OGH 1Ob609/93

OGH1Ob609/9321.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 9. Jänner 1991 verstorbenen Aloisia C*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Manfred Schreiber, Notarsubsitut, Wien 12, Vivenotgasse 1, dieser vertreten durch Dr. Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Z-***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen Offenlegung eines Girokontos der Verstorbenen (Streitwert 100.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Februar 1993, GZ 4 R 287/92-11, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. September 1993, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. September 1992, GZ 25 Cg 19/92-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes unter Wiederherstellung von dessen Kostenentscheidung wie folgt zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden

Partei das erblasserische Girokonto mit der

Nr ***** derart offenzulegen, sodaß

ersehen werden kann, zu wessen Gunsten bzw. auf

welches Sparbuch bei welcher Anstalt mit welcher

Nummer am 10.Jänner 1991 im Rahmen eines

erteilten Dauerauftrages 12.046 S überwiesen

wurden.

2. Das Mehrbegehren des Inhalts, die beklagte

Partei sei schuldig, der klagenden Partei das

erblasserische Girokonto mit der

Nr ***** gänzlich offenzulegen, wird

abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.244,40 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 707,40 S USt) und die mit 5.094 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 849 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 9. Jänner 1991 verstorbene Aloisia C***** war Inhaberin eines bei der beklagten Bank unter der Nr ***** geführten Girokontos, von dem auf Grund eines Dauerauftrages der Verstorbenen noch am 10. Jänner 1991 eine Abbuchung von 12.046 S erfolgt. Mit Schreiben vom 11.Februar 1991 teilte die beklagte Partei dem Gerichtskommissär im Abhandlungsverfahren mit, daß sich am Todestag auf dem Girokonto der Verstorbenen ein Guthaben von 14.267,23 S befunden habe, das Konto aber derzeit nur ein Guthaben von 2.221,23 S aufweise, weil am 10. Jänner 1991 noch ein Dauerauftrag über 12.046 S durchgeführt worden sei. Am 11. Juli 1991 teilte der Vertreter des Gerichskommissärs der beklagten Partei mit, ihm sei bekannt geworden, daß es sich beim Dauerauftrag um einen Sparauftrag zugunsten eines Einlagebuches gehandelt habe, und ersuchte, ihm zur Durchführung der Kraftloserklärung dieses Einlagebuches die erforderlichen Identifikationsmerkmale bekannt zu geben. Die beklagte Partei lehnte dies mit Schreiben vom 23. Juli 1991 ab, weil das Sparbuch vom Gerichtskommissär nicht individualisiert worden sei; sie könne das Sparbuch nicht der Verlassenschaft zuordnen, weil es nach dem Todestag der Verstorbenen der beklagten Partei noch vorgelegt worden sei. Auch ein weiteres gleichlautendes Ersuchen des bestellten Verlassenschaftskurators lehnte die beklagte Partei ab.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der - durch den Verlassenschaftskurator vertretenen - klagenden Verlassenschaft das erblasserische Girokonto mit der Nr ***** gänzlich offenzulegen, sodaß jedenfalls auch ersehen werden könne, zu wessen Gunsten bzw auf welches Sparbuch bei welcher Anstalt mit welcher Nummer am 10. Jänner 1991 im Rahmen eines erteilten Dauerauftrages 12.046 S überwiesen worden seien, statt. In rechtlicher Hinsicht ging die Erstrichterin im wesentlichen davon aus, daß die Abbuchung des Betrages von 12.046 S nicht zu Lebzeiten der Verstorbenen, sondern erst nach ihrem Ableben erfolgt sei. Die zu § 23 Abs 2 Z 2 KWG entwickelte Lehre sei unanwendbar, weil nicht der Gerichtskommissär, sondern der den ruhenden Nachlaß repräsentierende und vertretende Verlassenschaftskurator Klage erhoben habe. Eine Offenbarung des Bankgeheimnisses sei schon begrifflich nur gegenüber Dritten möglich. Gegenüber ihrem Kunden sei die Bank jederzeit zur Auskunft über den Stand der Konten aus der Geschäftsbeziehung und über Kontobewegungen, die der Kunde aus welchem Grund immer nicht mehr nachvollziehen könne, vertraglich verpflichtet.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab, sprach - unanfechtbar (§ 500 Abs 4 ZPO) - aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Rechtlich vertrat die zweite Instanz im wesentlichen die Auffassung, daß sich die Abbuchung des Betrages von 12.046 S auf die Vergangenheit beziehe, der Verlassenschaftskurator nicht dieselben Rechte wie der (verstorbene) Bankkunde habe. Soweit die beklagte Partei zur Auskunft über den Stand der Konten verpflichtet sei, sei sie dieser Auskunftspflicht bereits nachgekommen; die Rechte Dritter, also des Inhabers des Sparbuches, müßten allerdings geschützt bleiben: Im Verlassenschaftsverfahren sei die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses durch § 23 Abs 2 Z 2 KWG durchbrochen, soweit dies zur Erstellung des Inventars erforderlich sei. Somit sei nur in dem Umfang ein Auftrag an die Bank zur Mitteilung des zur Zeit des Ablebens bestandenen Depots und Guthabenstände, nicht aber über die früheren Geschäftsverbindungen gedeckt. Der erbserklärte Erbe habe lediglich die Auskunftsrechte, die zur Inventarerstellung erforderlich seien. Zum Vollrecht werde sein Auskunftsrecht erst mit der Einantwortung. Folge man der Rechtsansicht des Erstgerichtes und der klagenden Partei, dann hätte die Verlassenschaft mehr Rechte als der erbserklärte Erbe. Die Bestellung eines Verlassenschaftskurators sei hier zur Geltendmachung einer Auskunftspflicht im Namen der Verlassenschaft erfolgt; dies sei gesetzlich nicht gedeckt. Das Bankgeheimnis schütze auch die Verstorbene bzw ihre Erben vor abgabenrechtlichen Folgen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und teilweise berechtigt.

Gemäß § 23 Abs 1 erster Satz KWG dürfen die Banken ... Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit dem Kunden .... anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten. Abs 2 dieser Vorschrift bestimmt die Ausnahmen von der Wahrung des Bankgeheimnisses, darunter in Z 2 leg cit. im Falle einer Verlassenschaftsabhandlung gegenüber dem Abhandlungsgericht und dem Notar als Gerichtskommissär. Diese Bestimmung verweist ausdrücklich auf § 98 AußStrG, wonach das Abhandlungsgericht sich "über den Zustand des Vermögens durch Untersuchungen der Verlassenschaftsschriften und der vorhandenen Urkunden, durch eigene Besichtigung der Güter und Fahrnisse, Vernehmung der Erben, Verwandten und Hausgenossen, Benützung der öffentlichen Bücher und Gerichtsakten und andere schickliche Mittel vollständige Aufklärung zu verschaffen hat". Der Anwendungsbereich ergibt sich aus dem Zusammenhalt mit den übrigen Bestimmungen des 5. Abschnittes des AußStrG über das Inventar und das eidesstättige Vermögensbekenntnis (BankArch 1993, 564 mit dem Anm Marsch = ecolex 1993, 20). Nach § 97 AußStrG muß das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit des Todes befunden hat, enthalten. Um sich über den Zustand dieses Vermögens zum Todeszeitpunkt vollständige Aufklärung zu verschaffen, aber auch nur soweit es dieser Zweck erfordert, steht dem Abhandlungsgericht die Bestimmung des § 98 AußStrG zur Verfügung. Die Erhebungen sollen der Klärung der Verlassenschaftszugehörigkeit oder des Wertes einer Sache dienen (BankArch 1993, 564 unter Hinweis auf Avancini, Auskünfte über Sparbücher im Verlassenschaftsverfahren in NZ 1985, 21 ff mwN). Dazu kann das Abhandlungsgericht Auskünfte auch von Banken einholen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß eine bestimmte Spareinlage in den Nachlaß fällt, sie ist aber andererseits auf Auskünfte zu beschränken, die dem Zweck der weiteren Klärung der Nachlaßzugehörigkeit dienen können (Avancini in Avancini - Iro - Koziol, österr. Bankvertragsrecht I Rz 9/93 mwN in FN 176 f). Die Bestimmung des § 98 AußStrG darf nicht verbotswidrigerweise dazu verwendet werden, Auskünfte über Vermögenswerte zu erlangen, die nicht dem im Besitz des Erblassers befindlich gewesenen Vermögen zugehören (HS 10.722).

Von der nach § 23 KWG iVm § 98 AußStrG von der Bank über Anfrage des Gerichtes oder des Gerichtskommissärs zu erteilenden Auskunft (nur) über den Zustand des Vermögens zum Todestag ist das Verhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden zu unterscheiden. § 23 KWG ist nur im Verhältnis zu einem Dritten anwendbar, weil die Offenbarung eines Bankgeheimnisses schon begrifflich nur gegenüber Dritten möglich ist (BankArch 1993, 564; NZ 1986, 35 = RdW 1985, 271 mwN; SZ 54/26; 3 Ob 600/83 ua). Dem Kunden gegenüber ist die Bank jederzeit zur Auskunft über den Stand der Konten und die Einzelheiten der Geschäftsbeziehung nach bürgerlichem Recht verpflichtet. Grundlage für den Dauerauftrag der Verstorbenen, über den nun Auskunft gegeben werden soll, ist ein Girovertrag. Ein solcher wird durch den Tod des Kontoinhabers nicht aufgelöst (SZ 54/28; Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 71). War aber die beklagte Partei gegenüber der Verstorbenen auskunftspflichtig, dann ist sie dies auch gegenüber dem Nachlaß und dem zu seiner Vertretung bestimmten Verlassenschaftskurator (§ 78 AußStrG), dem gegenüber eine Berufung auf das Bankgeheimnis nicht in Betracht kommt. Nach einheitlicher Rechtsprechung, kommt dem ruhenden Nachlaß des verstorbenen Bankkunden die Eigenschaft eines Bankkunden ebenso zu wie dem Verstorbenen selbst (BankArch 1993, 564; NZ 1986, 35 mwN; Laurer in Fremuth-Laurer-Pötzelberger-Ruess, Handkommentar zum Kreditwesengesetz2 414).

Von der beklagten Partei wird dagegen ins Treffen geführt, daß selbst dem erbserklärten Erben (vor Einantwortung des Nachlasses) ein derart weitgehender Auskunftsanspruch nicht zustehe und der Verlassenschaftskurator für die Erben tätig werde, ihm daher keine weitergehenderer Auskunftsanspruch zustehen könne. Der Verlassenschaftskurator ist indes nicht Vertreter von Beteiligten im Abhandlungsverfahren, sondern der vom Gericht bestellte Vermögensverwalter und Vertreter des ruhenden Nachlasses (4 Ob 501/92; Knell, Kuratoren 103). Er vertritt nicht die Erben (SZ 61/239; 3 Ob 501/79) und hat insbesondere auch nicht die Interessen einzelner oder aller erbserklärten Erben zu wahren, wenn er auch - im Ergebnis - durch die Vertretung des Nachlasses materiell für diejenigen handelt, die sich später als die wahren Erben herausstellen. Nur in diesem Sinn vertritt er die „Erben in abstracto“, aber nicht bestimmte Erben (4 Ob 501/92; Knell aaO 103). Schon deshalb ist es nicht angängig, die Frage, welcher Auskunftsanspruch dem durch den Verlassenschaftskurator vertretenen Nachlaß zusteht unter dem Gesichtspunkt des Auskunftsanspruches eines Erben zu beurteilen, zumal die Rechtsstellung des Erben vor und nach der Erbserklärung, bei widersprechenden Erbserklärungen und letztlich nach Übertragung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses (§ 810 ABGB iVm § 145 AußStrG) durchaus auch in Ansehung des ihm zustehenden Auskunftsrechtes verschieden beurteilt werden kann. Schinnerer-Avancini (aaO I 192) bejahen die Auskunftspflicht gegenüber dem Verlassenschaftskurator und gegenüber dem erbserklärten Erben, dem die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses eingeräumt wurde, uneingeschränkt. Auch Avancini (aaO I Rz 2/109) bejaht Auskunftsansprüche der Verlassenschaft, vertreten durch den Nachlaßkurator oder den erbserklärten Erben (ohne weitere Einschränkung), wobei hervorgehoben wird, daß der Verlassenschaft und dem Erben als Universalsukzessor das Auskunftsrecht in dem Umfang und unter den gleichen Voraussetzungen zusteht, wie es der Erblasser hatte. Nur bei Legataren und Gläubigern, denen Vermögen im Rahmen einer Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt übertragen wurde, werden Einschränkungen gemacht. Der Auskunftsanspruch ist auch kein höchstpersönlicher und damit unvererblicher, weil dieser Anspruch nach herrschender Auffassung auch dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger zusteht. Ob Zahlungen zu Lasten des erblasserischen Girokontos nach dem Tod des Erblassers geheim gehalten werden sollen, sei es gegenüber der Finanzverwaltung oder aus Gründen der Schenkungsanrechnung bei Ermittlung des Pflichtteils, hat nur der die Verlassenschaft verwaltende Kurator zu beurteilen, nicht aber das Kreditinstitut. Wenn geltend gemacht wird, daß bei der Annahme schenkungssteuerpflichtiger Zahlungen die vorzeitige Offenlegung mit abgabenrechtlichen Konsequenzen verbunden wäre, so ist dem entgegen zu halten, daß auch bei Mitteilung des Kontostandes im Zeitpunkt des Todes des Erblassers an das Verlassenschaftsgericht bzw den Gerichtskommissär solche abgabenrechtlichen Nachteile entstehen können. Auch in diesem Fall werden solche Umstände Personen bekannt, denen möglicherweise wegen eines Erbrechtstreits Erbenqualität nicht zukommt. Da im vorliegenden Fall der Auskunftsanspruch des Nachlasses in seiner Eigenschaft als Vertragspartner der beklagten Partei geltend gemacht wird, ist der Auskunftsanspruch grundsätzlich zu bejahen. So wie der Verstorbenen selbst eine Überprüfung ihrer Disposition und bei rechtlichem Interesse ein Auskunftsanspruch zugestanden wäre, steht dieses Recht auch dem Nachlaß zu.

Richtig ist allerdings, daß das Klagebegehren insoferne zu weit gefaßt ist, als ein rechtliches Interesse daran, das Girokonto der Verstorbenen „gänzlich“ offenzulegen, was praktisch eine Offenlegung seit dem Bestehen der Kontoverbindung bedeuten würde, nicht geltend gemacht wurde.

Der Revision ist demnach teilweise Folge zu geben und das klagsstattgebende Ersturteil in dem aus dem Spruch ersichtlichen eingeschränkten Umfang teilweise wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung fußt auf § 43 Abs 2 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte