OGH 1Ob31/88

OGH1Ob31/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Ing. Arnulf N***, Gast- und Landwirt, Krumpendorf, Halleggerstraße 25, vertreten durch Dr. Gerhard Kochwalter, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Räumung (Streitwert S 30.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 25. März 1988, GZ 1 R 85/88-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 20. November 1987, GZ 7 C 705/85-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.309,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 275,25 USt. und S 480,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Eigentümerin der Grundstücke 783/1 KG Gurlitsch II und 342/4 KG Krumpendorf, öffentliches Wassergut Wörthersee. Im Norden grenzt an diese Grundstücke das im Eigentum des Beklagten stehende Grundstück 320/1 KG Gurlitsch II, in Natur das "Bad Kropfitsch".

Die klagende Partei behauptet, eine vom Beklagten benützte, in einem beigelegten Plan näher umschriebene 523 m2 große Landfläche (Schwemmland) gehöre in Wahrheit zum Gutsbestand des öffentlichen Wassergutes der Grundstücke 783/1 KG Gurlitsch II und 342/4 KG Krumpendorf. Dieser Grundstücksstreifen stünde in ihrem Eigentum. Sie begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, diese Fläche zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben sowie alle dort befindlichen Bauten auf seine Kosten zu entfernen. Der Beklagte nutze diesen Grundstücksteil titellos; ihm und seinen Rechtsvorgängern sei bekannt gewesen, daß das strittige Schwemmland im Eigentum der klagenden Partei stehe, sie seien daher schlechtgläubig. Das Eigentumsrecht der klagenden Partei sei vom Beklagten wiederholt, insbesondere in der Tagsatzung vom 22. September 1980, anerkannt worden, so daß eine weitere Bestreitung des Eigentumsrechtes der klagenden Partei wider Treu und Glauben erfolge.

Der Beklagte wendete ein, Mappengrenze und Wassergrenze seien ident. Sollte aber die Behauptung der klagenden Partei zutreffen, hätten die Rechtsvorgänger des Beklagten durch Besitzausübung seit dem Jahre 1788 das Eigentum an diesem Streifen ersessen. Seit 1884 sei keine Änderung der Uferlinie erfolgt. Der strittige Grundstreifen habe vom Land aus nur über Grundstücke der Rechtsvorgänger des Beklagten erreicht werden können. Ein Anerkenntnis des Eigentumsrechtes der klagenden Partei sei niemals erfolgt; es habe sich nur um unpräjudizielle Vergleichsvorschläge gehandelt. In der Verhandlung vom 22. September 1980 sei es zu keiner Einigung der Streitteile gekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest: Das Grundstück 320/1 KG Gurlitsch II sei jedenfalls seit 1788 von den Rechtsvorgängern des Beklagten vorerst landwirtschaftlich, seit 1892 aber als Strandbad bis zur Wasserwelle genutzt worden. Seit 1892 sei die Uferlinie im wesentlichen gleichgeblieben. Ab 1923 seien mit Genehmigung des Verwalters des öffentlichen Wassergutes von den Rechtsvorgängern des Beklagten im See Einbauten errichtet worden. Die auf das Jahr 1827 zurückgehende Mappengrenze und die Uferlinie seien nicht ident. Die Mappengrenze verlaufe weiter nördlich. Die vom Land nur über Grundstücke des Beklagten erreichbare 523 m2 große Fläche zwischen der Mappengrenze und der Uferlinie liege innerhalb des Betriebsbereiches des Bades des Beklagten. Erstmals mit Schreiben vom 28. September 1954 sei der Rechtsvorgänger des Beklagten zur Bekanntgabe eines Titels für die Benützung dieser Fläche aufgefordert worden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei diese Fläche von den Rechtsvorgängern des Beklagten im Glauben, sie gehöre zu ihrem Gutsbestand, benützt worden. Alois Nagele, der Rechtsvorgänger des Beklagten, habe sich auf jahrhundertelangen Besitz berufen. In weiterer Folge sei es zu Verhandlungen zwischen dem Beklagten und dem Verwalter des öffentlichen Wassergutes über den Abschluß eines Bestand- oder Kaufvertrages über die strittige Fläche gekommen. Eine Vereinbarung sei aber nicht abgeschlossen worden. Ein Anerkenntnis des Eigentumsrechtes der klagenden Partei durch den Beklagten sei nicht erfolgt. Der Beklagte habe sich von Anfang an auf lange zurückreichende Besitzausübung berufen; er habe sich nur deshalb auf Verhandlungen über den Abschluß eines Kauf- oder Bestandvertrages eingelassen, um eine gütliche Einigung herbeizuführen. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Rechtsvorgänger des Beklagten den strittigen Grundstücksteil bereits vor dem 1. November 1934 ersessen hätten. Die klagende Partei habe dem Beklagten keine Unredlichkeit, keinen Besitzverlust oder eine Unterbrechung der Ersitzungszeit nachweisen können. Die später eingeleiteten Verhandlungen über den Abschluß eines Kauf- oder Bestandvertrages könnten an der bereits früher eingetretenen Ersitzung nichts mehr ändern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Die Unredlichkeit des Ersitzungsbesitzers sei vom Ersitzungsgegner unter Beweis zu stellen. Der Rechtsvorgänger des Beklagten sei erstmals im Jahre 1954 zur Bekanntgabe eines Titels für die Benützung der Fläche aufgefordert worden. Während des Ersitzungszeitraumes sei seitens der Wasserrechtsbehörde nie darauf hingewiesen worden, daß die strittige Fläche widerrechtlich benützt werde. Werde man an der Benützung eines Grundstückes nicht gehindert und werde während der Ersitzungszeit für die Benützung kein Entgelt verlangt, stelle dies einen wahrscheinlichen Grund dar, die Sache für die seinige zu halten. Seitens der klagenden Partei sei es bis nach dem Jahre 1934 hingenommen worden, daß von den Rechtsvorgängern des Beklagten eine Badeanstalt unter Einschluß der strittigen Fläche betrieben werde; die Behörde habe sich darauf beschränkt, Eingaben über Einbauten in den See und deren Erweiterungen zu behandeln. Ob die Grundrißpläne mit der Mappengrenze konform gegangen seien, sei ohne Bedeutung. Die Ersitzung der strittigen Grundfläche sei bereits vor Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes beendet gewesen. Auch wenn das Erstgericht Feststellungen über die Bereinigungsvorschläge des Beklagten getroffen hätte, wäre für die klagende Partei, die in ihrer Berufung auf die Schreiben des Beklagten und seine Erklärungen in der Verhandlung vom 22. September 1980 verweist, nichts gewonnen. Die Erklärungen des Beklagten dienten offenkundig dazu, eine einvernehmliche Regelung durch Abschluß eines Bestand- oder Kaufvertrages über die Benützung der strittigen Grundfläche herbeizuführen. Dies setze natürlich voraus, daß der Beklagte nicht darauf beharrt hätte, Eigentümer dieser Fläche zu sein. In seinen Vorschlägen zur gütlichen Bereinigung könne ein Anerkenntnis nicht erblickt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Eine Aktenwidrigkeit oder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor. Das Berufungsgericht traf überhaupt keine Feststellungen über den Inhalt der vom Beklagten in der Verhandlung vom 22. September 1980 abgegebenen Erklärungen, sondern gab nur den Inhalt der Berufungsausführungen (S. 125 f dA) wieder. Im übrigen findet sich das von der Revisionswerberin vermißte Protokoll über die Verhandlung vom 22. September 1980 im beigeschlossenen Akt 7 C 59/80 des Erstgerichtes, mit dem damals das vorliegende Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden war; diese Verbindung wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 14. September 1983 (S. 21 dA) wieder aufgehoben. Auch die Rechtsrüge versagt.

Bei der strittigen Grundstücksfläche handelt es sich um öffentliches Wassergut im Sinn des § 4 WRG. Wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung JBl 1983, 480 mwN ausgeführt hat, kann zwar nach § 4 Abs 5 WRG Eigentum oder ein anderes dingliches Recht am öffentlichen Wassergut nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes (1. November 1934) durch Ersitzung nicht mehr erworben werden; durch Ablauf der Ersitzungszeit vor dem 1. November 1934 erworbene Rechte am öffentlichen Wassergut können aber auch heute noch geltend gemacht werden. Die 40jährige Ersitzungszeit war nach den Feststellungen der Vorinstanzen am 1. November 1934 längst abgelaufen. Den Ausführungen der Revisionswerberin, die Rechtsvorgänger des Beklagten seien nicht redlich gewesen, kann nicht gefolgt werden. Die Redlichkeit ist zwar ein selbständiges Erfordernis des Ersitzungsbesitzers (JBl 1983, 480; SZ 55/46; SZ 50/91 ua; Sprung in Glosse JBl 1978, 151); es hat aber, wie sich aus der im § 328 ABGB normierten gesetzlichen Vermutung der Redlichkeit und der Vorschrift des § 1477 ABGB über die erwiesene Unredlichkeit ergibt, nicht der Ersitzungsbesitzer, sondern der Ersitzungsgegner zu behaupten und unter Beweis zu stellen, daß Redlichkeit des Ersitzungsbesitzers nicht während der ganzen Dauer der Ersitzungszeit vorgelegen sei (JBl 1983, 480;

SZ 51/64; SZ 50/53; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1477;

Koziol-Welser8 II 22; Klang2 II 348, VI 581, 596). Der für die Ersitzung erforderliche gute Glaube fällt nur dann weg, wenn der Besitzer entweder positive Kenntnis erlangt, daß sein Besitz nicht rechtmäßig sei - dies wurde nicht festgestellt - oder wenn er zumindest solche Umstände erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes Anlaß geben (SZ 55/46 mwN). Die Rechtsvorgänger des Beklagten sind vom Verwalter des öffentlichen Wassergutes, der von der Nutzung schon durch die beantragten und bewilligten Einbauten in den See Kenntnis erlangt haben muß, niemals an der Besitzausübung gehindert oder auf deren mangelnde Berechtigung aufmerksam gemacht worden. Das durfte bei den Rechtsvorgängern des Beklagten zur Überzeugung der Rechtmäßigkeit ihrer Besitzausübung führen (SZ 50/53); in diesem Fall zu verlangen, daß der Ersitzungsbesitzer an Hand der Mappe und des Grundbesitzbogens prüft, ob die von ihm besessene Fläche auch wirklich zum Gutsbestand laut Mappe gehörte, hieße jede Ersitzung unmöglich machen (so schon 6 Ob 25/70).

Der Beklagte anerkannte auch das Eigentumsrecht der klagenden Partei nicht. Ein konstitutives Anerkenntnis des Beklagten will die klagende Partei aus den Erklärungen des Beklagten vor und im Zuge des Rechtsstreites ableiten. Die klagende Partei übersieht aber, daß es sich jeweils um Vergleichsvorschläge des Beklagten gehandelt hatte, die in der Folge von der klagenden Partei nicht angenommen wurden; sie führten somit zu keiner Einigung der Parteien. Wer sich aber in Vergleichsverhandlungen mit dem einläßt, der Ansprüche gegen ihn zu besitzen behauptet, gibt dadurch noch nicht zu erkennen, daß er diese Ansprüche als berechtigt betrachtet. Kommt es in der Folge nicht zum Abschluß eines Vergleiches, so kann in den während der Vergleichsgespräche abgegebenen Erklärungen einer Partei ein konstitutives Anerkenntnis nicht erblickt werden (SZ 48/79; 8 Ob 68/87; 6 Ob 691/82; Ertl in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 1380). Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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