OGH 1Ob593/95

OGH1Ob593/9527.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekurs- und Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter C*****, vertreten durch Dr.Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision und Rekurses der klagenden Partei gegen das Teilurteil bzw. den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 12.Jänner 1995, GZ 49 R 419/94-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 6.September 1994, GZ 9 C 402/92-23, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I. Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß (Punkt II) wird ebenso wie die Revision, soweit mit dieser Nichtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts geltend gemacht wird, zurückgewiesen.

II. Im übrigen wird der Revision Folge gegeben. Das angefochtene Teilurteil, das in seinem Punkt I 1 (Räumung des Hofs) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im restlichen Umfang (Punkt I.2 und 3) aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger vermietete der beklagten Partei die im Haus in W*****, befindlichen, für den Betrieb einer Gastwirtschaft bestimmten Räumlichkeiten, und zwar zunächst ein Schankraum, ein Gastraum, ein Extrazimmer, ein ehemaliges Espressostüberl, ein Weinlagerraum, eine Küche und ein WC im Ausmaß von etwa 150 m2 sowie ein etwa 300 m2 großer Garten. Späterhin wurden die Mieträumlichkeiten um einen Lagerraum, einen Gang und um Weinzisternen mit 20.000 l Lagerkapazität erweitert. Der Mietvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, der Kläger verzichtete bis zum 31.12.2010 auf eine Kündigung. Laut Mietvertrag war die Mieterin berechtigt, beliebige Investitionen, auch solche baulicher Art, vorzunehmen. Die Außenseiten des Lokals durften allerdings nur entsprechend dem in S***** ortsüblichen Charakter gestaltet werden. Bei jeder Veränderung war die Zustimmung des Vermieters einzuholen.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zur Räumung der im beigelegten Plan rot eingezeichneten Teile der Liegenschaft, und zwar der Gastwirtschaftsräumlichkeiten, des Gastgartens und des Lagers sowie der im Plan blau eingezeichneten titellos benutzten Teile dieser Liegenschaft, also der Hoffläche, des Hauseingangs, der Hauszufahrt und des Gartens. Die beklagte Partei benutze den Hof zur Ablagerung von Müll und anderen Gegenständen; es sei zu einer erheblichen Verschmutzung und zu Ungezieferbildung, im Jahre 1992 sogar zum Rattenbefall gekommen. Sie habe ohne Einwilligung des Vermieters und ohne Bestellung eines Bauführers ein Fenster entfernt und einen Türdurchbruch hergestellt. Auch im Lokalinneren seien konsenslose Umbauten vorgenommen worden. Im Gastgarten habe die beklagte Partei ohne Bewilligung zwei Bäume entfernt und einen Baum gestutzt. Durch Müllentleerung zur Nachtzeit sei unzumutbarer Lärm erregt worden. Schließlich seien im September 1993 im Lagerraum ohne Bewilligung des Klägers bzw der Behörde Bauführungen erfolgt. Demnach sei der Kläger zur Aufhebung des Mietvertrags gemäß § 1118 erster Fall ABGB berechtigt.

Die beklagte Partei wendete ein, die Müllagerung sei sachgerecht und mit Zustimmung des Klägers erfolgt, der Rattenbefall sei auf vom Kläger vorgenommene Abbrucharbeiten zurückzuführen, das Zurückstutzen eines Baums sei aus Sicherheitsgründen unbedingt nötig geworden und die Umbauarbeiten seien mit Genehmigung und sogar über Ersuchen des Klägers erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Der Kläger habe auf die Geltendmachung des Umbaus des Lokaleingangs und des Fällens zweier Bäume im Jahre 1990 als Gründe für die Vertragsaufhebung konkludent verzichtet. Die Durchführung von Dachdeckerarbeiten in Eigenregie und ohne Beiziehung von Fachleuten sowie ohne die erforderliche Zustimmung des Klägers berechtigten diesen dagegen ebenso wie die Unterlassung der notwendigen Vorkehrungen zur Verhinderung der Rattenplage zur Aufhebung des Bestandvertrags.

Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, daß es die beklagte Partei mit Teilurteil schuldig erkannte, den im angeschlossenen Plan innerhalb der blau umrandeten Fläche ersichtlichen Hof der Liegenschaft (also mit Ausnahme des Ganges, der Hauseinfahrt und des Gartens) unter Belassung der darauf befindlichen Müllcontainer zu räumen (Punkt I 1), aber das Mehrbegehren auf Räumung der im Plan rot eingezeichneten Teile der Liegenschaft, und zwar der Gastwirtschaftsräumlichkeiten, des Gastgartens und des Lagers sowie des im Punkt I 1 genannten Hofs abwies (Punkt I 2); es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs (richtig: die ordentliche Revision) nicht zulässig sei. Soweit das Erstgericht die beklagte Partei zur Räumung der in dem Plan blau eingezeichneten übrigen Teile der Liegenschaft, also des Hauseingangs, der Hauszufahrt und des Gartens, verhielt, hob das Berufungsgericht dessen Urteil auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (Punkt II). Es führte aus, das Erstgericht habe als alleinigen Grund für die Vertragsaufhebung die ungerechtfertigte Bauführung durch die beklagte Partei (Errichtung eines neuen Flachdachs über dem Lager ohne Beiziehung von Fachleuten) angenommen. Ohne Substanzgefährdung stelle selbst eine gegen den Willen des Vermieters und ohne Beiziehung befugter Gewerbsleute vorgenommene Umgestaltung eines Bestandobjekts keinen erheblich nachteiligen Gebrauch dar. Eine Substanzgefährdung sei aber durch die von der beklagten Partei vorgenommenen Umbauarbeiten nicht hervorgerufen worden. Zu Recht habe das Erstgericht den Verzicht des Klägers auf die Geltendmachung der allfälligen Auflösungsgründe „Umbau des Lokaleingangs“ bzw „Fällen der Bäume“ angenommen. Das Abstellen der Müllcontainer im Hof sei mit Zustimmung des Klägers geschehen. Die festgestellte Unsachgemäßheit der Müllentsorgung sei in ihrer konkreten Ausformung nicht so gravierend, daß ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstandes vorliege. Das Begehren auf Räumung der vermieteten Räumlichkeiten sei demnach unberechtigt. Berechtigt sei hingegen das Begehren auf Räumung des nicht vermieteten Hofs, zumal den nicht konkret bekämpften Feststellungen nach dieser auch zur Ablagerung von Gerümpel gedient habe. Da der beklagten Partei aber weiterhin ein Benutzungsrecht des Hofs für den Müllcontainer zustehe, sei sie nicht zur Übergabe, sondern nur zur Räumung verpflichtet. Hinsichtlich der begehrten Räumung des Hauseingangs, der Hauszufahrt und des Gartens der Liegenschaft sei das Verfahren noch nicht spruchreif, weil es an Feststellungen mangle, ob diese Teile der Liegenschaft durch die beklagte Partei überhaupt benützt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers gegen das Teilurteil ist berechtigt, der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß unzulässig.

1. Der Revisionswerber meint, Punkt I 1 des Teilurteils des Gerichts zweiter Instanz und dessen Aufhebungsbeschluß seien in sich widersprüchlich. Dort habe das Berufungsgericht ausgesprochen, daß der im Plan innerhalb der blau umrandeten Fläche ersichtliche Hof der Liegenschaft (mit Ausnahme des Ganges, der Hauseinfahrt und des Gartens) zu räumen sei. Demgegenüber habe das Berufungsgericht die Räumung des Hauseinganges, der Hauszufahrt und des Gartens zum Gegenstand seines Aufhebungsbeschlusses gemacht: Es sei daher nicht klar, welche Flächen von den Aussprüchen des Berufungsgerichts jeweils exakt betroffen seien, weshalb Nichtigkeit gemäß § 477 Abs.1 Z 9 ZPO vorliege.

Den Ausführungen des Klägers ist zwar darin zuzustimmen, daß in dem den Urteilen der Vorinstanzen angeschlossenen Plan die Begriffe Hauseinfahrt und Gang (Punkt I 1 des Teilurteils entsprechend) Verwendung finden und die Begriffe „Hauseingang“ und „Hauszufahrt“ diesem Plan tatsächlich nicht zu entnehmen sind; jedoch ist trotz dieser gewiß nicht exakten Formulierung des Aufhebungsbeschlusses aus dem Zusammenhang mit der übrigen Entscheidung deutlich genug zu erkennen, daß mit dem „Hauseingang“ der „Gang“ und mit der „Hauszufahrt“ die „Hauseinfahrt“ laut Plan gemeint sind. Dies erkennt im übrigen auch der Revisionswerber selbst, indem er ausführt, die Punkte I 1 und II könnten durch die Kriterien „blau umrandete Flächen“ und „Hof“ in eine sinnvolle Ordnung gebracht werden.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich somit nicht als in sich widersprüchlich oder gar unüberprüfbar, sodaß der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs.1 Z 9 ZPO zu verneinen ist.

2. Die Bekämpfung des Aufhebungsbeschlusses „mittels der Revision“ ist als Rekurs zu werten. Wie der Kläger selbst richtig ausführt, ist der Rekurs gegen einen solchen Beschluß des Berufungsgerichtes ohne einen darin aufgenommenen Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, unzulässig. Zur Begründung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels beschränkt sich der Kläger auf den Hinweis, daß das Teilurteil und der Aufhebungsbeschluß zueinander in Widerspruch stünden. Da dies, wie schon zur behaupteten Nichtigkeit ausgeführt, jedoch nicht zutrifft, ist der Rekurs des Klägers als unzulässig zurückzuweisen.

3. Soweit der Revisionswerber das Urteil des Gerichts zweiter Instanz als widersprüchlich gefaßt bezeichnet, weil in diesem von „rot“ eingezeichneten Teilen des Bestandobjekts die Rede, die Farbgebung aber nur blau bzw gelb sei, genügt der Hinweis, daß das Berufungsgericht einen entsprechenden Berichtigungsbeschluß gefaßt hat.

Entgegen der Ansicht der zweiten Instanz hat das Erstgericht nicht nur die eigenmächtige Bauführung als Grund zur Aufhebung des Vertrags im Sinne des § 1118 ABGB angenommen, sondern auch die unsachgemäße Lagerung von Speiseresten, die zum Auftreten einer Rattenplage geführt habe (S.5 bzw 8 des Ersturteils). Das Gericht zweiter Instanz hat sich allerdings ohnehin auch mit diesem Aufhebungsgrund befaßt (S.6 des Berufungsurteils). Entgegen dessen Auffassung ist die festgestellte „unsachgemäße Müllentsorgung“ - daß also die Müllcontainer zum Teil offen seien, sich darin Speisereste befänden, insbesondere Fleisch- und Knochenreste offen gelagert würden, im April 1992 eine braun-rote Sauce von den Müllcontainern quer über den Hof gelaufen und es schließlich deshalb zu einem Rattenbefall gekommen sei, wobei sowohl herumhuschende als auch tote Ratten wahrzunehmen gewesen seien (siehe S.5 des Ersturteils) - als erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinne des § 1118 ABGB zu beurteilen (8 Ob 512/94; EvBl 1992/134; WoBl 1991, 136; MietSlg 42.307, 42.131, 41.134, 40.168, 39.418, 38.443, 34.413, 31.354; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 17 zu § 30 MRG). In der unsachgemäßen Lagerung von Speiseresten kann nicht, wie das Gericht zweiter Instanz meint, ein „üblicher Gebrauch“ des Bestandgegenstandes erblickt werden (vgl 7 Ob 628/91; 3 Ob 551/90; Miet 40.418). Allerdings wurden die erstgerichtlichen Feststellungen über die unsachgemäße Müllentsorgung bzw die Rattenplage von der beklagten Partei mit ihrer Berufung bekämpft; das Berufungsgericht ist infolge seiner verfehlten Rechtsansicht auf die Tatsachen- und Beweisrüge der beklagten Partei nicht eingegangen: Das Gericht zweiter Instanz wird die Erledigung dieses Teils der Berufungsausführungen im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben. Das gilt auch für die Feststellung, der Kläger habe der beklagten Partei die Aufstellung der Müllcontainer im Hof gestattet, die jener als unrichtig bekämpft; diese zulässige Beweisrüge (SZ 54/160) wird gleichfalls zu prüfen sein.

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, daß der vom Vermieter als Vertragsaufhebungsgrund geltend gemachte Umbau nicht als erheblich nachteiliger Gebrauch zu werten ist (1 Ob 562/94; WoBl 1992, 143; 3 Ob 595/90; 8 Ob 567/90; MietSlg 34.260; SZ 48/132; MietSlg 17.401 ua); die Revision geht auf diesen Aufhebungsgrund ebenso wie auf die übrigen behaupteten Verhaltensweisen der beklagten Partei auch gar nicht mehr ein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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