OGH 1Ob47/18w

OGH1Ob47/18w30.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj H* P*, geboren am * 2008, vertreten durch ihre Mutter Dr. J* P*, beide vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung einer Klage und Ersetzung der Zustimmung des Vaters zur Klagsführung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Minderjährigen und ihrer Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2018, GZ 43 R 34/18w‑19, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 12. Dezember 2017, GZ 25 Pg 29/13g‑11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121629

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Die – gemeinsam mit dem Vater obsorgeberechtigte – Mutter, die ebenfalls als Antragstellerin auftrat und als Revisionsrekurswerberin einschreitet, vermag ihr Rechtsschutzinteresse an der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Klagsführung ihrer Tochter nicht darzulegen. § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG gewährt Parteistellung und damit Rechtsmittellegitimation einer Person, soweit deren rechtlich geschützte Stellung durch die Entscheidung unmittelbar beeinflusst wird. Dafür ist maßgeblich, wer bzw wessen Stellung durch das jeweilige Verfahren und die dort anzuwendenden Normen geschützt werden soll (6 Ob 89/15d mwN; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 2 Rz 48). Unmittelbar beeinflusst ist eine Person dann, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss. § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG erfasst weder wirtschaftliche noch ideelle Betroffenheit noch eine Reflexwirkung einer Entscheidung (RIS‑Justiz RS0123028 [T7]).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass sich die Parteistellung im Verfahren über eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer Klage auf den Pflegebefohlenen beschränkt; er (allein) ist rechtsmittellegitimiert (RIS‑Justiz RS0123647; RS0006210 [T7, T8]). Verfahrenszweck ist der Schutz der Interessen des Minderjährigen. Dies gilt auch nach der Rechtslage des KindNamRÄG 2013 (5 Ob 39/17x = RIS‑Justiz RS0006210 [T12]). Insofern hat die Mutter keine Parteistellung und ist damit nicht rechtsmittellegitimiert (vgl 2 Ob 128/10b = SZ 2010/143).

2.1. Gemäß § 181 Abs 1 Satz 3 ABGB kann das Gericht im Einzelfall eine gesetzlich – wie etwa gemäß § 167 Abs 3 ABGB bei Kollektivvertretung der Eltern für die Erhebung einer Klage durch das Kind – erforderliche Einwilligung oder Zustimmung des (anderen) obsorgeberechtigten Elternteils ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. Die Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht erfordert nicht, dass andernfalls das Kindeswohl gefährdet wäre. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung (RIS‑Justiz RS0123272) handelt es sich um eine klassische Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage begründen kann, sofern nicht eine aufzugreifende Fehlbeurteilung vorliegt (3 Ob 211/15y = iFamZ 2016/65, 145 [Gitschthaler]). Entgegen der (nicht weiter begründeten) Ansicht der Revisionsrekurswerberinnen ist in der Entscheidung des Rekursgerichts, die Zustimmung des Vaters zur beabsichtigten Klagsführung nicht zu ersetzen, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung und damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu erblicken.

2.2. Rechtshandlungen einer Pflegebefohlenen – wie die beabsichtigte Klagsführung – sind nach § 132 Abs 1 AußStrG nur dann gemäß § 167 Abs 3 ABGB pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen, wenn sie in deren Interesse liegen und deren Wohl entsprechen (1 Ob 125/16p mwN). Ob eine Prozessführung im Interesse der Minderjährigen liegt, ist eine Ermessensentscheidung des Pflegschaftsgerichts, die sich am konkreten Einzelfall zu orientieren hat (RIS‑Justiz RS0048142 [T4]; RS0048207 [T1]). Maßgebend ist dabei, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den Klageweg beschreiten würde (RIS‑Justiz RS0108029 [T11]). Das ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn die Erfolgsaussichten gering sind und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Vermögensnachteil der Minderjährigen durch die Belastung mit Prozesskosten droht (RIS‑Justiz RS0048156). Die Frage der Genehmigungsfähigkeit einer Klage ist von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängig und daher grundsätzlich nicht revisibel (1 Ob 125/16p mwN). Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn dem Rekursgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (vgl RIS‑Justiz RS0044088 [T41]). Das ist nicht der Fall.

3. Die Minderjährige beabsichtigt die Einbringung einer Unterlassungsklage wegen Verletzung ihrer Privat‑ und Intimsphäre gegen eine Frau, die zwei Zeitungsartikel auf ihrer Homepage veröffentlicht hat. Außergerichtlich trat bislang nur ihre Mutter an diese Person heran und forderte sie zur Unterfertigung einer Unterlassungs‑ und Verpflichtungserklärung auf, nicht aber die Minderjährige. Die Frau löschte daraufhin die beiden Fotos des Vaters von ihrer Website und machte damit die „identifizierenden Fotos unkenntlich“. Weiters verpflichtete sie sich gegenüber der Minderjährigen, vertreten durch ihren obsorgeberechtigten Vater, das neuerliche Hochladen der beiden Bilder und generell alles zu unterlassen, was zu einer Identifizierung der in den „anonymisierten“ Zeitungsartikeln genannten Personen, insbesondere der Minderjährigen und ihrer Mutter, führen könnte. Auf der Homepage sind die Texte der beiden Presseartikel „nicht anonymisiert“ veröffentlicht, die Namen der Minderjährigen, der Mutter und des Vaters waren (von allem Anfang an) geändert. Auch der Name der Erstrichterin ist mittlerweile geschwärzt.

Das Rekursgericht genehmigte die beabsichtigte Klagsführung der Minderjährigen wegen Wegfalls der Wiederholungsgefahr nicht. Ob im Einzelfall Wiederholungsgefahr besteht, wirft – abgesehen von einer nicht vorliegenden Fehlbeurteilung – grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS‑Justiz RS0031891; RS0042818).

Dem Argument der Minderjährigen, dass nur das Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs die Wiederholungsgefahr beseitigen könnte, ist entgegenzuhalten, dass sie (vertreten durch ihre Mutter) bislang an die Frau nicht herangetreten ist und daher den Abschluss eines solchen Vergleichs nicht gefordert hat. Ob der Inhalt der Unterlassungserklärung der Frau die Wiederholungsgefahr beseitigt, ist eine Frage des Einzelfalls. Dass diese Erklärung nicht ausreiche, um den Unterlassungsanspruch des Kindes zu erfüllen, wird im Rechtsmittel wohl behauptet, aber nicht konkret ausgeführt. Zwar sind die beiden Zeitungsartikel nach wie vor auf der Homepage abrufbar, jedoch ohne Fotos und mit geänderten Namen der Familienangehörigen. Dass damit auf das Kind Rückschlüsse gezogen werden könnten, wird nicht behauptet. Auf die weitere Begründung des Rekursgerichts zum sofortigen Anerkenntnis des Klagebegehrens durch die Frau und den Kostenzuspruch an diese gemäß § 45 ZPO kommt es damit nicht mehr an.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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