European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00003.15W.0303.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.
B e g r ü n d u n g :
Im wiederaufzunehmenden Verfahren kam es zur Verurteilung der Klägerin (als damaligen Beklagten) zur Zahlung von 35.873,96 EUR sA Zug um Zug gegen Herausgabe eines PKW Ford Mustang, Baujahr 1970, zugrunde.
Das Erstgericht wies die
Wiederaufnahmsklage der Klägerin im Vorprüfungsverfahren (§ 538 Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens eines Wiederaufnahmsgrundes im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zurück. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Wert des Streitgegenstandes im Wiederaufnahmsprozess richtet sich grundsätzlich nach dem des Hauptprozesses (vgl RIS‑Justiz RS0042409) und übersteigt im vorliegenden Fall 30.000 EUR. Der von der Klägerin fälschlicherweise gestellte Antrag auf Abänderung des Ausspruchs zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses, verbunden mit dem ordentlichen Revisionsrekurs (§ 528 Abs 2a ZPO iVm § 508 ZPO), ist in einen außerordentlichen Revisionsrekurs nach § 528 Abs 3 ZPO (iVm § 505 Abs 4 ZPO) umzudeuten (RIS‑Justiz RS0123405 [T1]). Darin werden jedoch keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 528 Abs 1 ZPO angesprochen.
2. Wegen der in § 530 Abs 1 Z 7 ZPO angeführten Umstände ist die Wiederaufnahmsklage nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, vor Schluss der mündlichen Verhandlung die neuen Tatsachen oder Beweismittel geltend zu machen (§ 530 Abs 2 ZPO). Ob der Wiederaufnahmskläger die danach zumutbare Sorgfalt eingehalten hat, kann naturgemäß nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und wirft stellt dementsprechend regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0111578).
3. Das Rekursgericht hat ausführlich die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage dargestellt, wann vom Vorliegen eines „neuen Beweismittels“ im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO auszugehen ist, und aus welchem Grund ein nach Abschluss des Hauptprozesses eingeholtes (privates) Sachverständigengutachten regelmäßig eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigen kann (vgl dazu RIS‑Justiz RS0044834; RS0044555). Seine Entscheidung weicht auch nicht von der referierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab, wie die Revisionswerberin meint. Zwar trifft es zu, dass der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach die Ansicht vertreten hat, einem nachträglichen Gutachten könne die Eignung als Wiederaufnahmsgrund nicht von vornherein abgesprochen werden, wenn das Gutachten des Hauptprozesses auf einer unzulänglichen Grundlage beruhte, die durch das neue Gutachten vervollständigt wird (RIS‑Justiz RS0044834 [T10, T12]). Eine derartige Unzulänglichkeit muss aber konkret und schlüssig dargelegt werden (RIS‑Justiz RS0044834 [T14]). Davon kann hier aber keine Rede sein,
4. Der Sachverständige im Hauptprozess gelangte zum Ergebnis, dass die vom Wiederaufnahmsbeklagten (als Kläger des Vorprozesses) behaupteten Mängel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorhanden waren. Dieses Ergebnis versucht die Klägerin nunmehr umzustoßen, indem sie ‑ zusammengefasst ‑ geltend macht, der Beklagte habe mit dem Fahrzeug an motorsportlichen Veranstaltungen teilgenommen und erst dadurch den zur Wertminderung führenden Verschleiß und die Beschädigungen hervorgerufen. Der vorgebrachte Umstand, dass der Beklagte mit dem Fahrzeug an Rennen teilgenommen habe, ändert für sich noch nichts am Ergebnis des Vorprozesses. Erst der Umstand, dass Mängel am Fahrzeug nicht schon bei dessen Übergabe vorgelegen seien, wäre eine verfahrensrelevante Änderung des Sachverhalts. Wenn die Klägerin dazu geltend macht, die Nichtberücksichtigung der Verwendung des Fahrzeugs zu Rennzwecken bei der Gutachtenserstattung begründe dessen Unzulänglichkeit, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass sie ausreichend Gelegenheit hatte, im Rahmen der Gutachtenserörterung auf eine entsprechende Ergänzung hinzuwirken.
Ein Vorbringen in diese Richtung hatte sie im Hauptverfahren erstattet, sodass sie sich auch nicht darauf berufen kann, ihr wäre dieser Umstand gänzlich unbekannt gewesen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein nachträglich beigebrachtes Gutachten keine neue Tatsache, wenn das Thema des Gutachtens bereits im Hauptprozess bekannt war (RIS-Justiz RS0044834).
5.
Ein Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO kann auch in einem Verstoß gegen die prozessuale Diligenzpflicht liegen. Ein solcher ist gegeben, wenn eine Partei nicht die ihr zumutbaren Erhebungen pflegt, um die zur Dartuung ihres Prozessstandpunkts erforderlichen Zeugen und Beweismittel auszuforschen (RIS-Justiz RS0109743 [T3]). Eine Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren wegen Verschuldens des Klägers kommt immer dann in Betracht, wenn sich dieses bereits aus den - als richtig angenommenen - Tatsachenbehauptungen der Klage ergibt oder wenn in der Klage jede Behauptung fehlt, dass die Geltendmachung des als Wiederaufnahmsgrund angeführten Beweismittels im Vorprozess ohne Verschulden unmöglich war (RIS‑Justiz RS0044558). Die für die Einhaltung der zumutbaren Sorgfalt behauptungs- und beweispflichtige (dazu RIS‑Justiz RS0044558 [T6, T7, T9]) Klägerin hat kein Vorbringen erstattet, dass ihr die Vorlage von im Internet recherchierten Fotos zur Teilnahme des Beklagten an Motorsportveranstaltungen vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz im Hauptverfahren unverschuldet nicht möglich gewesen wäre. Es begründet daher insgesamt keine im Einzelfall (vgl RIS‑Justiz RS0037780 [T14]) aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, wenn sie die Wiederaufnahmsklage schon ausgehend von deren Inhalt a limine zurückwiesen.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 ZPO).
7. Die vom Beklagten ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof erstattete Rechtsmittelbeantwortung ist nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig und damit auch nicht zu honorieren.
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