OGH 1Ob286/99m

OGH1Ob286/99m27.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Gertraud Irlinger, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. Dr. Alaa A*****, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 678.000 sA und Vorlage einer Bankgarantie (Streitwert S 2,711.600), infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsstreitwert S 678.000) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. Mai 1999, GZ 16 R 181/98z-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Juli 1998, GZ 17 Cg 7/98v-9, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in der Abweisung des Begehrens auf Ausfolgung einer Bankgarantie (Punkt 4 des Berufungsurteils) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden im übrigen Umfang (Zahlungsbegehren und Kostenentscheidung) aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von S 678.000 sA und die Verschaffung einer unwiderruflichen, unter Verzicht auf jede Einrede auf erste Aufforderung binnen 14 Tagen fälligen Bankgarantie eines inländischen Bankinstituts über S 2,462.000 sowie S 249.600 durch den Beklagten. Sie brachte vor, sie sei vom Beklagten mit Verträgen vom 6. 10. bzw 20. 11. 1997 mit der Durchführung von Heizungs- und Sanitärinstallationsarbeiten in einem bestimmten Objekt beauftragt worden. Vereinbart sei ein Pauschalpreis von S 3,078.000 bzw von S 312.000 worden. Der Beklagte habe sich verpflichtet, binnen 14 Tagen ab Vertragsunterfertigung jeweils 20 % der Bruttoauftragssumme (S 615.600 bzw S 62.400) zu bezahlen; diese Beträge seien am 20. 10. bzw am 4. 12. 1997 zur Zahlung fällig gewesen. Die Streitteile hätten für den Fall des Zahlungsverzugs 10 % Verzugszinsen vereinbart. Darüber hinaus habe sich der Beklagte verpflichtet, zur Deckung des Werklohns eine Bankgarantie zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte habe weder die fälligen Beträge bezahlt, noch eine Bankgarantie vorgelegt. Die klagende Partei habe die Arbeiten begonnen, in der Folge aber eingestellt, weil der Beklagte vertragsbrüchig geworden sei. Der Auftrag sei nicht entzogen worden; für einen Vertragsrücktritt des Beklagten bestehe kein Grund.

Der Beklagte wendete ein, er habe niemals den Auftrag zur Durchführung der Installationsarbeiten erteilt. Er habe lediglich als Vertreter einer Gesellschaft mbH mit der klagenden Partei Gespräche wegen der Auftragserteilung geführt. Durch Unterfertigung des Auftragsschreibens seien bloß das Auftragsvolumen und der Preis festgelegt worden, um einen raschen Arbeitsbeginn zu ermöglichen. Ein erst abzuschließender Vertrag hätte noch wesentliche, erst zu regelnde Punkte beinhalten sollen wie einen Bauzeitplan, den Fertigstellungstermin, allgemeine Vertragsbedingungen etc. Selbst für den Fall einer Auftragserteilung sei das Begehren der klagenden Partei aber nicht berechtigt, weil sowohl die Zahlung wie auch die Bankgarantie binnen 14 Tagen ab Unterfertigung des Vertrags hätten erfolgen sollen, ein ausgearbeiteter Vertrag aber nie unterschrieben worden sei. Die klagende Partei sei zur Einstellung der Arbeiten nicht berechtigt gewesen. Wegen deren Weigerung, die Arbeiten fortzusetzen, sei ihr der Auftrag entzogen und anderweitig vergeben worden. Sie könne daher keine Ansprüche aus dem von ihr behaupteten Werkvertrag geltend machen. Durch die anderweitige Vergabe der Fertigstellungsarbeiten seien Mehrkosten im Gesamtbetrag von S 700.000 entstanden. Dieser Betrag werde bis zur Höhe der Klagsforderung zur Aufrechnung eingewendet. Leistungen aus einem aufrechten Vertrag könne die klagende Partei nicht geltend machen; sie habe bestenfalls Anspruch auf den vereinbarten Werklohn abzüglich des Ersparten. Die Leistungen der klagenden Partei seien lediglich mit S 40.000 zu bewerten; sie habe sich mehr als 90 % des vereinbarten Werklohns erspart.

Das Erstgericht erkannte die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte fest, der Beklagte selbst habe der klagenden Partei die Aufträge zur Durchführung der Installationsarbeiten zu den vereinbarten Pauschalpreisen von S 3,078.000 bzw S 312.000 erteilt. Die klagende Partei habe umgehend mit der Durchführung der Arbeiten begonnen. Ende November 1997 habe sie die Anzahlung sowie die Bankgarantie urgiert. Ihr sei daraufhin mitgeteilt worden, der Beklagte wünsche, dass die Aufträge von einer Gesellschaft mbH erteilt worden seien. Dies sei von der klagenden Partei abgelehnt und die Arbeiten seien nach Weihnachten 1997 eingestellt worden. Zu einer für den 9. 2. 1998 vorgesehenen Besprechung hätte sich die klagende Partei nur für den Fall der Vorlage einer Bankgarantie durch den Beklagten bereit gefunden. Daraufhin habe die Gesellschaft mbH, deren Geschäftsführer der Beklagte gewesen war, die Installationsarbeiten an ein anderes Unternehmen um eine Auftragssumme von knapp 6,000.000 S brutto vergeben. Die klagende Partei habe die Arbeiten nicht wieder aufgenommen.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, der vom Beklagten wegen Nichterbringung der Werkleistung durch die klagende Partei erklärte Vertragsrücktritt sei wirkungslos gewesen, zumal ihm infolge verschuldeter Leistungsstörung kein Rücktrittsrecht zustünde. Die von der klagenden Partei ausdrücklich als vorläufig bezeichnete Einstellung der Arbeiten sei eine zulässige Sanktion der Leistungsstörung des Beklagten (mangelnde Zahlung der fälligen Beträge und Nichtvorlage einer Bankgarantie) gewesen. Da die klagende Partei selbst nicht vom Vertrag zurückgetreten sei, seien ihre Forderungen berechtigt. Die Gegenforderung des Beklagten bestehe schon deshalb nicht zu Recht, weil sie der Höhe nach nicht nachgewiesen sei und allfällige Mehrkosten wegen der neuerlichen Vergabe offenbar nicht dem Beklagten, sondern der Gesellschaft mbH entstanden seien.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil insoweit, als es die Klagsforderung mit S 678.000 als zu Recht bestehend und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend ansah und den Beklagten zur Zahlung von S 678.000 sA verurteilte. Das Begehren auf Verschaffung einer Bankgarantie wies es (unangefochten) ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Werkverträge seien zwischen den Streitteilen zustande gekommen. Der Beklagte sei letztlich auch von diesen Verträgen zurückgetreten und die Gesellschaft mbH habe einen anderen Werkunternehmer mit der Ausführung der Arbeiten beauftragt. Die Stornierung der Verträge durch den Beklagten sei mangels ausdrücklich vereinbarter Unwiderruflichkeit zulässig gewesen; er müsse aber die klagende Partei "schadlos halten". Derjenige, der die Ausführung eines Werks verhindere oder dieses abbestelle, habe die Folgen des § 1168 ABGB zu tragen. Der klagenden Partei gebühre angesichts der Abbestellung des Werks nicht schlechthin der bis dahin getätigte Aufwand, sondern Aufwandersatz bloß insoweit, als der getätigte Aufwand im eingeschränkten Entgeltanspruch des § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB Deckung finde. Die klagende Partei sei zur Leistung des vereinbarten Werks bereit gewesen; die Erbringung der Leistung sei ausschließlich durch den Beklagten vereitelt worden. Die klagende Partei habe daher Anspruch auf das "beschränkte Entgelt" nach § 1168 ABGB. Es sei Sache des Werkbestellers, konkret zu behaupten und zu beweisen, was sich der Werkunternehmer durch das Unterbleiben der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe. Das Vorbringen des Beklagten, die klagende Partei habe sich jedenfalls mehr als 90 % des vereinbarten Werklohns erspart, sei zwar dürftig, könne aber nicht von vornherein zur gänzlichen Bestätigung des Ersturteils und damit zum Zuspruch des gesamten Werklohns an die klagende Partei führen. Es sei aber davon "auszugehen, dass der klagenden Partei zumindest der mit ihrem Leistungsbegehren geltend gemachte Teil des Entgelts von S 678.000 - das sind rund 20 % des vereinbarten Gesamtentgelts - jedenfalls" zustehe. Die Gegenforderung sei nicht berechtigt, weil der Beklagte das Erbringen der Leistungen durch die klagende Partei verhindert habe. Das Begehren auf Verschaffung einer Bankgarantie sei abzuweisen, zumal einerseits eine Absicherung des Entgeltanspruchs jetzt, wo feststehe, dass die klagende Partei ihre Leistung nicht mehr erbringen werde, nicht zulässig sei und es andererseits an einer ausreichenden Konkretisierung des Urteilsbegehrens mangle.

Rechtliche Beurteilung

Die lediglich gegen den klagsstattgebenden Teil gerichtete Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Der Beklagte irrt, soweit er die Ansicht vertritt, die klagende Partei habe ausdrücklich und ausschließlich die in den Verträgen bedungenen Anzahlungen eingeklagt und in keiner Weise einen aus § 1118 (gemeint: 1168) ABGB abgeleiteten Entgeltanspruch geltend gemacht: Ohne Zweifel begehrte die klagende Partei der Sache nach den - ihrer Meinung nach bereits fälligen - Werklohn, also das vereinbarte Entgelt. Dieses Entgelt gebührt gemäß § 1168 Abs 1 ABGB auch dann, wenn die Ausführung des Werks unterbleibt, aber der Werkunternehmer zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Werkbestellers liegen, daran verhindert wurde. In der Verhandlungstagsatzung vom 3. 4. 1998 brachte die klagende Partei vor, sie habe mit den Arbeiten begonnen, diese aber in der Folge eingestellt; in diesem Vorbringen bringt sie ganz eindeutig zum Ausdruck, die Einstellung der Arbeiten sei deshalb erfolgt, weil der Beklagte seinen vertraglichen Verpflichtungen (Entrichtung der Anzahlung und Vorlage einer Bankgarantie) nicht nachgekommen sei, vielmehr auf eine Vertragsänderung in Bezug auf den Auftraggeber gedrängt habe (Seite 2 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 19. 3. 1998, Seite 1 ff des Protokolls vom 3. 4. 1998 und Seite 17 f des Protokolls vom 5. 6. 1998). Damit wurde hinreichend deutlich der Streitgegenstand abgegrenzt und das Entgelt im Sinne des § 1168 ABGB eingeklagt. Die Vorinstanzen haben sich an die Sachanträge der Parteien gehalten und die Bindung an den geltend gemachten Anspruch nicht missachtet. Sie haben dem Klagebegehren nicht aus einem anderen Rechtsgrund als dem vom Kläger behaupteten (vereinbartes Entgelt) stattgegeben, der von den Streitteilen vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen rechtfertigen einen Zuspruch gemäß § 1168 Abs 1 ABGB (vgl 4 Ob 79/99t; 7 Ob 336/98g; WoBl 1998, 183; MietSlg 40.773; ZVR 1985/171; MietSlg 33.643 uva). Die für den Anspruch nach § 1168 ABGB erforderliche Sachbehauptung, das Werk sei infolge von Umständen auf Seiten des Bestellers unterblieben (SZ 64/71), wurde von der klagenden Partei hinreichend deutlich aufgestellt, wenn man ihr gesamtes Vorbringen - auch unter Bedachtnahme auf die vom Beklagten dagegen erhobenen Einwendungen - berücksichtigt.

Soweit der Beklagte auch noch in dritter Instanz auf seinem Standpunkt verharrt, er persönlich habe der klagenden Partei Werkaufträge nicht erteilt, übergeht er die Ausführungen der Vorintanzen: Diese fanden keine Hinweise dafür, dass der Beklagte dabei für die Gesellschaft mbH aufgetreten wäre und die Aufträge in deren Namen erteilt hätte; für die klagende Partei sei nicht erkennbar gewesen, dass der Beklagte den Auftrag nicht im eigenen Namen erteilt habe. Ein weiterer, schriftlicher Vertrag sei nicht vorgesehen gewesen; die vom Beklagten geschlossenen Werkverträge hätten den Leistungsumfang und den zu entrichtenden Preis enthalten. Soweit die Vorinstanzen daraus ableiteten, dass der Beklagte damit Vertragspartner der klagenden Partei geworden sei, ist dies nicht zu beanstanden.

Die Vorinstanzen schlossen aus dem festgestellten Sachverhalt, dass der Beklagte selbst von den von ihm erteilten Werkaufträgen zurückgetreten sei. Das Vorbringen des Beklagten, er habe diesen Vertragsrücktritt ausdrücklich und unmissverständlich vorgebracht, geht demnach ins Leere. Dem Beklagten ist auch nicht dahin zu folgen, dass die klagende Partei ein Verschulden am Vertragsrücktritt des Beklagten träfe, war eine "Ausformulierung des nicht hinreichend bestimmten Vertrags" doch gar nicht vorgesehen; vielmehr waren nach den Feststellungen die beiden Werkverträge bereits nach Leistung und Preis bestimmt und schon damit zustande gekommen.

Der Werkunternehmer muss sich gemäß § 1168 Abs 1 ABGB auf das vereinbarte Entgelt anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Dies hat das Gericht zweiter Instanz auch erkannt und ist deshalb zutreffend von einem eingeschränkten Entgeltanspruch im Sinne der genannten Gesetzesstelle ausgegangen (Seite 15 f des Berufungsurteils). Das Berufungsgericht beurteilte das seiner Ansicht nach dürftige Vorbringen des Beklagten auch insofern als noch ausreichend, als dieser seiner Behauptungslast in Hinsicht auf die Ersparnisse der klagenden Partei - gerade noch - entsprochen habe. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung (vgl SZ 54/173). Der Beklagte hat für sein Vorbringen, dass nur Leistungen im Wert von etwa S 40.000 erbracht worden seien und sich die klagende Partei daher mehr als 90 % des vereinbarten Werklohns jedenfalls "erspart habe", auch Beweise angeboten (Seite 17 des Protokolls vom 5. 6. 1998), doch wurden diese Beweise nicht aufgenommen. Das Gericht zweiter Instanz führte dazu lediglich aus, es sei "davon auszugehen, dass der klagenden Partei zumindest der mit Leistungsbegehren geltend gemachte Teil des Entgelts von S 678.000 - das seien rund 20 % des vereinbarten Gesamtentgelts - jedenfalls" zustehe (Seite 19 des Berufungsurteils). Diese Ausführungen stellen keine zureichende Begründung für den Zuspruch des von der klagenden Partei begehrten Entgelts dar, weil nicht dargelegt wird, warum von der Berechtigung dieses Entgelts - unter Bedachtnahme auf die vom Beklagten behauptete Ersparnis - "auszugehen sei".

Das Erstgericht wird daher der Höhe nach das der klagenden Partei gemäß § 1168 Abs 1 ABGB gebührende Entgelt unter Bedachtnahme auf die Einwendungen des Beklagten und dessen Beweislast zu ermitteln haben. Die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung wurde bereits vom Gericht zweiter Instanz - in der Revision finden sich dazu keine Ausführungen - endgültig verneint, so dass insoweit keine weiteren Verfahrensschritte mehr vorzunehmen sind.

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Ansicht des Beklagten für die Forderung von 10 % Verzugszinsen eine vertragliche Grundlage besteht, ergibt sich doch eine entsprechende Bestimmung aus den dem Urteil angeschlossenen und ihrem Inhalt nach festgestellten Verträgen (Seite 6 des Ersturteils, Beilagen A und B).

Zum Zwecke der Ermittlung des gemäß § 1168 Abs 1 ABGB gebührenden Entgelts sind die Urteile der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision des Beklagten im angefochtenen Umfang aufzuheben; das Erstgericht wird das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und danach neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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