Normen
ABGB §115 - 117
EheG §115
EO §379
EO §382 Z8
ZPO §519
ZPO §520
ZPO §527
ABGB §115 - 117
EheG §115
EO §379
EO §382 Z8
ZPO §519
ZPO §520
ZPO §527
Spruch:
§ 382 Z. 8 EO. ist sowohl dann anwendbar, wenn eine nach dem Ehegesetz geschiedene Ehegattin Zuspruch eines Unterhaltsbetrages begehrt, als auch dann, wenn sie eine Erhöhung der ihr bereits zuerkannten Alimente verlangt.
Ein Rekurs muß nicht einen bestimmten Antrag enthalten.
Im Revisionsrekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluß gilt der Grundsatz der Unzulässigkeit der reformatio in peius nicht.
Entscheidung vom 30. November 1949, 1 Ob 547/49.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Ehe der Streitteile wurde vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Urteil vom 17. Oktober 1944 aus dem Alleinverschulden des Ehegatten Hans D. geschieden. Mit der am 26. November 1948 eingebrachten Klage begehrte Maria D., ihrem geschiedenen Ehegatten die Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 400 S aufzutragen. Der im Zuge dieses Prozesses gestellte Antrag, dem Beklagten (Gegner der gefährdeten Partei) im Wege einer einstweiligen Verfügung die Auferlegung einer provisorischen Alimentation in der Höhe von 400 S aufzutragen, wurde vom Erstgericht abgewiesen, weil eine subjektive Gefährdung nicht glaubhaft gemacht worden sei (§ 379 EO.). Das Rekursgericht hat diesen Beschluß aufgehoben und dem Erstgerichte aufgetragen, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden.
Das Rekursgericht verneint die Anwendbarkeit des § 382 Z. 8 EO., weil die Ehe der Streitteile dem Bande nach aufgelöst sei und das Judikat 32 daher auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden könne, da dieses eine aufrechte Ehe im Auge habe. Die Bewilligung des im vorliegenden Falle geltend gemachten Anspruches setze voraus, daß der Unterhaltsanspruch und entweder eine objektive Gefährdung des Anspruches durch den Gegner oder ein drohender unwiederbringlicher Schaden der Antragstellerin hinreichend bescheinigt sei. Es sei daher zu untersuchen, ob Anspruch und Gefahr oder drohender unwiederbringlicher Schade hinreichend bescheinigt wurden. Auch werde das Erstgericht zu prüfen haben, ob der Antragsgegner die Behauptung des Alimentationsverzichtes bescheinigen könne.
Dieser Beschluß wird vom Antragsgegner mit Revisionsrekurs angefochten und Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses begehrt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs Folge und hob den angefochtenen Aufhebungsbeschluß auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Antrag des Revisionsrekurses auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses ist prozessual verfehlt, weil das Revisionsgericht, bei dem ein Aufhebungsbeschluß angefochten wird, diesen Beschluß nur aufheben, aber nicht abändern kann; doch ist dies unschädlich, weil im Rekursverfahren die Stellung eines Antrages überhaupt nicht vorgeschrieben ist, ein fehlerhafter Antrag demnach der meritorischen Entscheidung nicht entgegensteht (4 Ob 30/49, SZ. XXII/101).
In der Sache selbst ist der Revisionsrekurs begrundet, weil das Rekursgericht von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist. Zunächst war es verfahrensrechtlich verfehlt, den erstrichterlichen Beschluß zu dem Zwecke der Feststellung aufzuheben, ob der Anspruch der gefährdeten Partei gefährdet und eine Gefahr oder ein drohender unwiederbringlicher Schade hinreichend bescheinigt ist. Das Verfahren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist kein amtswegiges, sondern ein Parteiverfahren; es dürfen daher nur solche Bescheinigungsmittel herangezogen werden, die von den Parteien angeboten worden sind. Nun hat die gefährdete Partei in ihrem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Unterhaltsgefährdung durch den Antragsgegner gar nicht behauptet. Der Antrag beschränkt sich darauf, auf das Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin über die angebliche Unfähigkeit der Antragstellerin, sich selbst den angemessenen Unterhalt zu erwerben, und auf das Zugeständnis des Antraggegners, monatlich 1000 S zu verdienen, zu verweisen, also auf im Akte erliegende Aktenstücke. Das Rekursgericht durfte daher nicht, weil seiner Rechtsauffassung nach nicht die richtigen Anträge gestellt und Bescheinigungsmittel angeboten worden sind, den erstrichterlichen Beschluß aufheben, sondern hatte in der Sache selbst unter Bedachtnahme auf die vorliegenden Bescheinigungsmittel zu entscheiden.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes ist aber auch insoweit verfehlt, als sie die Anwendbarkeit des § 382 Z. 8 EO. verneint. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit dieser Frage bereits in der Entscheidung vom 9. Februar 1949, 1 Ob 304/48 (Nr. 16), befaßt. Er ist damals zu dem Ergebnis gelangt, daß § 382 Z. 8 EO. auch dann Anwendung zu finden habe, wenn eine von Tisch und Bett geschiedene Ehe nachträglich gemäß § 115 EheG. dem Bande nach aufgelöst worden ist. Er verweist in dieser Entscheidung darauf, daß die im Judikat 32 zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung sich insbesondere auf § 117 ABGB. stütze. Da aber § 117 ABGB. die Auseinandersetzung des Vermögens bei der Trennung (nunmehr Scheidung der Ehe) nach §§ 115 ff. ABGB. regle, also die Auflösung der Ehe zur Voraussetzung habe, werde die Anwendung des Judikates 32 durch die Tatsache, daß die Ehe der Streitteile auf Grund des § 115 EheG. dem Bande nach aufgelöst sei, nicht gehindert.
Da weiters § 115 EheG. nur einen besonderen Fall der Eheauflösung des Übergangsrechtes löst, so muß alles, was im Falle der Scheidungsumwandlung des § 115 EheG. gilt, auch dann Rechtens sein, wenn auf Grund des nunmehr geltenden Eherechtes unmittelbar auf Scheidung geklagt worden ist. Ebenso bedeutungslos ist es, ob bereits ein Alimentationsbetrag festgesetzt worden ist und ob Erhöhung oder erstmalige Festsetzung des Unterhaltes begehrt wurde. Das Judikat 32 ist nur eine Erweiterung des Rechtsgedankens des § 382 Z. 8 EO. auf den Fall, daß bereits das Ausmaß des Unterhaltes festgesetzt worden ist; § 382 Z. 8 EO. muß daher auch auf das Verhältnis von nach dem Ehegesetz geschiedenen Ehegatten dann anwendbar sein, wenn eine Unterhaltsfestsetzung bisher unterblieben ist.
Ebenso verfehlt war die Aufhebung der erstrichterlichen Entscheidung zur Erhebung über die Frage, ob die Antragstellerin auf die Alimente verzichtet hat. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 17. März 1931, JBl. 1931, S. 219, wurde ausdrücklich ausgesprochen, daß die Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 382 Z. 8 EO. nur dann versagt werden darf, wenn klar und unbestreitbar zutage liegt, daß die Gattin auf den Unterhalt ein für allemal und unter allen Umständen verzichtet hat, sonst sei diese Frage dem Prozeßverfahren zu überlassen; dies muß auch hier gelten, da das Prozeßgericht im Vorverfahren auf Grund der durchgeführten Beweise zu einer Verneinung des Unterhaltsverzichtes gelangt ist, weshalb von einem klaren und unbestreitbaren Unterhaltsverzicht jedenfalls nicht gesprochen werden kann. Die Aufhebung war daher auch in diesem Punkte überflüssig.
Es mußte daher, da im Rekursverfahren die rechtliche Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses nach allen Richtungen hin zu überprüfen ist, dem Revisionsrekurse Folge gegeben und dem Rekursgerichte die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Bindung an die Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes, daß eine Anspruchsbescheinigung nach § 379 Abs. 1 EO. nicht erforderlich ist, aufgetragen werden. Daß damit faktisch gegen den Revisionsrekurswerber entschieden wird, steht der Stattgebung des Revisionsrekurses nicht entgegen, da der Grundsatz der reformatio in peius im Revisionsrekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluß nicht gilt; denn durch die Behebung eines Aufhebungsbeschlusses wird die Rechtslage der Parteien nicht verschlechtert, da es auch im Interesse des Revisionsrekurswerbers gelegen ist, daß Klarheit geschaffen wird, ob die Rechtsauffassung, von der das Rekursgericht im Aufhebungsbeschluß ausgegangen ist, richtig ist und es auch gegen seine Interessen wäre, wenn der Oberste Gerichtshof seine dem Revisionsrekurswerber ungünstige Rechtsauffassung erst im Stadium der Anfechtung des im aufgehobenen Verfahren ergangenen neuerlichen Beschlusses des Rekursgerichtes äußern würde, wodurch dann den Parteien nur unnötige Kosten erwachsen würden.
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