Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Parteien wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die beiden klagenden und gefährdeten Parteien (im folgenden nur klagende Parteien) sind Schweizer Aktiengesellschaften, die mit Blutplasma und Plasmaprodukten handeln und diese Waren auch nach Österreich exportieren. Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Parteien (im folgenden nur Beklagter) ist als Ministerialrat Abteilungsleiter im „Gesundheitsministerium“ mit dem Aufgabenbereich der Unbedenklichkeits- und Qualitätssicherheit für Blut und Blutprodukte und veranlaßte einen Rundbrief des „Gesundheitsministeriums“ an die WHO, an Ministerien im In- und Ausland sowie an die wichtigsten österreichischen Geschäftspartner der klagenden Parteien, worin ua der dringende Verdacht geäußert wurde, die Produkte der klagenden Parteien seien nicht virussicher und somit gesundheitsgefährdend, es bestehe weiters der Verdacht, daß nicht für die Anwendung am Menschen bestimmte Diagnostika der klagenden Parteien als Arzneimittel für den menschlichen Gebrauch gekennzeichnet sein könnten und schließlich, die Produkte der klagenden Parteien dürften in Österreich nicht in den Verkehr gebracht werden.
Das Erstgericht wies den Antrag der klagenden Parteien, zur Sicherung ihres Anspruchs gegen den Beklagten auf Unterlassung ehrverletzender und kreditschädigender Äußerungen, worauf die Unterlassungsklage gerichtet sei, werde dem Beklagten die Unterlasssung geboten, über die klagenden Parteien zu behaupten, daß die Plasmaquellen der von den klagenden Parteien vertriebenen Produkte möglicherweise nicht nachvollziehbar, diese Produkte daher nicht virussicher und somit gesundheitsgefährdend seien, weiters, es bestehe der Verdacht, daß nicht für die Anwendung am Menschen bestimmte Diagnostika der klagenden Parteien als Arzneimittel für den menschlichen Gebrauch gekennzeichnet sein könnten und die Produkte der klagenden Parteien in Österreich nicht in den Verkehr gebracht werden dürften, oder die klagenden Parteien in gleichsinniger Weise in der Ehre zu verletzen oder deren wirtschaftlichen Ruf zu schädigen (§ 1330 ABGB), wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs aus dem Grund des § 9 Abs 5 AHG ab, weil der Beklagte hoheitlich gehandelt habe. Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß es das Verfahren über den Sicherungsantrag einschließlich des erstgerichtlichen Beschlusses als nichtig aufhob und den Sicherungsantrag zurückwies.
Rechtliche Beurteilung
a) Der - vom Rekursgericht nicht zugelassene - Revisionsrekurs ist aus dem Grunde des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Satz ZPO nicht jedenfalls zulässig. Trotz der geänderten Spruchfassung des Rekursgerichts liegt ein bestätigender Beschluß vor, weil die Verneinung der Zulässigkeit des Rechtswegs aus dem Grunde des § 9 Abs 5 AHG einzige Rechtsgrundlage beider Entscheidungen war. Sind die tragenden Entscheidungsgründe der vorinstanzlichen Beschlüsse (hier: für die übereinstimmende Weigerung, über den Sicherungsantrag der klagenden Parteien in der Sache zu entscheiden) identisch, handelt es sich ungeachtet der Verschiedenheit des Spruchs (Abweisung durch das Erstgericht, Zurückweisung durch das Rekursgericht) in Wahrheit um einen zur Gänze bestätigenden Beschluß des Rekursgerichts (8 Ob 13/91 nv; RIS-Justiz RS0044089; vgl auch JBl 1966, 45). Die Neufassung des Spruchs durch das Rekursgericht diente somit nur der Richtigstellung bzw Verdeutlichung der erstgerichtlichen Entscheidung, ohne dessen Rechtskraftwirkung zu berühren; es liegt somit eine echte Bestätigung vor (Kodek in Rechberger, § 528 ZPO Rz 4 mwN). Damit ist aber zufolge § 402 Abs 1 zweiter Satz EO die Anfechtung der zweitinstanzlichen Entscheidung nur wegen Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO zulässig. Diese Voraussetzungen liegen indes hier nicht vor:
b) Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (1 Ob 49, 54/95 = SZ 68/220; 1 Ob 50/95; 1 Ob 1/96 = EvBl 1997/35 ua, zuletzt 1 Ob 2406/96x; RIS-Justiz RS0087676; Zechner in JBl 1996, 48; Mader in Schwimann 2 § 9 AHG Rz 9) sind entgegen früherer Rspr gegen das Organ aus dessen hoheitlichem Handeln gerichtete Klagen in jedem Fall zurück- und deren Begehren in keinem Fall abzuweisen. Bei der gemäß § 9 Abs 5 AHG erforderlichen Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs gegen ein Organ ist jeweils zu untersuchen, ob die klagende Partei die beklagte Partei inhaltlich aus einem Hoheitsakt in Anspruch nimmt; dabei kommt es für die prozessualen Konsequenzen der Bejahung eines solchen absoluten Prozeßhindernisses ebensowenig darauf an, ob sich dieses bereits aus der Klageerzählung ergibt oder ob erst im Lauf des Verfahrens offenkundig wird, daß das Klagebegehren ausdrücklich auf Amtshaftung gestützt oder darauf gerade nicht gestützt wird und ob der Anspruch in merito zu Recht besteht. Daß diese Grundsätze auch im Sicherungsverfahren zu gelten haben, ist evident: Ein mangels Rechtswegszulässigkeit nicht bestehender Anspruch ist der Sicherung durch eine Provisorialentscheidung entrückt, dient doch die einstweilige Verfügung gerade der Sicherung eines konkret geltend gemachten Hauptanspruchs. Im Fall eines Sicherungsantrags vor Einleitung des Prozesses könnte wohl auch keine Rechtfertigung (§ 391 Abs 2 EO) durch eine mangels Rechtswegszulässigkeit unzulässige Klage erbracht werden.
Für das Hauptverfahren wurde vom erkennenden Senat zur „Rufschädigung durch hoheitlich handelnde Organe“ in den Entscheidungen 1 Ob 47/89 (= SZ 63/25 = MuR 1990, 96 [Polley] = ecolex 1990, 607 [Kletecka] zu Briefen eines Bürgermeisters im Zusammenhang mit einem von ihm geführten gewerberechtlichen Verfahren; beklagt war das Organ), 1 Ob 2/92 (zu Äußerungen des Leiters der Bundespolizeidirektion Salzburg bei einem ORF-Interview; belangt waren zwei Rechtsträger) und zuletzt 1 Ob 8/96 (ecolex 1996, 597 [Kletecka] zu Äußerungen des Abteilungsleiters für das Minderheitenschulwesen beim zuständigen Landesschulrat; beklagt war das Organ) bereits ausgesprochen, auch wenn die „Rufschädigung durch hoheitlich handelnde Organe“ behauptet werde, unterfielen der Unterlassungs- und der Widerrufsanspruch wegen Verbreitung kreditschädigender Tatsachen nach § 1330 ABGB den Bestimmungen des § 1 Abs 1 bzw § 9 Abs 5 AHG. Daran ist ungeachtet der Bedenken Kleteckas (aaO; ders., Schutz gegen „hoheitliche Kreditgefährdung“ ? in ecolex 1993, 441 ff), der auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützte Unterlassungsklagen gegen das Organ als zulässig erachtet, wenn die Tatsachenmitteilung nicht Teil eines hoheitlichen Aktes im engeren Sinn ist, Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren dagegen de lege lata als ausgeschlossen ansieht, festzuhalten. Die Auffassung Kleteckas, habe das Organ nicht im Bereich der Hoheitsverwaltung im „engeren Sinn“ gehandelt und könne der Verletzte den Rechtsträger angesichts der Beschränkung der Amtshaftungsansprüche auf Schadenersatz in Geld nicht in Anspruch nehmen, so sei ein direkter (Unterlassungs-)Anspruch gegen das Organ mit dem AHG vereinbar, wurde vom Obersten Gerichtshof abgelehnt, weil durch derartige gerichtliche Unterlassungsgebote der verfassungsrechtlich angeordneten Gewaltentrennung (Art 94 B-VG) zuwidergehandelt werden würde. Das Gesetz hat die materiellrechtliche Norm des § 1 Abs 1 erster Satz AHG, nach der das Organ selbst dem Geschädigten nicht haftet, durch die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 9 Abs 5 AHG ergänzt. Die eingehenden Ausführungen der zweiten Instanz, daß die Vollziehung des Arzneimittelgesetzes durch das „Gesundheitsministerium2 seinem Wesen nach hoheitlicher Natur sei, wird im Rechtsmittel gar nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, so sind nach stRspr auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (SZ 60/156, SZ 64/85 uva, zuletzt 1 Ob 117/97f; RIS-Justiz 0049948). Der Tätigkeitsbereich, der die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zum Gegenstand hat, ist einheitlich als hoheitlich anzusehen, auch wenn das Organ ungeachtet seiner nach der hier innerministeriellen Geschäftseinteilung fehlenden Zuständigkeit tätig wird oder überhaupt seinen Befugniskreis überschreitet (SZ 54/171 ua; Mader aaO § 1 AHG Rz 27). Daher ist die Entscheidung über die Zulässigkeit der Unterlassungsklage gegen das Organ nicht etwa daran anzuknüpfen, ob die Tatsachenmitteilung Teil eines hoheitlichen Akts im engeren Sinn ist, sondern daran, ob die Tatsachenmitteilung einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang zur hoheitlichen Aufgabe des Organs aufweist. Besteht ein solcher Zusammenhang, so soll das Organ nach den Wertungen des § 9 Abs 5 AHG auf keinen Fall in ein Prozeßrechtsverhältnis hineingezogen werden können. Es hieße wohl auch einem Wertungswiderspruch das Wort reden, wollte man gerade bei Unterlassungsklagen gegen Organe von Rechtsträgern in deren hoheitlichen Bereich zwischen hoheitlichen Akten im engeren („schlichte Hoheitsverwaltung“?) und im weiteren Sinne mit unterschiedlicher rechtlichen Konsequenzen differenzieren, während sonst einer solchen Unterscheidung im Amtshaftungsrecht keine Bedeutung beigemessen wird. Eine in diesem Zusammenhang bei Unterlassungsansprüchen gegen den Rechtsträger oder das Organ bestehende allfällige Rechtsschutzlücke zum Nachteil des durch - im obigen Sinn - hoheitlich erfolgte kreditschädigende Äußerungen Betroffenen entzieht sich einer Schließung durch die Rechtsprechungsorgane.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§§ 78, 402 EO iVm § 528a, § 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)