European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00003.16X.0524.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung
Am 20. 6. 2012 trat ein Wildbach infolge ergiebiger Regenfälle zweimal über die Ufer und überschwemmte die Liegenschaft der Kläger. Ursache für diese Ausuferung war jedenfalls eine Sohlhebung durch Anlandung im Bereich der Ausuferungsstelle. Die Beurteilung einer Sohllage in Ansehung der Abflusskapazität erfordert Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Gerinnehydraulik.
Die Kläger begehrten von der beklagten Gemeinde aus dem Titel der Amtshaftung 37.201,47 EUR sA an Schadenersatz mit dem für das Revisionsverfahren noch relevanten Vorbringen, die beklagte Gemeinde habe entgegen ihrer Verpflichtung gemäß § 101 Abs 6 ForstG eine jährliche Begehung des Wildbachs unterlassen und keine Beseitigung von Übelständen veranlasst, weswegen das Gewässer über die Ufer getreten sei. Die ordnungsgemäße Begehung des Baches im Sinn dieser Gesetzestelle hätte durch einen Sachverständigen erfolgen müssen, dem die zu geringe Sohllage des Baches aufgefallen wäre. Abzüglich einer Versicherungsleistung und einer Zahlung durch den Katastrophenfonds des Landes sei ihnen aus der Beseitigung der durch die Überschwemmung verursachten Schäden an Haus, Teich, Wasserspeicher und Garten ein Schaden in Höhe des Klagebetrags verblieben.
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Klage durch das Erstgericht. Es führte zu der im Revisionsverfahren noch thematisierten Anhebung der Sohllage als Ursache für die Ausuferungen aus, dass diese nach den Tatsachenfeststellungen nur durch einen Sachverständigen erkannt werden hätte können. § 101 Abs 6 ForstG gebe aber nicht zu erkennen, dass die geforderte „Begehung“ von Wildbächen durch einen mit speziellen Fachkenntnissen ausgestatteten Fachmann bzw Spezialisten zu erfolgen hätte, und könne daher durch jeden durchschnittlich sorgfältigen Gemeindebediensteten oder von der Gemeinde eigens beauftragten Durchschnittsmenschen vorgenommen werden. Ein solcher hätte aber die bestehende Sohlhebung des Wildbaches nicht erkennen können. Auch bei pflichtgemäßem Verhalten der beklagten Gemeinde wäre es zur Überschwemmung mit den für die Kläger nachteiligen Folgen gekommen. Somit sei der beklagten Gemeinde gelungen, die Kausalität der nachgewiesenen Pflichtwidrigkeit ernstlich zweifelhaft zu machen, was zur Abweisung des Klagebegehrens führe.
Die Revision erklärte das Berfugungsgericht für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsfrage vorliege, ob es § 101 Abs 6 ForstG erfordere, Sachverständige mit Sachkenntnissen über Gewässerhydraulik mit der Begehung von Wildbächen zu betrauen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
1. Der von den Klägern aus der (vermeintlich) unterbliebenen Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit ihrer Beweisrüge abgeleitete Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor, weil sich das Berufungsgericht ausführlich mit ihren Argumenten zur bekämpften Negativfeststellung des Erstgerichts auseinandersetzte (vgl RIS‑Justiz RS0043248; RS0042993 [T1]). Soweit sie davon abweichend unterstellen, dass (auch) eine Verklausung des Wildbaches zur Überschwemmung geführt habe, gehen sie in ihrer Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl RIS‑Justiz RS0042663 [T1]; RS0043312 [T4]; RS0002192; RS0042179 ua).
2. Die Eindämmung der (hier relevant:) Wildbachgefahr ist das Ziel verschiedener Gesetze. Neben dem Forstgesetz enthalten das Wasserrechtsgesetz, das Wasserschutzförderungsgesetz und das Gesetz betreffend Vorkehrungen zur unschädlichen Ableitung von Gebirgswässern (WildbachverbauungsG) derartige Bestimmungen (1 Ob 197/08i; 1 Ob 242/15t; Kalss , Forstrecht 97 f). Soweit Regelungen in den §§ 99 bis 102 ForstG getroffen sind, ist die Geltung des WildbachverbauungsG eingeschränkt (§ 98 Abs 2 ForstG; 1 Ob 197/08i).
3.1 Der von den Klägern angesprochene § 101 Abs 6 ForstG regelt, dass jede Gemeinde, durch deren Gebiet ein Wildbach fließt, verpflichtet ist, diesen samt Zuflüssen innerhalb der in ihrem Gebiet gelegenen Strecken jährlich mindestens einmal, und zwar tunlichst im Frühjahr nach der Schneeschmelze, begehen zu lassen und dies der Behörde mindestens zwei Wochen vorher anzuzeigen. Die Beseitigung vorgefundener Übelstände, wie insbesondere das Vorhandensein von Holz oder anderen den Wasserlauf hemmenden Gegenständen, ist sofort zu veranlassen. Über das Ergebnis der Begehung, über allfällige Veranlassungen und über deren Erfolg hat die Gemeinde der Behörde zu berichten. Abs 7 leg cit bestimmt, dass die von der Gemeinde gemäß Abs 6 zu besorgende Aufgabe eine solche ihres eigenen Wirkungsbereichs ist.
3.2 Die Revisionswerber meinen, die in § 101 Abs 6 ForstG angeordnete Begehung müsse sinnvollerweise von einem besonders geschulten Sachverständigen mit Kenntnissen aus dem Bereich der Gewässerhydraulik vorgenommen werden; jede andere Auslegung würde dieser Bestimmung ihren Anwendungsbereich nehmen. Der damit angesprochenen Gesetzesauslegung kommt aber ungeachtet dessen, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu (hier:) einer Norm des Verwaltungsrechts fehlt, stets dann keine Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO zu, wenn bereits nach dem Wortlaut ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden kann (vgl nur RIS-Justiz RS0042656 [T32]; zuletzt 1 Ob 242/15t). Das ist hier der Fall.
3.3 Dem Gesetzeswortlaut ist zu entnehmen, dass die Gemeinden Wildbachstrecken in ihrem Gebiet „begehen zu lassen“ haben. Daraus kann lediglich abgeleitet werden, dass sie dies nicht selbst durchführen muss (vgl 1 Ob 197/08i), nicht aber, dass sie dazu einen Sachverständigen mit Kenntnissen der Gerinnehydraulik beizuziehen hätten, um im Zuge einer solchen Begehung Entwicklungen der Bachsohle begutachten zu lassen. Die Bestimmung des § 101 ForstG behandelt seiner Überschrift nach „Vorbeugemaßnahmen in Einzugsgebieten; Räumung von Wildbächen“ und regelt in seinem ersten Absatz, die Voraussetzungen, unter welchen die Behörde die erforderlich erscheinenden Vorbeugemaßnahmen festzustellen hat. Der zweite Absatz dieser Bestimmung zählt demonstrativ mögliche Vorbeugemaßnahmen auf; die folgenden Absätze enthalten Durchführungsregelungen. Die Räumung von Wildbächen behandelt § 101 Abs 6 ForstG, wenn dort den Gemeinden neben der Begehung der Wildbachstrecken die sofortige Veranlassung der Beseitigung vorgefundener Übelstände, wie insbesondere das Vorhandensein von Holz oder anderen den Wasserlauf hemmenden Gegenständen aufgetragen wird. Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist der den Gemeinden auferlegte Pflichtenkreis daher auf die Begehung zur visuellen Wahrnehmung von körperlichen Hindernissen, die den Wasserlauf zu hindern geeignet sind, und deren Beseitigung beschränkt. Dass es dafür keiner Sachkunde auf dem Gebiet der Gerinnehydraulik bedarf, ist unzweifelhaft.
4. Die Kläger ziehen nach ihren Revisionsausführungen nicht in Zweifel, dass es der besonderen Kenntnisse eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Gerinnehydraulik bedurft hätte, um die Sohlanhebung zu erkennen. Folgt aber bereits aus dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut, dass die beklagte Gemeinde nach der Bestimmung des § 101 Abs 6 ForstG keine Verpflichtung traf, einen Sachverständigen mit den beschriebenen Kenntnissen zu beauftragen, um die jährliche Begehung durchzuführen, kommt es auch nicht mehr darauf an, welche unterhalb des Fachwissens eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Gerinnehydraulik gelegenen Kenntnisse die im Sinne dieser Gesetzesbestimmung zu beauftragenden Leute aufzuweisen haben. Dass es bei dieser Sachlage der beklagten Gemeinde gelungen ist, zu ihrer Haftungsbefreiung die
Kausalität der Pflichtwidrigkeit ernstlich zweifelhaft zu machen (vgl dazu Schragel, AHG3 Rz 141 mwN), stellen die Kläger in ihrer Revision nicht mehr in Frage.
Ihre Revision ist damit zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss noch einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die beklagte Gemeinde hat zwar die Zurückweisung der Revision beantragt, ist aber auf deren mangelnde Unzulässigkeit nicht eingegangen. Ihre Rechtsmittelbeantwortung war damit nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weshalb ihr auch kein Kostenersatz zusteht (1 Ob 204/14b).
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