Spruch:
Beiträge der Eltern eines Ehegatten zur Erleichterung der Lebensführung in einer jungen Ehe durch Naturalleistungen werden in der Regel schenkungsweise und nicht unter der Bedingung der Fortdauer der Ehe geleistet; Rückforderungsansprüche vom anderen Ehegatten nach Scheitern der Ehe bestehen im Zweifel nicht
OGH 27. 6. 1984, 1 Ob 618/84 (OLG Linz 2 R 229/83; LG Salzburg 7 Cg 51/83)
Text
Der Beklagte ist der Vater des am 8. 7. 1977 von der Tochter des Klägers geborenen Sohnes Hannes. Der Beklagte und die Tochter des Klägers heirateten am 11. 8. 1978. Aus der Ehe entstammt ein weiteres Kind, die am 4. 6. 1979 geborene Christine. Der Beklagte wohnte mit seiner Frau und den Kindern im gemeinsamen Haushalt mit der Familie des Klägers. Der Kläger übertrug seiner Tochter und dem Beklagten mit Schenkungsvertrag vom 18. 8. 1978 ein Baugrundstück, um der Familie des Beklagten den Bau eines eigenen Hauses zu ermöglichen. Für die Eltern der Eheleute war es klar, daß der Beklagte nur mit ihrer umfangreichen materiellen Hilfe in der Lage sein werde, ein Haus zu bauen. Dieses Haus wurde in der Folge im Rohbau errichtet. Der Kläger unterstützte den Beklagten in beträchtlichem Ausmaß durch Gewährung von Naturalunterhalt vorerst für den Sohn Hannes, später auch für die Gattin des Beklagten und die Tochter Christine. Im Dezember 1979 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beklagten und seiner Gattin. Seit damals lebt der Beklagte von seiner Gattin getrennt. Die Ehe des Beklagten mit der Tochter des Klägers wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 5. 9. 1980, 6 Cg 23/80-9, gemäß § 55 a EheG rechtskräftig geschieden. Mit am selben Tag abgeschlossenem Scheidungsvergleich übertrug der Beklagte das Eigentum an seinem Hälfteanteil an der gemeinsamen Liegenschaft samt Rohbau um 500 000 S an die Tochter des Klägers.
Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von 131 613.35 S sA. Die erbrachten Unterhaltsleistungen an die Kinder und die Gattin des Beklagten seien vom Kläger unter Vorbehalt der Rückzahlung und im Hinblick auf den Bestand der Ehe seiner Tochter mit dem Beklagten erfolgt. Da die Ehe geschieden worden sei, sei der Grund für die Leistung des Klägers weggefallen bzw. sei der erwartete Erfolg, der Fortbestand der Ehe, nicht eingetreten. Die Unterhaltsleistungen seien niemals in Schenkungsabsicht erbracht worden. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, begehrte der Kläger gemäß § 1042 ABGB den Ersatz von für den Beklagten bis einschließlich November 1979 erbrachter Unterhaltszahlungen, von 29 000 S für den Sohn Hannes, von 6 000 S für die Tochter Christine und 30 000 S für die Gattin Veronika.
Der Beklagte wendete ein, die Unterstützungsleistungen beider Elternteile seien nicht unter dem Vorbehalt des Rückersatzes erbracht worden, sie seien in Schenkungsabsicht und aus verwandtschaftlicher Zuneigung erfolgt. Die Leistungen für die Tochter des Klägers seien auch aus dem Titel des Heiratsgutes erbracht worden. Während der Ehe sei seitens des Klägers ein Rückforderungsvorbehalt niemals geäußert worden. Der Rückforderungswille des Klägers habe nicht zum Zeitpunkt der erbrachten Leistungen bestanden, sondern sei erst auf Grund der Scheidung der Ehe entstanden.
Nachdem im ersten Rechtsgang bereits ein Betrag von 29 113.35 S sA rechtskräftig abgewiesen worden war, sprach das Erstgericht im zweiten Rechtsgang dem Kläger einen Betrag von 35 500 S sA für die Zeit ab Dezember 1979 zu, das Mehrbegehren von 67 000 S sA wies es ab. Es stellte fest, ein konkreter Rückzahlungsvorbehalt sei für die oben genannten Zeiträume niemals geäußert und auch während aufrechter Ehe niemals geltend gemacht worden. Es seien zwischen den Streitteilen niemals Gespräche über finanzielle Belange erfolgt. Wenn auch im Zweifel ein Rückforderungswille zur Zeit, als der Aufwand getätigt worden sei, anzunehmen sei, so seien die hier vorhandenen Umstände bis zur Trennung des Beklagten von seiner Familie nicht geeignet, einen solchen Zweifel zu erzeugen. Es sei davon auszugehen, daß die Zuwendungen des Klägers aus verwandtschaftlicher Zuneigung und mit dem Zweck der Unterstützung der Familie des Beklagten während aufrechter Lebensgemeinschaft erfolgt seien. Die Voraussetzungen nach § 1042 ABGB seien daher für diesen Zeitraum nicht gegeben. Auch auf § 1435 ABGB könne der Kläger seinen Anspruch nicht stützen. Bei laufenden Unterhaltsleistungen, die anstelle des Verpflichteten gewährt und von den Berechtigten laufend verbraucht worden seien, handle es sich nicht um Zuwendungen an den Beklagten, die im Hinblick auf den etwaigen Bestand der Ehe gegeben worden seien.
Nur der Kläger erhob Berufung. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil dieser Berufung teilweise Folge und sprach dem Kläger einen weiteren Betrag von 32 000 S sA zu. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Eine Erledigung der Mängel- und Beweisrüge hielt das Berufungsgericht für unnötig, weil der Anspruch des Klägers aus rechtlichen Gründen dem Gründe nach gerechtfertigt sei. Eine Leistung aus verwandtschaftlicher Zuneigung sage nichts darüber aus, ob der Kläger in Schenkungsabsicht oder mit dem Willen auf Rückforderung geleistet habe. Eine Schenkungsabsicht sei weder festgestellt noch erschlossen. Der Anspruch auf Rückersatz sei grundsätzlich gegeben, wenn der Verkürzte einen Aufwand gemacht habe, den zu machen der Verpflichtete verhalten gewesen wäre. Der Verpflichtete werde nur dann befreit, wenn der Nachweis erbracht werde, daß der Aufwendende den Verpflichteten unentgeltlich von seiner Schuld habe befreien wollen. Ein solcher Schenkungswille müsse bewiesen werden, er sei nicht zu vermuten. Aber selbst wenn man im Rahmen der älteren Judikatur auf einen Rückforderungswillen abstelle, wäre die rechtliche Schlußfolgerung des Erstgerichtes, ein solcher wäre auch im Zweifel nicht anzunehmen, nicht haltbar. Dagegen spreche keineswegs, daß der Kläger eine Rückforderung während des aufrechten Bestandes der ehelichen Gemeinschaft nicht ausdrücklich gefordert habe. Es müsse vielmehr genügen, wenn der Kläger im Hinblick auf den Bestand der Ehe geleistet habe, also bei Kenntnis ihres zukünftigen Scheiterns nicht geleistet oder dann nur unter ausdrücklichem "Rückbehalt" geleistet hätte. Eine derartige Konstruktion sei zwangsläufig für den Leistenden eine Art Zukunftsschau, weshalb die Rechtsprechung keinen strengen Maßstab an den Nachweis des Rückforderungswillens anlege, ihn vielmehr sogar in Fällen, in denen der Verpflichtete im Zeitpunkt der Leistung gar nicht bekannt gewesen sei oder der Leistende für ein vermeintlich eheliches Kind Unterhalt gewährt habe, vermute und unterstelle. Weshalb ein solcher hypothetischer Rückforderungswille des Klägers im Falle der Scheidung seiner Tochter verneint werden sollte, vermöge das Erstgericht auch unter Hinweis auf die Umstände des Falles nicht aufzuzeigen. Zweifellos werde immer dann ein Aufwand für einen anderen erbracht, wenn dieser aus welchen Gründen immer nicht selbst leiste; Unterhaltsreichungen zwischen Verwandten dienten der Unterstützung der verwandtschaftlich verbundenen Familie. All dies aber "verneine" noch nicht den Rückforderungswillen für den Fall einer künftigen Scheidung. Die gesetzliche Unterhaltspflicht des Beklagten könne etwa in der Höhe des gemäß § 273 ZPO ermittelten gewährten Naturalunterhaltes angesetzt werden. Es seien daher für den Zeitraum bis November 1979 für Leistungen zugunsten des minderjährigen Hannes 13 000 S, zugunsten der minderjährigen Christine 3 000 S und zugunsten der Ehegattin Veronika 16 000 S zuzusprechen.
Über die außerordentliche Revision des Beklagten hob der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit ein weiterer Betrag von 32 000 S sA zugesprochen wurde, und im Kostenpunkt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:Wenn in einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, ist bei der im Falle der Abänderung der Entscheidung durch das Berufungsgericht stattfindenden Beurteilung, ob der Beschwerdegegenstand an Geld oder Geldeswert 15 000 S übersteigt (§ 502 Abs. 2 Z 2 ZPO), zu prüfen, ob diese mehreren Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (MietSlg. 34 768; SZ 52/67 ua.; Fasching, Erg.-Bd. 97). Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zwischen Forderungen besteht, wenn jeder der mehreren Ansprüche für sich unabhängig von dem anderen nicht bestehen kann oder wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder aus einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind. Für den rechtlichen Zusammenhang gilt dabei als Kriterium, daß die Ansprüche aus einer Gesetzesstelle abgeleitet werden und miteinander im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (SZ 47/13; SZ 45/117 uva.). Dieser unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang ist zu bejahen: Der Kläger gewährte seiner Tochter und seinen Enkelkindern im eigenen Haushalt durch einheitliche Leistungen Naturalunterhalt, den er nun vom Beklagten als Unterhaltspflichtigem ersetzt verlangt. Es liegen aber auch die Voraussetzungen nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO vor, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen von der ständigen Rechtsprechung des OGH abwich; im übrigen fehlt es zur Lösung der anstehenden Rechtsfragen an einer Judikatur des OGH.
Ständige Rechtsprechung des Höchstgerichtes ist es, daß die Prüfung, ob gemäß § 1042 ABGB ein Forderungswille zur Zeit der Erbringung des Aufwandes vorhanden war, nicht zum Bereich der rechtlichen Beurteilung, sondern zu dem der Tatsachenfeststellungen gehört (EFSlg. 34 497, 30 828; EvBl. 1960/74 ua.; Fasching IV 333). Zur Frage des Forderungswillens stellte das Erstgericht - wenn auch im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung -, davon ausgehend, daß im Zweifel ein Rückforderungswille anzunehmen sein möge, fest, daß "die im gegenständlichen Fall vorhandenen Umstände bis zur Trennung des Beklagten von seiner Familie im Dezember 1979 nicht geeignet sind, einen solchen Zweifel zu erzeugen". Damit zog das Erstgericht aber einen im tatsächlichen Bereich liegenden Schluß, daß auf Grund der Art des damaligen familiären Zusammenlebens der Streitteile beim Kläger der notwendige Rückforderungswille nicht anzunehmen war. Ein Abgehen von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung ist auch nicht mit der Begründung zulässig, das Erstgericht habe aus Beweisergebnissen sich nicht zwingend ergebende Schlüsse gezogen. Auch Schlußfolgerungen im Tatsachenbereich, die in konkreten Feststellungen wurzeln, gehören zur Beweiswürdigung des Erstgerichtes, von denen das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung nicht abgehen darf (SZ 48/120 ua.).
Der Kläger bestritt in seiner Berufung die Richtigkeit der vom Erstgericht festgestellten Voraussetzungen und des sich daraus gezogenen Schlusses. Da das Berufungsgericht von einer anderen Rechtsansicht ausgehend diese Rüge nicht erledigte, erweist sich schon aus diesem Grund die Aufhebung seines Urteiles als unumgänglich.
Was den vom Kläger geltend gemachten Anspruch betrifft, ist es umstritten, ob derjenige, der eine nach dem Gesetz an sich einem anderen obliegende Leistung erbringt, im Zeitpunkt seiner Leistung die Absicht gehabt haben muß, Ersatz vom Zahlungspflichtigen zu verlangen ("animus obligandi"; EvBl. 1971/207; SZ 43/175; dagegen Rummel, ABGB, Rdz. 6 zu § 1042; Stanzl in Klang[2] IV/1, 925); der Forderungswille ist jedenfalls im Zweifel anzunehmen und bedarf im Regelfall keines Beweises durch den Ansprechenden; ein Verzicht wird nicht vermutet (JBl. 1973, 210 ua.; Koziol-Welser[6] I 317). Es wird sogar ein nur hypothetischer Rückforderungswille anerkannt, wenn eine Leistung in der irrigen Annahme erbracht wurde, selbst verpflichtet zu sein, wie etwa die des vermeintlichen Vaters (SZ 33/41) oder bei einem Irrtum über den Tod des primär Unterhaltspflichtigen (SZ 31/8). Es gibt aber auch Leistungen, bei denen die Absicht, Ersatz zu verlangen, nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. So führt Ehrenzweig (II/ [2] 728 f.) aus, daß, wenn ein Verwandter ein Kind mit Kleidern, Lebensmitteln usw. versorgt, es nicht von selbst klar sei, daß die Kosten bloß vorschußweise bestritten werden sollen; in solchen Fällen sei die Absicht, Ersatz zu verlangen, im Zweifel nicht anzunehmen, wenn sie nicht geäußert werde, sobald sich hiezu Anlaß und Gelegenheit ergibt; sie sei also nicht anzunehmen, wenn der Ersatz erst nach Jahren, etwa anläßlich eines Zerwürfnisses, beansprucht werde. Ehrenzweigs Beispiel, Leistungen der unehelichen Mutter anstelle des Vaters, mag nicht sehr passend sein, weil zumindest bei Bestehen eines hier häufigen Spannungsverhältnisses Ersatzwille anzunehmen sein wird; seine Auffassung hat aber sehr wohl für Fälle wie den vorliegenden Bedeutung. Wenn ein Vater seiner Tochter und ihren Angehörigen, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, Naturalunterhaltsleistungen als Beitrag erbringt, damit der Tochter und dem Schwiegersohn die Schaffung einer ehelichen Wohnung ermöglicht wird, kann die Rückforderung gerade vom Schwiegersohn nicht eine zu vermutende Regel sein. Solche Beiträge der Eltern zur Erleichterung der Lebensführung in einer jungen Ehe werden häufig und in aller Regel schenkungsweise erbracht. Sie werden auch im allseitigen Wissen ohne Rücklagen für eine allfällige Rückzahlung durch Anhebung des Lebensstandards konsumiert. Der Grund der Leistung, die Ehe (oder Lebensgemeinschaft) des eigenen Kindes, ist im Zeitpunkt der Hingabe wirklich gegeben, der erwartete Erfolg, die Fortdauer der Ehe, kann im Zweifel nicht als Bedingung für die Nichtrückforderung angesehen werden. Daß eine Ehe scheitern kann, ist bekannt und gehört zum Risiko, das im allgemeinen nicht nur von den Eheleuten, sondern auch von deren Verwandten, die zur Erleichterung der Eheführung beitragen, hingenommen wird, sodaß aus diesem Gründe allein sonst nicht gegebene Ansprüche nicht entstehen bzw. nur ausdrücklich vereinbarte Bedingungen eintreten werden. Naturalunterhaltsbeiträge sind keineswegs Schenkungen von Liegenschaftsanteilen oder ähnlichen Werten, von denen angenommen wird, sie würden unter der Voraussetzung der Dauerhaftigkeit der Ehe gemacht (SZ 48/9 mit Aufs. von Rummel, JBl. 1976, 626, 629), gleichzuhalten. Es muß vielmehr im Zweifel angenommen werden, daß der Leistende einen unbedingten Beitrag zur Deckung der Bedürfnisse der bestehenden Lebensgemeinschaft bzw. der später abgeschlossenen Ehe machte. Der Beitrag des Leistenden wird dann schon durch die tatsächliche Lebensgemeinschaft oder Ehe gerechtfertigt, sodaß er als endgültig anzusehen ist, es sei denn, daß - vor der Leistung - die Rückforderung zwischen den Streitteilen für den Fall der Auflösung der Gemeinschaft vereinbart worden wäre. Der Beklagte müßte, damit der Anspruch des Klägers gerechtfertigt wäre, vor Erbringung der Leistung die vom Kläger allenfalls gesetzte Bedingung (rechtsgeschäftlich) akzeptiert haben, mit anderen Worten, es müßte wirtschaftlich eine Situation bestanden haben, als hätte der Kläger dem Beklagten ein Darlehen gewährt, auf dessen Rückzahlung er so lange verzichtete, als die Lebensgemeinschaft bzw. Ehegemeinschaft bestand. Diese Anspruchsvoraussetzungen hätte der Kläger zu beweisen. Der Kläger rügte das Fehlen entsprechender Feststellungen in seiner Berufung. Damit wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls auseinanderzusetzen haben.
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