OGH 8Ob512/94

OGH8Ob512/9430.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Jelinek, Dr. Rohrer und Dr. Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) G***** C*****, *****

2.) I***** B*****, ***** und 3.) Ing. W***** R*****, ***** sämtliche vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Marktgemeinde B*****, ***** vertreten durch Dr. Remigius Etti und Dr. Günter Retter, Rechtsanwälte in Brunn am Gebirge, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1993, GZ 48 R 306/93-10, womit infolge Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 26. November 1992, GZ 3 C 909/92h-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 4.348,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich 724,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit "Pachtvertrag" vom 18. Dezember 1985 gab der Rechtsvorgänger der klagenden Parteien die Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches B*****, bestehend aus den Grundstücken ***** Baufläche und ***** Garten, beginnend am 1. Jänner 1986 für die Dauer von 10 Jahren - abgesehen von einer Verlängerung um je ein weiteres Jahr, wenn der Vertrag nicht unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigunsgfrist zum 31. Dezember eines jeden Kalenderjahres gekündigt wird - der beklagten Marktgemeinde zwecks Verwendung als öffentlicher Parkplatz in Bestand.

Die Kläger begehren mit der vorliegenden Klage die Räumung dieser Liegenschaft und deren Übergabe mit dem Vorbringen, die beklagte Partei gebrauche das Bestandobjekt erheblich nachteilig, indem sie das im Bauland gelegene und als solches im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Grundstück ohne Zustimmung oder Kenntnis der klagenden Parteien zur Verkehrsfläche umgewidmet habe. Durch diese Umwidmung sei das Grundstück praktisch wertlos geworden; die beklagte Partei habe sich eines Hoheitsaktes bedient, um privatwirtschaftliche Interessen zu verfolgen.

Die beklagte Partei wendete ein, sie sei im Zuge der Raumordnung zur Wahrung des öffentlichen Interesses verpflichtet und habe das gepachtete Grundstück entsprechend seiner vereinbarten Verwendung als Parkfläche zur Verkehrsfläche umgewidmet. Den klagenden Parteien sei mitgeteilt worden, es werde nach Beendigung des Pachtvertrages die ursprüngliche Widmung "Bauland, Kerngebiet" wieder hergestellt werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse erfolgte Umwidmung durch die beklagte Partei sei kein "erheblich nachteiliger Gebrauch" im Sinne des § 1118 ABGB. Zufolge Bindung an den rechtskräftigen Verwaltungsbescheid sei eine inhaltliche Prüfung für das Gericht ausgeschlossen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Umwidmung müsse im Verwaltungsverfahren erfolgen, die Widmung als Verkehrsfläche entspreche der vereinbarten Verwendung im Bestandvertrag. Während des aufrechten Bestandverhältnisses seien die klagenden Parteien durch eine der tatsächlichen Verwendung entsprechende Umwidmung nicht beeinträchtigt.

Das Berufungsgericht gab der gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu. In seiner Entscheidungsbegründung führt es aus:

Der Auflösungsgrund nach § 1118 erster Fall ABGB setze neben einem erheblichen Nachteil für den Vermieter eine vertragswidrige Benützung der Bestandsache durch den Bestandnehmer voraus. Die bloße Verletzung wirtschaftlicher Interessen ohne einen damit verbundenen nachteiligen Gebrauch reiche nicht aus. Die Umwidmung bringe hier zwar einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil für den Bestandgeber mit sich, die verwaltunsgrechtliche Umwidmung sei aber nicht die Folge einer erheblich nachteiligen Benützung. Diese Umwidmung sei in Ausübung von Hoheitsgewalt erfolgt. Die beklagte Partei sei einerseits als Privatrechtssubjekt Vertragspartner der klagenden Parteien und benütze vertragsgemäß die Bestandfläche. Die Umwidmung hätte andererseits unabhängig von der Inbestandnahme der Liegenschaft durch die beklagte Partei erfolgen können. Es wäre undenkbar, die Ausübung von Hoheitsgewalt durch die beklagte Partei durch Vertrag einzuschränken. Die beklagte Partei habe vielmehr öffentliche Interessen zu wahren. Allenfalls könnte sie für ein Verschulden beim Vertragsabschluß haften, womit aber nicht der besondere Aufhebungstatbestand erfüllt werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Parteien aus den Gründen der Mangelhaftigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das berufungsgerichtliche Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, deren Erstattung ihr freigestellt wurde, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage des Vorliegens eines erheblich nachteiligen Gebrauches eines gepachteten Grundstückes im Falle seiner Umwidmung eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO); die Rüge von Feststellungsmängeln ist der Rechtsrüge zuzuordnen.

In Gang gesetzte Dauerschuldverhältnisse können aus wichtigen Gründen vorzeitig beendet werden, wobei die Auflösung ex-nunc ab Beginn der Erfüllung an die Stelle des Rücktritts durch § 918 ABGB mit ec-tunc Wirkung tritt (Würth-Rummel, ABGB**2, Rz 2 zu § 1118 mwN; SZ 57/186 = MietSlg. 36.182; JBl 1992, 187). Es wird also eine entsprechende Gewichtigkeit vorausgesetzt, wie dies in dem Tatbestandsmerkmal erheblich nachteiliger Gebrauch im § 1118 ABGB zum Ausdruck kommt. Unter einem solchen ist jedes Verhalten des Vertragspartners zu verstehen, das die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar macht. Aber nur ein Verhalten, das nicht vorhersehbar war und erkennbar schwerwiegende Interessen der anderen Partei gefährdet, stellt den Auflösungsgrund her.

In der vorliegenden Klage samt der Ergänzung in der Verhandlung vom 9. September 1992 (ON 4, AS 16) wird zwar auch eine Verletzung vertraglicher Schutz- und Aufklärungspflichten mit der Begründung behauptet, die beklagte Partei habe ihre Absicht der Widmungsänderung nicht bekanntgegeben und die Umwidmung des Bestandgegenstandes von Bauland in Verkehrsfläche schädige die Kläger und entwerte ihre Liegenschaft, ohne daß aber die erforderlichen Tatsachenbehauptungen, aus denen sich eine konkrete Schädigung der Kläger ergeben würde, angeführt werden. Auf Grund der im Vertrag vereinbarten wenigstens 10-jährigen Nutzung als öffentlicher Parkplatz war die (vorübergehende) Umwidmung im Flächenwidmungsplan auch durchaus vorhersehbar.

Aus der bloßen Befürchtung, der andere Vertragsteil werde sich in Zukunft vertragswidrig verhalten, ist ein gegenwärtiger erheblicher nachteiliger Gebrauch nicht abzuleiten. Der Wegfall des Vertrauens zum anderen Vertragsteil (vgl. SZ 57/186 = MietSlg 36.182) kann zwar grundsätzlich einen Auflösungsgrund bilden, Besorgnisse, die nicht durch ein gegenwärtiges Verhalten objektiv gerechtfertigt sind, berechtigen aber nicht auch schon zur Auflösung des Dauerschuldverhältnisses. Die klagenden Parteien haben hier nichts vorgebracht, woraus mit Grund geschlossen werden könnte, die beklagte Partei werde - entgegen ihrer Erklärung - nach Ende des Bestandverhältnisses (voraussichtlich 31. Dezember 1995) die Rückwidmung der Bestandfläche ablehnen.

Aus diesen Erwägungen sind die klagenden Parteien zur vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses nicht berechtigt.

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