den Schaden herbeigeführt haben, grundsätzlich das Unaufklärbarkeitsrisiko zu tragen. Wie das Berufungsgericht aber zutreffend ausführte, steht dann jedem potentiellen Schädiger gegen den ihn treffenden Kausalitätsverdacht die Möglichkeit offen nachzuweisen, daß sein Verhalten den Schadenseintritt nicht mitverursachte (SZ 56/120; SZ 54/63 mwN; Bydlinski in AcP 158, 430; Koziol aaO; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 12 zu § 1302). Der Revision ist Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen sind gemäß § 510 Abs 1 ZPO aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur Ergänzung des Verfahrens über die Einwendung des Beklagten, er sei mit dem Kläger überhaupt nicht in Kontakt gekommen, er habe den Kläger weder angerührt noch verletzt und auch nicht andere Personen bei den von ihnen gegen den Kläger gesetzten Tätlichkeiten unterstützt, sowie zur neuerlichen Urteilsfällung zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50, 52 ZPO.
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