OGH 1Ob581/90

OGH1Ob581/9012.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Parteien 1. Franz H***, Landwirt, Linz-Ebelsberg, Waldbothenweg 40, 2. Theresia H***, Landwirtin, ebendort, beide vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wider die Gegnerin der antragstellenden Parteien R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Entschädigungsleistung nach dem Munitionslagergesetz, BGBl. 1967/197, über den Revisionsrekurs beider Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 12. Februar 1990, GZ. 18 R 27/90-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 16. November 1989, GZ. 1 Nc 55/89-4, teilweise aufgehoben und ihm teilweise nicht Folge gegeben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Erstantragstellers wird zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin wird nicht Folge gegeben.

Die Zweitantragstellerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der BMLV bestimmte auf Grund des § 23 Abs 2 iVm § 1 des BG über militärische Munitionslager (MunitionslagerG), BGBl 1967/197, mit der am 12. Juli 1968 in Kraft getretenen Verordnung (VO) vom 14. Juni 1968, BGBl 1968/226, den Gefährdungsbereich des Munitionslagers Ebelsberg.

Rosina H*** beantragte am 11. Juli 1969 beim Bezirksgericht Linz zu 1 Nc 62/69, den Entschädigungsbetrag für die ihr durch die Errichtung des Munitionslagers Ebelsberg entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile mit S 1,018.200 festzusetzen, weil sie als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 11 KG Wambach einen Schaden durch Wertminderung infolge des Gefährdungsbereiches des Munitionslagers Ebelsberg erlitten habe. Am 29. Dezember 1969 übergab Rosina H*** die Liegenschaft an ihren Sohn, den Erstantragsteller; im Jahre 1970 wurde auch dessen Ehefrau, die Zweitantragstellerin, Hälfteeigentümerin der Liegenschaft. Rosina H*** verstarb am 3. Jänner 1970; ihr Nachlaß wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Linz vom 3. März 1970, GZ. 3 A 38/70-6, zu je einem Drittel ihren unbedingt erbserklärten Kindern, darunter auch dem Erstantragsteller, eingeantwortet. Anstelle der übergebenen Liegenschaft wurde nur noch eine Forderung aus dem Übergabsvertrag der Verlassenschaftsabhandlung unterzogen. Am 15. November 1971 teilte der damalige Vertreter Rosina H*** dem Bezirksgericht Linz mit, bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines gleichgelagerten Verfahrens an der Fortführung der Rechtssache nicht interessiert zu sein. Daraufhin stellte das Erstgericht das Verfahren ein und sprach aus, daß das Verfahren nur über Antrag fortgesetzt bzw wiederaufgenommen werde.

Am 25. August 1989 beantragten die Antragsteller die Verfahrensfortsetzung durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Nach Einholung einer Äußerung der Antragsgegnerin wies das Erstgericht den Fortsetzungsantrag mit der Begründung zurück, daß nach der analog anzuwendenden Bestimmung des § 234 ZPO der Erwerber einer in Streit verfangenen Sache nicht berechtigt sei, ohne - hier fehlende - Zustimmung des Gegners als Hauptpartei ins Verfahren einzutreten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Zweitantragstellerin nicht, dem des Erstantragstellers aber Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß in diesem Umfang auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Im Entschädigungsverfahren nach dem MunitionslagerG sei wegen dessen Ähnlichkeit mit einem Prozeßrechtsverhältnis § 234 ZPO analog anzuwenden. Nach § 234 ZPO habe die Veräußerung einer streitverfangenen Sache der Forderung auf den Prozeß keinen Einfluß, der Erwerber sei also nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners als Hauptpartei ins Verfahren einzutreten. Bei Fehlen der Zustimmung des Gegners könne das Verfahren nur von der ursprünglichen Antragstellerin bzw ihren Erben fortgesetzt werden. Das Erstgericht habe die Erbeneigenschaft des Erstantragstellers zwar festgestellt, aber rechtlich nicht gewürdigt. Ein Forderungsübergang vor Streitanhängigkeit sei von der Zweitantragstellerin nicht behauptet worden. Das Vorbringen, die Liegenschaft sei durch Übergabsvertrag erworben worden, beinhalte schon deshalb keinen Übergang der Entschädigungsforderung auf die Antragsteller, weil Schadenersatzansprüche nach dem MunitionslagerG nicht als Zubehör der entwerteten Liegenschaft angesehen werden könnten; mangels besonderer Vereinbarung habe der Entschädigungsanspruch nicht ex lege dasselbe rechtliche Schicksal wie die durch das MunitionslagerG entwertete Liegenschaft. Deshalb habe nur der Erstantragsteller als Erbe der ursprünglichen Antragstellerin Rosina H*** im Rahmen der Erbquote die Legitimation zur Fortsetzung des Verfahrens, nicht hingegen die Zweitantragstellerin, die einen Forderungserwerb vor Streitanhängigkeit nicht behauptet habe und der die Erbeneigenschaft nicht zukomme. Die Verfahrensfortsetzung durch den Erstantragsteller bedürfe nicht der Zustimmung der übrigen Erben, weil die Erbengemeinschaft keine Gesamthandgemeinschaft, sondern in Ansehung teilbarer Forderungen eine Gläubigermehrheit darstelle. Gemäß §§ 888 f ABGB sei in diesem Fall ein Teilschuldverhältnis anzunehmen. Der Erstantragsteller als Miterbe könne zu einer Quote von einem Drittel zum Zwecke der Geltendmachung seines Anteils die Fortsetzung des Entschädigungsverfahrens begehren.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Rekursgericht gemäß § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989 zugelassene Revisionsrekurs der beiden Antragsteller ist in Ansehung des Erstantragstellers zurückzuweisen, weil dieser angesichts der ihm von der zweiten Instanz ohnehin zugebilligten Antragslegitimation zur Rechtsmittelerhebung nicht durch ein Rechtsschutzinteresse legitimiert ist, in Ansehung der Zweitantragstellerin ist er nicht berechtigt.

Gemäß § 15 MunitionslagerG hat Anspruch auf angemessene Entschädigung, wer infolge der §§ 10 bis 12 im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung über die Bestimmung des Gefährdungsbereiches eines Munitionslagers gemäß §§ 7, 9 und 23 oder infolge eines Bescheides gemäß § 5 einen vermögensrechtlichen Nachteil erleidet. Für die Ermittlung ist nach § 16 leg. cit. die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung maßgeblich. Intention des Gesetzgebers war es, daß jeder, der durch die Bestimmung des Gefährdungsbereiches eines Munitionslagers vermögensrechtliche Nachteile erleidet, im Enteignungsverfahren entschädigt wird und selbst als Partei einschreiten kann. Der bücherliche Eigentümer ist jedenfalls anspruchsberechtigt iS des § 15 MunitionslagerG (EvBl 1982/18). Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die Bestimmung des Gefährdungsbereiches des Munitionslagers (423 BlgNR 11.GP, 10; SZ 60/269, SZ 51/23; Ermacora-Kopf-Neisser,

Das österr. Wehrrecht III2 161). Diese zeitliche Beschränkung der Anspruchslegitimation ist entgegen dem Vorbringen im Revisionsrekurs nicht unbillig, weil bei einem späteren rechtsgeschäftlichen Erwerb der Liegenschaft sich die Belastungen der Liegenschaft durch ein Munitionslager im Preis niederschlagen können und auch im gerichtlichen Verfahren zur Festsetzung der Enteignungsentschädigung nur Partei ist, wer im Zeitpunkt der Einleitung des Verwaltungsverfahrens Eigentümer der in Anspruch genommenen Sache war (SZ 56/82; JBl 1974, 202; 7 Ob 702/84, 5 Ob 751/80; Pimmer in Schwimann, Rz 28 zu § 365 ABGB) und daher im Enteignungsbescheid als Enteigneter bezeichnet wurde (5 Ob 751/80). Personen, auf die erst nach dem Zeitpunkt der Einleitung des Verwaltungsverfahrens das Eigentum übergeht, sind nicht anspruchsberechtigt; sie können ihre allfälligen Ansprüche nicht gegen den Enteigner, sondern nur gegen den Enteigneten geltend machen. Nichts anderes kann aber dann für den durch generellen Akt hervorgerufenen Vermögensnachteil nach § 15 MunitionslagerG gelten.

Gemäß § 234 ZPO hat die Veräußerung einer im Streit verfangenen Sache oder Forderung auf den Prozeß keinen Einfluß. Die Bestimmung des § 234 ZPO ist nach Lehre und Rechtsprechung eine Schutzvorschrift, die verhindern soll, daß sich eine Partei durch Veräußerung des Streitgegenstands ihrer Sachlegitimation entledigt und dadurch einen Anspruch des Gegners zum Scheitern bringt (JBl 1989, 787; MietSlg 35.775; RZ 1977/164 ua; Fasching III 96 und Lehrbuch2 Rz 1199). Unter Veräußerung des Streitgegenstands ist jede Art der Einzelrechtsnachfolge auf Seite jeder der Parteien des Prozesses zu verstehen (JBl 1989, 787; MietSlg 35.775; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1195). Auf die Gesamtrechtsnachfolge ist sie demgemäß nicht anzuwenden. Nach § 18 Abs 4 MunitionslagerG iVm § 24 EisbEG, BGBl. 1954/71, finden auf das gerichtliche Entschädigungsverfahren die Vorschriften des AußStrG Anwendung. Die Zweitantragstellerin rügt die analoge Anwendung des § 234 ZPO im außerstreitigen Verfahren nach dem MunitionslagerG durch die Vorinstanzen. Für alle Außerstreitverfahren gelten neben den Normen der Gerichtsverfassung und der JN die Bestimmungen der §§ 1 - 19 AußStrG, soferne nicht Sondergesetze anderes vorsehen (Feil, Verfahren außer Streitsachen 6). Unmittelbare Anwendung finden die Bestimmungen der ZPO nur insoweit, als in den außerstreitigen Rechtsquellen darauf verwiesen wird, sonst aber nicht (Feil aaO). Das schließt aber nicht aus, auftretende Gesetzeslücken durch eine die Grundsätze der Amtswegigkeit nicht verfälschende analoge Anwendung der ZPO zu schließen (Dolinar, Österr.

Außerstreitverfahrensrecht, Allgemeiner Teil 71 ff; Feil aaO; Hagen,

Die Rechtsmittel des Verfahrens außer Streitsachen, JBl 1968, 190 ff). Das Verfahren nach §§ 15 ff MunitionslagerG ist ungeachtet seiner Verweisung ins Außerstreitverfahren vom Antragsprinzip, vom kontradiktorischen Zweiparteienprinzip, von der Streitentscheidung und davon beherrscht, daß es bei der Durchsetzung des Anspruchs auf "angemessene Entschädigung" als Schadloshaltung iS des § 365 ABGB (423 BlgNR 11.GP, 10; Ermacora-Kopf-Neisser aaO; vgl auch Hirmann,

Zur Ausmessung der Entschädigung land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke gemäß §§ 15 ff MunLagG 1967 aus sachverständiger Sicht in RZ 1985, 35 mwN in FN 1) um subjektive vermögensrechtliche Ansprüche privatrechtlicher Natur geht, womit das der freien Disposition der Parteien unterliegende Verfahren (vgl JBl 1987, 169; 6 Ob 669/85; Dolinar aaO, 134 f) unübersehbare Parallelen zu den maßgeblichen Grundsätzen des streitigen Zivilprozesses aufweist (Dolinar aaO, 15 ff, 72 mwN in FN 172, 134 f). Damit bestehen nach Auffassung des erkennenden Senates gegen eine analoge Anwendung des § 234 ZPO im Verfahren nach den §§ 15 ff MunitionslagerG keine Bedenken, wie dies schon für das vergleichbare außerstreitige Aufteilungsverfahren nach den §§ 229 ff AußStrG bejaht wurde (SZ 58/103). Wenn auch judiziert wurde, § 234 ZPO sei - offenbar gemeint allgemein - im Außerstreitverfahren nicht analog anzuwenden, der Richter habe vielmehr alle Personen, deren Rechtssphäre von seiner Entscheidung berührt wird, auch noch im Laufe des Verfahrens jederzeit von Amts wegen beizuziehen, bzw Personen, die nicht davon betroffen sind, auszuscheiden, so ist dies nach Auffassung des erkennenden Senates zu weitgehend und trägt dem Umstand nicht Rechnung, daß es nicht nur ein außerstreitiges, sondern sehr verschiedenartige außerstreitige Verfahren gibt. Diese Entscheidungen betrafen Verfahren mit anderen Materien (vgl. JUS 43, 22.02 = NRsp 1988/149 zu § 12 LPG; MietSlg 38.049 zu § 835 ABGB; MietSlg 37.527 zu § 26 WEG idF vor dem MRG), in denen es geboten erschien, von Amts wegen jederzeit alle Personen, deren Rechte durch die Entscheidung betroffen werden, auch noch im Laufe des Verfahrens in dieses einzubeziehen. Die materielle Rechtslage nach dem Munitionslagergesetz ist damit nicht vergleichbar.

Der Anspruch nach § 15 MunitionslagerG auf "angemessene Entschädigung" als Schadloshaltung ist als vermögensrechtlicher Anspruch vererblich (vgl SZ 57/73). Demgemäß hat das Rekursgericht zu Recht die Antragslegitimation der Zweitantragstellerin, die nicht Gesamtrechtsnachfolgerin ist, verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 4 MunitionslagerG iVm § 44 EisbEG (SZ 60/17, SZ 60/269).

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