OGH 1Ob2/94

OGH1Ob2/9416.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas W*****, vertreten durch Dr.Michael Wonisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Paul D*****, und 2. V***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** beide vertreten durch Dr.Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 903.341,50 s.A. und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13.Oktober 1993, GZ 1 R 125/93-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8.März 1993, GZ 2 Cg 346/91-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 22.441,34 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.740,22 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

An einem Verkehrsunfall waren der Kläger als Lenker eines PKW und der Erstbeklagte als Lenker eines Postautobusses beteiligt, dessen Halterin im Unfallszeitpunkt die Republik Österreich und dessen Haftpflichtversicherer die zweitbeklagte Partei war.

Mit der Behauptung, den Erstbeklagten treffe an diesem Unfall das Alleinverschulden, begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur ungeteilten Hand zum Ersatz seines insgesamt mit S 903.341,50 bezifferten Personen- und Sachschadens sowie die Feststellung deren Haftung für künftige Nachteile aus diesem Unfall.

Die beklagten Parteien bestritten insbesondere ihre Passivlegitimation. Der Erstbeklagte habe den Autobus in Vollziehung der Gesetze gelenkt, weil dieser auch zur Briefbeförderung eingerichtet gewesen und die Annahme, Weiterleitung und Abgabe von Postsendungen der Hoheitsverwaltung des Bundes zuzurechnen sei. Das Organ hafte dem Geschädigten nicht. Da für den Postautobus keine Versicherungspflicht bestanden habe und der Bund die Haftpflichtversicherung daher freiwillig genommen habe, sei das Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsgesetz und somit auch dessen § 22 Abs.1 nicht anwendbar, sodaß der Kläger die zweitbeklagte Partei nicht direkt in Anspruch nehmen könne.

Im Zuge des Verfahrens stützte der Kläger sein Ersatzbegehren auch auf Amtshaftung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, im Unfallszeitpunkt habe der Erstbeklagte den Autobus von einer fahrplanmäßigen Fahrt zur nächstfolgenden überstellt. Er habe dabei ebensowenig Personen wie Postsendungen befördert. Die Postautobuslinie, auf der der Autobus eingesetzt sei, diene sowohl der Personen- wie auch der Postbeförderung. Nach Punkt 4.4 der Dienstvorschrift für den Postautodienst sei der Lenker des Postautobusses bei Kurs- und Verstärkerfahrten auf inländischen Postautolinien verpflichtet, an den Haltestellen nicht bescheinigte Briefsendungen entgegenzunehmen, die gegen Verlust und die Verletzung des Postgeheimnisses zu schützen seien. Nach Ankunft am Endort seien die Briefsendungen entweder dem Empfänger oder dem nächstgelegenen Postamt zu übergeben. Sei das nicht möglich, seien die Sendungen in den nächsten Briefkasten einzuwerfen oder gegebenenfalls der Bahnpost zu übergeben. Auf Verlangen habe der Kläger als Beauftragter des Absenders mit den Briefsendungen auch Freimachungsbeträge (Porti) zu übernehmen, die Freimachung bei nächster Gelegenheit selbst zu besorgen oder die Sendung mit dem Geldbetrag dem Postamt zu übergeben. Der Lenker habe gewissenhaft darauf zu achten, daß nach Beendigung der Kursfahrt keine der von ihm übernommenen Sendungen im Wagen zurückbleibe. Der Auftraggeber könne auch verlangen, daß eine freigemachte Briefsendung nach Art der Poststückbeförderung dem bei einer anderen Haltestelle wartenden Empfänger ausgefolgt werde. In solchen Fällen entwerte der Lenker die Briefmarken durch kreuzweises Durchstreichen mit einem Kugelschreiber. An der Endstelle der vorhergegangenen planmäßigen Fahrt befinde sich zwar in unmittelbarer Nähe ein Postamt, der Fahrer sei aber dort in Zeitnot, weil er bereits fünf Minuten nach der fahrplanmäßigen Ankunft am Ort des Beginns der nächsten fahrplanmäßigen Fahrt sein solle und die Überstellungsfahrt dorthin länger als fünf Minuten dauere.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht die Passivlegitimation der beklagten Parteien aus den von diesen vorgetragenen Argumenten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es stellte ergänzend fest, es sei auch „heute gang und gäbe“, Poststücke (zu ergänzen: durch Autobusses) zu befördern, und führte in Erledigung der Rechtsrüge aus, gemäß § 2 PostG hätten die dort genannten Behörden die der Post übertragenen behördlichen Aufgaben wahrzunehmen, zu denen vor allem die Beförderungsaufgaben zählten. Gemäß § 6 PostG sei die Post grundsätzlich verpflichtet, Sendungen zu befördern, sodaß die Postbeförderung hoheitlicher Natur sei. Das bezweifle auch der Kläger nicht, Zweifel seien allerdings im Schrifttum angemeldet worden, wenn mit dem Kurswagen zwar Briefe befördert werden könnten, zur Unfallszeit aber Briefe nicht befördert worden seien. Von der Rechtsprechung sei das aber bejaht worden, wenngleich der Oberste Gerichtshof in ZVR 1984/257 an dieser Rechtsprechung offenbar gleichfalls Zweifel habe anklingen lassen, ohne dazu jedoch näher Stellung zu nehmen. Gemäß § 16 PostG dürfe die Post nach Maßgabe der hiefür geltenden gesetzlichen Vorschriften Personen befördern. Während also eine gesetzliche Verpflichtung zur Postbeförderung bestehe, räume die genannte Bestimmung der Post lediglich die Befugnis zur Personenbeförderung ein. Das ändere aber nichts daran, daß die Organe der Post im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig würden, wenn sie sowohl die Post- wie auch die Personenbeförderung zu bewerkstelligen haben. Der Lenker eines Postautobusses müsse an den Haltestellen nicht bescheinigte Briefsendungen entgegennehmen, die Sendungen gegen Verlust und die Verletzung des Postgeheimnisses schützen, Freimachungsbeträge übernehmen, die Sendungen selbst freimachen oder sie mit dem Geldbetrag dem Postamt übergeben. Daß die Fahrt mehreren Zwecken gedient habe, habe nicht auch zur Folge, daß der Erstbeklagte gleichzeitig mehrere rechtlich erhebliche Eigenschaften aufgewiesen habe. Das Lenken des Postautobusses sei vielmehr eine einheitliche, nicht nach verschiedenen Zwecken teilbare Tätigkeit und gehöre somit zur Hoheitsverwaltung. Daß sich der Postautobus auf einer Überstellungsfahrt befunden habe, sei unerheblich, weil auch solche Fahrten dem Postverkehr dienten und auch im Anlaßfall eine Postbeförderung möglich gewesen sei.

Zutreffend habe das Erstgericht einen direkten Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer verneint. Nach § 59 Abs.1 KFG müsse für zum Verkehr zugelassene Kraftfahrzeuge und Anhänger eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung abgeschlossen werden, eine Ausnahme statuiere jedoch Abs.2 für Fahrzeuge im Besitz des Bundes und der von Gebietskörperschaften betriebenen Unternehmen. Da die Post ein Unternehmen des Bundes sei, habe für den von ihr eingesetzten Autobus keine Versicherungspflicht bestanden. § 22 Abs.1 KHVG, der den Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer regle, gelte nur im Anwendungsbereich des Gesetzes, das gemäß seinem § 1 Abs.1 aber nur auf Versicherungsverträge anzuwenden sei, die in Erfüllung der Versicherungspflicht gemäß § 59 Abs.1 KFG abgeschlossen wurden. Die freiwillige Versicherung nach § 59 Abs.2 KFG falle dagegen nicht darunter. Auch aus § 2 KHVG lasse sich ein gegenteiliger Schluß nicht ableiten, dessen Abs.1 ausdrücklich auf jene Abschnitte des Gesetzes Bezug nehme, die auch auf freiwillige Versicherungen anzuwenden seien. Zu diesen gehöre aber nicht auch der Abschnitt VI, der das direkte Klagerecht nach § 22 KHVG umfasse. Die Absicht des Gesetzgebers, die freiwillige Versicherung vom direkten Klagerecht auszunehmen, ergebe sich aus § 22 KHVG, der festlege, unter welchen Voraussetzungen das direkte Klagerecht auch bei freiwilligen Versicherungen gegeben sei. Der Hinweis auf ZVR 1984/257, gehe ins Leere, weil diese Entscheidung auf der Grundlage des § 63 Abs.1 KFG ergangen sei, der aber zwischen freiwilliger und Pflichthaftpflichtversicherung nicht unterschieden habe.

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Er wirft in seinem Rechtsmittel zwei Rechtsfragen auf, zum einen, ob der Lenker eines Postautobusses, der auch zur Beförderung von Postsendungen bestimmt ist, aber im maßgeblichen Zeitpunkt solche nicht befördert hat, in Vollziehung der Gesetze - somit im Rahmen der Hoheitsverwaltung - tätig sei, sodaß nur Amtshaftung in Betracht komme, und zum andern, ob die im § 22 KHVG vorgesehene Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer auch dann möglich sei, wenn der Halter des Fahrzeugs gemäß § 59 Abs.2 KFG von der Versicherungpflicht ausgenommen ist.

A. Zur Frage der Einordnung der Tätigkeit der Post in die Hoheits- oder in die Privatwirtschaftsverwaltung:

Zu dieser Frage hat der erkennende Senat in einem Fall, in dem der Bund nach den Behauptungen des Geschädigten durch die Herausgabe einer Sonderpostmarke in dessen Urheberrecht eingegriffen hat, in der mehrfach (SZ 64/85 = JBl. 1992, 122 = RdW 1991, 323 = ÖBl. 1992, 12 = MR 1992, 152 = GRURInt 1992, 12) veröffentlichten Entscheidung vom 26.6.1991, 1 Ob 11/91, Stellung genommen: Nach Rechtsprechung und Lehre (SSt 52/22 ua; SZ 39/98 ua; Schragel, AHG2 Rz 108; Walter-Mayer, Besonderes Verwaltungsrecht2, 510; vgl. auch Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 211) ist die Tätigkeit der Post grundsätzlich der Hoheitsverwaltung zuzurechnen. Das trifft sowohl auf jene Bereiche des Postwesens, in denen die Postbehörden mit Bescheid zu entscheiden berufen sind, als auch auf den Bereich des Beförderungsvorbehalts zu: Die Beförderung von Sendungen, die schriftliche Mitteilungen oder sonstige Nachrichten enthalten (also vor allem Briefe), ist gemäß § 9 PostG ausschließlich der Post vorbehalten; jedermann ist verpflichtet, sich zur Beförderung solcher Sendungen der Post zu bedienen (§ 11 PostG - „Postpflicht“). Zur Wahrung des Beförderungsvorbehalts können hiezu ermächtigte Organe des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr bei begründetem Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Postpflicht unter Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdientes Beförderungsmittel anhalten und durchsuchen sowie Sendungen öffnen und beschlagnahmen (§ 12 PostG; Walter-Mayer aaO 511). Für die Leistungen der Post sind Gebühren zu entrichten (§ 27 PostG); die (Inlands-)Postgebühren sind in der Anlage zum Postgesetz geregelt. Es kann zwar nicht zweifelhaft sein, daß der Einsatz von Autobussen durch die Post im Liniendienst vorwiegend für die Personenbeförderung bestimmt ist, auf die sich der Beförderungsvorbehalt nicht erstreckt, ist doch die Post gemäß § 16 PostG nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften bloß „berechtigt“, ebenso wie andere befugte Unternehmen Personen zu befördern. Dennoch ist der Einsatz von Postautobussen, der - wie im vorliegenden Fall - auch zur Beförderung der dem Beförderungsvorbehalt unterworfenen Postsendungen bestimmt ist, insgesamt der Hoheitsverwaltung zuzurechnen, sodaß im Zusammenhang mit dem Betrieb solcher Fahrzeuge zugefügte Schäden gemäß § 1 Abs.1 AHG zulässigerweise nur im Rahmen der Amtshaftung gegen den Rechtsträger - hier also den Bund - geltend gemacht werden können: Ist Hoheitsverwaltung selbst dann anzunehmen, wenn eine Handlung die Ausübung hoheitlicher Gewalt bloß vorbereitet oder sonst hoheitlichen Zielsetzungen dient, weil alle mit Aufgaben hoheitlicher Natur zusammenhängenden Vorkehrungen als in Vollziehung der Gesetze getroffen angesehen werden, und ist der Tätigkeitsbereich, der die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zum Gegenstand hat, einheitlich als hoheitlich anzusehen, auch wenn einzelne Teile dieser Aufgaben so erfüllt werden, wie sie für sich genommen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild von jedermann vorgenommen werden könnten (SZ 64/85; Schragel aaO Rz 61 mwN), so muß das auch in Fällen - wie dem vorliegenden - gelten, in welchen die schadensstiftende Verhaltensweise gleichermaßen hoheitliche wie privatwirtschaftliche Elemente aufweist. Können die Merkmale, die Amtshaftung zur Folge haben, und jene, die die allgemeine Haftung nach den §§ 1295 ff ABGB auslösen würden, bei der Beurteilung der Rechtsfolgen eines Sachverhalts voneinander nicht getrennt werden, so muß die amtshaftungsrechtliche Tangente als die speziellere Regelung den Ausschlag geben (ähnlich auch ZVR 1967/149).

Ist demnach das Lenken eines Postautobusses dem Bereich der Hoheitsverwaltung zuzuordnen, weil es auch zur Beförderung von Postsendungen bestimmt ist, so kann weder dem Fehlen eines zum Einwurf von Postsendungen am Fahrzeug angebrachten Schlitz noch der Tatsache, daß bei der Unfallfahrt keine Postsendungen befördert wurden, für die Zuordnungsproblematik maßgebliche Bedeutung zugemessen werden, zumal das Berufungsgericht die ergänzende Feststellung traf, daß es auch gegenwärtig gang und gäbe sei, mit Postautobussen Postsendungen zu befördern. Entscheidend ist allein, ob der Autobuslenker seinen dienstlichen Aufträgen entsprechend Postsendungen entgegenzunehmen, weiterzubefördern und abzuliefern verpflichtet war (ZVR 1967/149). Auch daß der Erstbeklagte bei einer Überstellungsfahrt in den Unfall verwickelt wurde, ändert - abgesehen davon, daß nach den vorinstanzlichen Feststellungen die Beförderung von Postsendungen auch auf solchen Fahrten zu besorgen sein kann - an den vorher angestellten Erwägungen schon deshalb nichts, weil auch alle mit den an sich hoheitlichen Aufgaben zusammenhängenden Vorkehrungen als in Vollziehung der Gesetze angesehen werden (SZ 64/85 mwN). Die im Schrifttum gelegentlich an der hier aufrecht erhaltenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geübte Kritik will teils der Beförderung von Postsendungen als bloßer „Annextätigkeit“ für die Zuordnung der Gesamttätigkeit keinen ausschlaggebenden Stellenwert einräumen (Köckeis in ZVR 1966, 113, und Soche in ZVR 1976, 110), teils aber ganz allgemein auf die „Haupttätigkeit“ - also die Personenbeförderung - abstellen (Vrba-Zechner, AHR, 58). Mit Schragel (aaO Rz 109) ist diesen Argumenten jedoch entgegenzuhalten, daß die Ausscheidung der Briefbeförderung aus der Hoheitsverwaltung nicht damit begründet werden kann, die Fahrt zum Zweck der Personenbeförderung wäre auch ohne Briefbeförderung nicht unterblieben. Es stellt sich vielmehr nur die Frage, ob, erfüllt ein Organ durch dieselbe Tätigkeit gleichzeitig Aufgaben der Hoheits- und der Privatwirtschaftsverwaltung, die Zuordnung zu letzterer überhaupt möglich ist, doch ist das amtshaftungsrechtlich auszuschließen, weil die Haftung des Organs mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben dem Geschädigten gegenüber entfällt. Der daraus abzuleitende Schluß, daß der Lenker des Postautobusses Organ im Sinne des § 1 Abs.2 AHG ist, erscheint entgegen Soche (aaO) übrigens keineswegs „widersinnig“, ist doch auch der Private, der vertragsgemäß Post befördert, als Organ anzusehen; ebenso fällt die Teilnahme des Organs mit dessen Privatfahrzeug am Straßenverkehr unter die Amtshaftung, wenn die Fahrt zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben - wenn auch erst am Zielort - bestimmt ist.

Der Erstbeklagte haftet somit als Organ im Sinne des § 1 Abs.2 AHG dem Kläger nicht (§ 1 Abs.1 AHG). Zu Recht haben die Vorinstanzen das Ersatz- und Feststellungsbegehren deshalb abgewiesen, weil § 9 Abs.5 AHG dem Geschädigten den Rechtsweg für die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen gegen das Organ auch dann verwehrt, wenn der Kläger seine Ansprüche in erster Linie auf die allgemeine Schadenersatzpflicht (§§ 1295 ff ABGB) stützt (vgl. hiezu Schragel aaO Rz 262).

B. Zur Frage des direkten Klagsrechts:

Auch gegen die zweitbeklagte Partei kann der Kläger - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - sein Ersatzbegehren nicht erfolgreich geltend machen. Wie der Oberste Gerichtshof in den beiden ausführlich begründeten Entscheidungen vom 1.7.1992, 2 Ob 6/92 (= JBl. 1993, 235 = ZVR 1993/112) und vom 29.4.1993, 2 Ob 65/92 (= ZVR 1994/15) - also teils noch vor der am 4.12.1992 kundgemachten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsgesetz-Novelle 1992 (BGBl. 1992/770) - ausgesprochen hat, wurden die Bestimmungen über das direkte Klagerecht des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer gemäß § 63 Abs.1 KFG mit dem Inkrafttreten des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsgesetzes durch dessen § 22 Abs.1 ersetzt. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs.1 KHVG sind nun die Vorschriften über das direkte Klagerecht nur auf Versicherungsverträge anwendbar, die in Erfüllung der Versicherungspflicht gemäß § 59 Abs.1 KFG abgeschlossen werden; die freiwillige Versicherung nach § 59 Abs.2 KFG ist somit davon ausgenommen. Anhaltspunkte dafür, daß dem Gesetzgeber dabei ein Redaktionsversehen unterlaufen sei, sind nicht erkennbar. Die Korrektur eines solchen Fehlers im Wege berichtigender Auslegung setzt voraus, daß der wahre Wille des Gesetzgebers mit Sicherheit nachweisbar ist (ImmZ 1980, 289 ua). Davon kann aber bei § 1 Abs.1 KHVG keine Rede sein. Wenn auch die Materialien (RV, 110 BlgNR 17.GP zu § 1 bzw. zu den §§ 22 bis 25) diese Frage nicht weiter erörtern, so kann daraus jedoch noch nicht geschlossen werden, daß den Gesetzesverfassern dabei ein Irrtum unterlaufen wäre, der dem Willen des Gesetzgebers zuwiderliefe. Selbst in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsgesetz-Novelle 1992 wurde diese Bestimmung nicht geändert, was aber gewiß zu erwarten gewesen wäre, wenn die zitierte Bestimmung versehentlich zu eng gefaßt worden wäre; so hat der Novellengesetzgeber insbesondere auch den Geltungsbereich des Gesetzes durch eine Änderung des § 2 KHVG ausgedehnt. Es fällt auch auf, daß der Gesetzgeber schon in dieser Bestimmung unter der Überschrift „Freiwillige Versicherung“ ausdrücklich auf jene Abschnitte Bezug nimmt, die auch auf solche Versicherungen anzuwenden sind, und im § 2 Abs.2 KHVG u.a. der Abschnitt VI über das direkte Klagerecht unter den dort umschriebenen Voraussetzungen für anwendbar erklärt. Das Problem der Direktklage bei nicht bloß auf Versicherungsverträge der im § 1 Abs.1 KHVG genannten Art beschränkten Versicherungsverhältnissen war dem Gesetzgeber also geläufig, sodaß ihm nicht unterstellt werden kann, er habe die freiwillige Versicherung gemäß § 59 Abs.2 KFG bei der Gesetzwerdung des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsgesetzes übersehen; es wäre ihm ein leichtes gewesen, den Geltungsbereich der direkten Klage - wie das Messiner in seiner Glosse zu ZVR 1993/112 moniert hat - auch auf die freiwillige Versicherung nach § 59 Abs.2 KFG auszudehnen. Auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 21.9.1983, 1 Ob 27/83 (= SZ 56/133 = ZVR 1984/257) kann sich der Kläger angesichts der erst danach geänderten Rechtslage nicht mit Erfolg berufen. Diese Entscheidung erging auf der Grundlage des § 63 Abs.1 KFG, der zwischen der Pflicht- und der freiwilligen Haftpflichtversicherung gemäß § 59 Abs.1 und 2 KFG nicht unterschieden hat.

Der erkennende Senat, der deshalb an dieser Auffassung festhält, hegt auch anders als der Kläger keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ausnehmung der im § 59 Abs.2 KFG genannten Kraftfahrzeugbesitzer wegen Verletzung des Gleichheitsgebots, das sachlich gerechtfertigten Differenzierungen nicht entgegensteht (VfSlg. 2088/1951 uva): Rechtspolitisches Motiv für die Versicherungspflicht ist es, den Geschädigten nicht an der mangelnden Einbringlichkeit berechtigter Ersatzansprüche beim Haftpflichtigen scheitern zu lassen; dieser Beweggrund trifft aber nicht auch auf die im § 59 Abs.2 KFG von der Versicherungspflicht ausgenommenen Fahrzeugbesitzer zu.

Mangels direkten Klagerechts kann daher auch die zweitbeklagte Partei vom Kläger nicht unmittelbar in Anspruch genommen werden, sodaß der Revision insgesamt ein Erfolg zu versagen ist.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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