Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien haben ihre Rekurskosten selbst zu tragen.
Text
Begründung
Im Vorprozess wurde das Begehren der Kläger, festzustellen, dass den Beklagten ein Fischereirecht an bestimmten Abschnitten von links der T***** gelegenen Nebengewässern nicht zukomme, rechtskräftig abgewiesen. Die Klageabweisung wurde gegenüber der Sechstklägerin damit begründet, dass diese schon mangels Eigentums an einem allenfalls herrschenden Gut nicht aktiv klagelegitimiert sei. Das Klagebegehren der übrigen Kläger wurde deshalb als unberechtigt erkannt, weil es ihnen an einem Feststellungsinteresse mangle, nachdem ihnen der Nachweis des Bestehens eines eigenen Fischereirechts im strittigen Bereich nicht gelungen sei. Damit sei auf die Frage, ob den Beklagten ein Fischereirecht in diesen Gewässern zustehe, nicht mehr einzugehen.
In einem späteren Verfahren erwirkten der Erstkläger sowie die Dritt- bis Achtkläger gegen die Republik Österreich als Eigentümerin des (dienenden) öffentlichen Wasserguts ein (rechtskräftiges) Urteil, mit dem festgestellt wurde, dass ausschließlich den Klägern und allen künftigen Eigentümern bestimmter, ihnen derzeit gehöriger Liegenschaften die in ihrer räumlichen Ausdehnung in einem Lageplan näher dargestellte Dienstbarkeit des alleinigen Fischereirechts (zu je einem Viertel) zukommt; weiters wurde die Republik Österreich schuldig erkannt, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Die Beklagten waren in diesem Verfahren als Nebenintervenienten auf Seiten der Republik Österreich beteiligt; ihre Rechtsmittel blieben erfolglos.
Die Kläger begehrten nun unter Hinweis auf die dargestellte rechtskräftige Entscheidung im Verfahren gegen die Republik Österreich die Wiederaufnahme des Vorverfahrens. Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO sei hier sinngemäß anzuwenden. Mit der nunmehrigen Entscheidung sei ein im Vorprozess als Vorfrage beurteilter Gegenstand, nämlich die fischereirechtliche Zugehörigkeit der links der T***** gelegenen Gewässer, als Hauptfrage - zu Gunsten der Kläger - rechtskräftig entschieden worden. Die Beklagten seien als Nebenintervenienten des Zweitverfahrens an den Inhalt der dort ergangenen Entscheidung gebunden.
Das Oberlandesgericht Linz wies die Wiederaufnahmsklage mangels Darlegung eines gesetzlich zulässigen Wiederaufnahmsgrunds im Vorprüfungsverfahren zurück. In der Rechtsprechung werde - über die auf präjudizielle Entscheidungen eines Strafgerichts beschränkte Bestimmung des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO hinaus - auch die rückwirkende Aufhebung anderer rechtskräftiger präjudizieller Vorentscheidungen von Verwaltungsbehörden oder Zivilgerichten als Wiederaufnahmsgrund anerkannt. Auch die nachträgliche rechtskräftige Aufhebung einer bindenden Zivilentscheidung bilde einen Wiederaufnahmsgrund, wenn sie zurückwirkt und die Entscheidungsgrundlage des Vorprozesses erschüttert. Voraussetzung für eine Wiederaufnahme sei aber jedenfalls, dass die rechtskräftige präjudizielle Vorentscheidung, auf die sich die angefochtene Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren stützte, durch eine andere rechtskräftige Entscheidung aufgehoben worden sei. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. In der Literatur werde eine sinngemäße Anwendung des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO auch für jene Fälle befürwortet, in denen nachträglich ein Zivilgericht mit Rechtskraftwirkung gegenüber den Parteien des Vorprozesses über eine Frage entscheidet, die im Vorprozess als Vorfrage abweichend beurteilt worden ist. Auch ein solcher Fall liege nicht vor, sei doch die im späteren Verfahren Beklagte am Vorprozess nicht beteiligt gewesen. Somit sei aber nicht in einem Folgeprozess mit Rechtskraftwirkung gegenüber den Parteien des Vorprozesses über den Bestand des Fischereirechts der Kläger entschieden worden. Dass die Beklagten im späteren Verfahren auf Seiten der Republik Österreich als Nebenintervenienten beigetreten seien, sei ohne Belang. Ein solcher Beitritt habe nur zur Folge, dass der Nebenintervenient im Falle der Führung eines Regressprozesses als Folgeprozess keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfe, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses im Widerspruch stehen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs der Kläger ist nicht berechtigt.
Die Rekurswerber berufen sich für ihre Ansicht, die gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Wiederaufnahmsgründe seien um den Fall zu ergänzen, dass ein Zivilgericht nachträglich rechtskräftig gegenüber den Parteien des Vorprozesses über eine Frage entscheidet, die im Vorprozess als Vorfrage abweichend beurteilt wurde, auf die Lehrmeinung von Jelinek (in Fasching/Konecny 2 IV § 530 ZPO Rz 97, 119, 122). Dieser Autor legt dar, dass das Verfahren nach dem Wortlaut des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO nicht wieder aufgenommen werden kann, wenn die Entscheidung von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage vom hiefür zuständigen Gericht anders entschieden wurde; einen derartigen Wiederaufnahmsgrund kenne hingegen § 69 Abs 1 Z 3 AVG. Nach der (älteren) Rechtsprechung bilde eine nachträglich ergangene anders lautende Entscheidung der zuständigen Behörde (oder des zuständigen Gerichts) für sich allein keinen Wiederaufnahmsgrund, wenn das Gericht im Vorprozess eine Vorfrage selbst (gegenteilig) beurteilt hat; seien der nachträglichen und inhaltlich abweichenden Entscheidung andere Tatsachen und Beweise zugrunde gelegen, käme eine Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO in Betracht. Grundsätzlich sei die Divergenz zweier Zivilurteile angesichts des oft geäußerten Wunsches, die Bevölkerung möge den Gerichten vertrauen, höchst kontraproduktiv. Ein Auftreten einer solchen Entscheidungsdivergenz sei allerdings bei dem zur österreichischen ZPO herrschenden Verständnis der objektiven Grenzen der Rechtskraft nicht zu vermeiden. Sie sei daher, wenn sie auftritt, auf Parteiantrag, nämlich durch Wiederaufnahmsklage analog § 530 Abs 1 Z 5 ZPO, zu bereinigen. Gerade bei Zivilentscheidungen sei eine Rechtsschutzlücke zwischen der (analogen) Anwendung des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO (nachträgliche rechtskräftige Vernichtung der im Vorprozess bindenden Zivilentscheidung) und der (ebenfalls analogen) Anwendung des § 530 Abs 1 Z 6 ZPO (Auffinden einer bindenden Zivilentscheidung) untragbar. Auch hier gelte doch - „entsprechend den begreiflichen Erwartungen Minderkundiger gemäß“ -, dass die gute Einsicht der besseren weichen müsse. Die Wiederaufnahmsklage gemäß § 530 Abs 1 Z 5 ZPO sei daher zulässig, wenn nachträglich ein Zivilgericht mit Rechtskraftwirkung gegenüber den Parteien des Vorprozesses über eine Frage entscheidet, die das Gericht im Vorprozess als Vorfrage abweichend beurteilt hat.
Diesen Ausführungen vermag der erkennende Senat aus folgenden Erwägungen nicht zu folgen: Die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens kann von verschiedenen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Dabei steht es dem Gesetzgeber in einem gewissen Rahmen frei, ob er die Wiederaufnahmsklage nur in Fällen zulässt, in denen eine besonders große Gefahr des Weiterbestehens einer materiell unrichtigen Gerichtsentscheidung besteht. Er könnte aber auch anordnen, dass eine Wiederaufnahmsklage immer dann statthaft ist, wenn inhaltlich miteinander unvereinbare Entscheidungen vorliegen.
Der österreichische Zivilprozessgesetzgeber hat sich nun im Zusammenhang mit einander widersprechenden Gerichtsentscheidungen - in den Z 5 und 6 des § 530 Abs 1 ZPO - für eine eher restriktive Fassung der Wiederaufnahmsgründe entschieden. Nach Z 5 ist die Wiederaufnahme nur möglich, wenn ein (strafgerichtliches) Erkenntnis, welches Basis für die Entscheidung im Vorprozess war, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben wurde; dieser Wiederaufnahmsgrund wurde zutreffend auf die Aufhebung eines im Vorprozess präjudiziellen Zivilurteils ausgedehnt (10 Ob 89/97d = EvBl 1998/14; 6 Ob 211/07h; RIS-Justiz RS0108294). Z 6 regelt den Fall, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung im Vorprozess bereits eine rechtskräftige Entscheidung zwischen den Parteien existiert hat, die aber von der durch sie begünstigten Partei nicht benutzt werden konnte.
Die Regelung in Z 5 - dessen analoge Anwendung die Rekurswerber fordern - erfasst jenen Fall, in dem das Urteil im Vorprozess auf einem bereits existierenden Erkenntnis aufbaut, wobei die in diesem präjudiziellen Erkenntnis beurteilte Frage vom Entscheidungsorgan des Vorprozesses gar nicht selbständig beurteilt bzw überprüft wurde (s dazu nur Jelinek aaO Rz 96). Fällt die Entscheidungsgrundlage nun durch die Aufhebung des präjudiziellen Erkenntnisses weg, ist auch der darauf gegründeten Entscheidung im Vorprozess der Boden entzogen. Derartiges kann in der hier vorliegenden Konstellation aber keineswegs gesagt werden, hat doch das Gericht im Vorprozess den maßgeblichen Fragenkomplex in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht - wenn auch als bloße Vorfrage - selbständig beurteilt. Kommt nun ein anderes Gericht in einem späteren Verfahren, in dem dieselbe Frage als Hauptfrage zu beurteilen ist, zu einem anderen Ergebnis, spricht dies nicht ohne weiteres dafür, dass die frühere Entscheidung vermutlich unrichtig gewesen ist bzw gar ihre bisherige Grundlage verloren hätte. Gegebenenfalls kann sogar der ersten Entscheidung die größere Richtigkeitsvermutung zukommen, wenn damit etwa ein Gericht höherer Instanz befasst war, wogegen dieses im zweiten Prozess aufgrund gesetzlicher Rechtsmittelbeschränkungen nicht angerufen werden konnte. Mangels ausreichender Rechtsähnlichkeit zum ausdrücklich gesetzlich geregelten Tatbestand des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO ist somit die von den Rekurswerbern unter Berufung auf Jelinek befürwortete Analogie nicht zu ziehen. Dem genannten Autor ist zwar zuzugestehen, dass die Divergenz zweier Zivilurteile durchaus unerwünscht ist. Es ist jedoch Sache des Gesetzgebers, festzulegen, in welchen Fällen die Möglichkeit bestehen soll, eine solche Divergenz durch das Institut der Wiederaufnahmsklage zu beseitigen.
Soweit sich Jelinek im gegebenen Zusammenhang auf die Regelung der Wiederaufnahme über Antrag einer Partei nach § 69 Abs 1 Z 3 AVG beruft, ist darauf hinzuweisen, dass die Interessenlage einer Partei im Verwaltungsverfahren nicht mit jener der Parteien im Zivilprozess gleichgesetzt werden kann, in dem einander regelmäßig zwei Parteien mit widerstreitenden Anträgen und Interessen gegenüberstehen. Dass im Verwaltungsverfahren in bestimmten Konstellationen der Partei die Wiederaufnahme unter erleichterten Bedingungen gewährt wird, ist kein ausreichendes Argument für eine entsprechende Ausdehnung der Wiederaufnahmsgründe des § 530 ZPO, würde damit doch zugleich die Rechtsposition des Prozessgegners, dessen Interessen ebenfalls zu beachten sind, nicht unerheblich beeinträchtigt. Schließlich erscheint auch die von Jelinek im Falle der Ablehnung seiner Ansicht beklagte Rechtsschutzlücke zwischen einer (analogen) Anwendung des Wiederaufnahmsgrunds nach Z 5 und jener nach Z 6 in vielen Konstellationen keineswegs untragbar. Fallen die Entscheidungen in den beiden Prozessen deshalb unterschiedlich aus, weil im zweiten Verfahren zusätzliche Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, steht der dadurch begünstigten Partei vielfach ohnehin der Wiederaufnahmsgrund nach Z 7 zur Verfügung. Wollte man auch hier mit dem Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung im zweiten Prozess einen (zusätzlichen) Wiederaufnahmsgrund annehmen, würden damit auch die vom Gesetzgeber bewusst strengen Voraussetzungen für die Geltendmachung von neuen Tatsachen oder Beweismitteln gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO aufgeweicht, ist doch dieser Wiederaufnahmsgrund binnen vier Wochen ab Kenntnis der neuen Tatsachen oder Beweismittel geltend zu machen (§ 534 Abs 1 und Abs 2 Z 4 ZPO) und kommt er nur in Betracht, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel schon im Vorprozess geltend zu machen (§ 530 Abs 2 ZPO).
Da somit ein gesetzlich vorgesehener Wiederaufnahmsgrund nicht vorliegt, erweist sich die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis als zutreffend, sodass nicht näher darauf eingegangen werden muss, ob die Beklagten als Nebenintervenienten im Folgeprozess ebenso zu behandeln sind, als wäre das von den Klägern als Wiederaufnahmsgrund herangezogene Feststellungsurteil gegen sie selbst ergangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 40 Abs 1 ZPO.
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