OGH 1Ob28/92

OGH1Ob28/9215.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Graf, Dr. Schiemer und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene K*****, Private, *****, vertreten durch Dr. Thomas Prader und Dr. Werner Goeritz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 922.808,48 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. März 1992, GZ 14 R 31/92-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Oktober 1991, GZ 32 Cg 1995/91-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.842,32 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt aus dem Titel der Amtshaftung den Zuspruch des Betrages von S 922.808,48 samt Anhang. Sie brachte vor, am 13.7.1989 sei ihr geschiedener Ehegatte Dr. Abdul ***** G***** in Wien 3 ermordet worden. Österreichische Behörden und/oder Gerichte hätten durch Unterlassung entsprechender Aufklärungsarbeit bzw. durch Unterlassung der sich aus den Ermittlungen ergebenden Konsequenzen, nämlich dringender Tatverdacht gegen bestimmte Personen zu einem Zeitpunkt, als diese für österreichische Behörden noch greifbar gewesen seien, es diesen ermöglicht, sich der Strafverfolgung durch österreichische Gerichte zu entziehen. Der Klägerin sei es damit unmöglich gemacht worden, zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen und ihre Hintermänner durchzusetzen. Bei rechtzeitiger Festnahme der dringend Tatverdächtigen wäre es aller Voraussicht nach möglich gewesen, nicht nur die Täterschaft der unmittelbar Beteiligten nachzuweisen, sondern auch nachzuweisen, daß, wie bereits heute fast zwingend anzunehmen sei, die Tat im Auftrag höchster Regierungsstellen der ***** Republik I***** im Rahmen derer Regierungstätigkeit erfolgt sei. Damit wäre es der Klägerin bei rechtzeitiger Festnahme der dringend Tatverdächtigen gelungen, ihre Ansprüche nicht nur gegenüber den unmittelbar Tatbeteiligten, sondern gegen die ***** Republik I***** selbst geltend zu machen. Der Klägerin sei durch die Unterlassung der entsprechenden Ermittlungstätigkeit die Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche unmöglich gemacht worden, da die dringend Tatverdächtigen nunmehr zur Geltendmachung und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche nicht mehr zur Verfügung stünden. Dringend der Tat verdächtigt seien Amir ***** B***** und Mohamed ***** S*****. Gegen die beiden genannten Personen seien spätestens vor dem Zeitpunkt, in dem sie für die österreichischen Behörden nicht mehr greifbar gewesen seien, ausreichende Verdachtsmomente vorgelegen, die in Richtung eines dringenden Tatverdachtes der Beteiligung an der Ermordung hingewiesen hätten. Es sei davon auszugehen, daß diese Verdachtsmomente bei einer ordnungsgemäßen Ermittlung hätten vorliegen müssen. Die Klägerin schildert in der Folge detailliert die bis zum Zeitpunkt der Abreise der beiden Verdächtigen bestandenen Verdachtsmomente. Sie faßt den von ihr dargelegten Sachverhalt dahin zusammen, österreichische Gerichte und österreichische Behörden hätten sich gegenüber einer offenkundigen Völkerrechtsverletzung durch die Botschaft der ***** Republik I***** gebeugt. Dies stelle einen in der österreichischen Rechtsgeschichte wohl außerordentlichen Vorgang dar. Bei entsprechender Ermittlung und bei rechtzeitiger Erlassung von Haftbefehlen wäre es voraussichtlich möglich gewesen, die Schadenersatzansprüche der Klägerin gegenüber den Mördern geltend zu machen, aber auch gegenüber Hintermännern und infolge der höchstwahrscheinlich gegebenen Mittäterschaft höchster ***** Regierungskreise, die bei einer rechtzeitigen Verhaftung von B***** und S***** voraussichtlich hätte erwiesen werden können, auch gegen die ***** Republik I*****. Durch die Vorgangsweise der österreichischen Behörden und Gerichte seien der Klägerin diese Möglichkeiten verloren gegangen. Der Klägerin seien Todfallskosten erwachsen (Begräbniskosten, Bekleidung, Reisekosten), außerdem sei ihr der vom Ermordeten geleistete Unterhalt in der Zeit von August 1989 bis Jänner 1991 entgangen. Neben der Geltendmachung der finanziellen Verluste gehe es der Klägerin auch und vor allem darum darzustellen, welche Unterlassungen durch die österreichischen Behörden in diesem Strafverfahren erfolgt seien. Im Strafakt selbst fänden sich nur geringfügige Hinweise darauf, daß seitens der ***** Republik I***** politisch zur Unterdrückung der Untersuchungen bzw. zur Nichtverhaftung des B***** und des S***** interveniert worden sei. Solche Interventionen seien zwar ursprünglich von seiten des Außenministeriums bestätigt, später jedoch wieder dementiert worden. Das Gesamtverhalten der österreichischen Stellen zeige, daß es den österreichischen Regierungsstellen entweder wegen eines tatsächlichen außenpolitischen Drucks der ***** Republik I***** oder aus Furcht vor solchen Maßnahmen hauptsächlich darum gegangen sei, sich gegenüber der ***** Republik I***** wohl zu verhalten. Nachdem die Freiheitsbewegung der ***** Partei und des ***** Volkes im I***** ihren wichtigsten Führer im Freiheitskampf durch dieses Verbrechen verloren habe, seien die in ihrer Heimat Unterdrückten durch Österreich des Schutzes der Menschenrechte beraubt. Es gehe nicht an, daß die österreichischen Behörden durch ein derartiges Verhalten den internationalen Staatsterrorismus gerade dazu einladen, schwerste Verbrechen auf österreichischem Hoheitsgebiet zu begehen, da sie hoffen könnten, daß, solange zumindest gebürtige Österreicher davon nicht betroffen seien, sie straffrei ausgingen. Nicht zuletzt Vorfälle wie diese seien geeignet, das Ansehen Österreichs in der Welt empfindlich zu untergraben. Ausländern gegenüber werde der Eindruck erweckt, daß sie Menschen zweiter Klasse seien, die nicht durch die österreichischen Gesetze geschützt würden. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12.6.1991 brachte die Klägerin ergänzend vor, zum Zeitpunkt, als die mutmaßlichen Täter hätten verhaftet werden müssen, hätten sie auch hinlänglich pfändbares Vermögen in Österreich besessen.

Die beklagte Republik wendete unter anderem ein, die Klägerin beurteile den Sachverhalt aus dem Wissensstand zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt. Nach dem damaligen Kenntnisstand über den Hergang der Tat und die äußeren Umstände hätten die Organe der beklagten Partei jedoch die erforderlichen Maßnahmen gesetzt. Daß der Täter schließlich nicht habe überführt werden können, sei nicht auf schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten von Organen der beklagten Partei zurückzuführen. Bestritten werde auch der von der Klägerin angenommene Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhang. Selbst wenn der Täter überführt worden wäre, so spräche alles dagegen, daß diesfalls überhaupt, geschweige denn ein hoher Schadenersatzanspruch gegen diesen in der Folge durchsetzbar bzw. einbringlich gewesen wäre. Die Behauptung, daß es der Klägerin diesfalls möglich gewesen wäre, die ***** Republik I***** zum Schadenersatz zu verpflichten, erscheine nicht schlüssig nachvollziehbar. Beweispflichtig für ihre Behauptungen sei die Klägerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab. Die Klägerin sei die geschiedene Gattin eines der Getöteten. Daraus ergebe sich aber, daß sie nicht vom Schutzzweck der Norm des § 175 StPO umfaßt sei, weil es nicht Zweck eines der im § 175 StPO aufgezählten Haftgründe sein könne, spätere Unterhaltsansprüche eines Angehörigen eines Opfers bzw. des Bedrohten zu schützen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Da nicht nachgewiesen werden könne, daß jeder der drei ***** Delegationsmitglieder vom Überfall gewußt habe oder daran beteiligt gewesen sei, böten die in der Klage wiedergegebenen Ergebnisse nicht einmal die Gewähr dafür, daß gegen B***** und S***** hätte Anklage erhoben werden können. Da gemäß § 1 Abs 1 AHG die Unterlassung pflichtgemäßen Handelns dann zum Schadenersatz führe, wenn pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte, aus dem Vorbringen in der Klage jedoch nicht abgeleitet werden könne, daß bei Verhängung der Verwahrungs- bzw. Untersuchungshaft bei der Klägerin der behauptete Schaden nicht eingetreten wäre, sei der Berufung schon allein aus diesem Grund nicht Folge zu geben. Im übrigen könne in der Verneinung eines dringenden Tatverdachtes kein Ermessensmißbrauch gesehen werden. Aus keiner der in der Klage behaupteten Tatsachen lasse sich ableiten, daß B***** oder S***** auf die Verwertbarkeit der Beweismittel negativ eingewirkt hätten, sodaß durch die Unterlassung ihrer Verhaftung die Aufklärung der Tat erschwert worden wäre.

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 1 Abs 1 AHG bilden die Grundsätze des bürgerlichen Rechts die Grundlage, nach der sich die Haftung der Rechtsträger bestimmt (SZ 57/172; SZ 54/12; SZ 53/83 uva, Schragel, AHG2 127). Es ist allgemein anerkannt, daß jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen hat (SZ 61/89; SZ 60/119; MietSlg. 34.640 mwN uva). Soweit nicht abweichende Regeln eingreifen, trägt daher der Anspruchsteller die Beweislast für alle rechtsbegründenden Tatsachen (SZ 60/119 mwN). Die Klägerin trifft daher die Behauptungs- und Beweislast, daß der von ihr geltend gemachte Schaden überhaupt entstanden ist (1 Ob 33/88, 3 Ob 167/76; Mayrhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3 340; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 327 mwN in FN 18 f; Wolff in Klang 2 VI 45; Baumgärtl, Handbuch der Beweislast im Privatrecht2 Rz 30 zu § 823 BGB mwN in FN 94). Die Klägerin behauptet, durch rechtswidriges schuldhaftes Verhalten von Organen des beklagten Rechtsträgers sei es ihr unmöglich gemacht worden, ihre zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche gegen die dringend Tatverdächtigen durchzusetzen, da, wie sie ausführt, „diese nunmehr zur Geltendmachung und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche nicht mehr zur Verfügung stehen“. Ein Schaden wäre der Klägerin aber nur dann entstanden, wenn die von ihr behaupteten Forderungen bei rechtmäßigem Verhalten von Organen der beklagten Partei nicht nur - wie die Klägerin ergänzend vorbrachte - in Österreich festgestellt, sondern auch wo immer durchgesetzt hätten werden können. Wären auch bei Verhaftung der Tatverdächtigen Schadenersatzansprüche nicht einbringlich zu machen gewesen, hätte die Klägerin eine in Geld meßbare Einbuße nicht erlitten. Der Klägerin oblag daher nach allgemeinen Grundsätzen der Beweis, daß der Entfall eines rechtskräftigen Leistungsurteiles eine in Geld meßbare Vermögenseinbuße darstellte. Dafür wäre es aber notwendig gewesen, nicht nur ihren Vermögensstand nach dem behaupteten rechtswidrigen und schuldhaften Organverhalten darzulegen, sondern, weil ein Schade grundsätzlich nur an Hand einer auf den jetzigen Zeitpunkt abgestellten Differenzrechnung zwischen dem hypothetischen und dem Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis festzustellen ist (JBl. 1991, 320; SZ 53/107 mwN uva; Schragel aaO 152) auch darzulegen, daß ihre Forderungen einbringlich gewesen wären. Der Verlust einer uneinbringlichen Forderung stellt keinen Schaden dar (vgl. NJW 1986, 246; Heinrichs in Palandt 51 248; Soergel-Mertens 12 Rz 127 zu § 249 BGB; Lange, Schadenersatz2 198). Mit der unsubstantiierten Behauptung der Klägerin zum Zeitpunkt der der beklagten Partei vorgeworfenen Unterlassungen (und nicht zum Zeitpunkt, als ihr dann allenfalls zivilrechtliche Ansprüche rechtskräftig zuerkannt worden wären) hätten die mutmaßlichen Mörder Vermögen in Österreich besessen, mag von ihr dargetan worden sein, daß damals die Voraussetzungen des Vermögensgerichtsstandes nach § 99 JN vorgelegen wären, eine konkrete Vermögenseinbuße zeigt sie damit aber nicht auf.

Einer bei österreichischen Gerichten erhobenen zivilrechtlichen Schadenersatzklage gegen die ***** Republik I***** wäre schon deshalb aussichtslos gewesen, weil nach dem Vorbringen der Klägerin die ***** Republik I***** in Ausübung hoheitlicher Funktion gehandelt hätte, sodaß gegen sie gerichtete Schadenersatzklagen gemäß Art. IX EGJN der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen gewesen wären (Spruch 28 = SZ 23/143 uva, zuletzt SZ 63/206; Fasching, Lehrbuch2 Rz 59, vgl. Albers in Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO50 2069; Kissel, GVG Rz 3 f zu § 20).

Der Revision ist schon aus diesen Gründen der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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