Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Im Aufteilungsverfahren (§§ 81 ff EheG) beantragte die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit c erster Fall EO. Der Provisorialantrag sowie die Mitteilung des Erstgerichts zur Möglichkeit einer Äußerung binnen fünf Tagen wurde dem Antragsgegnervertreter im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) zugestellt. Nach dem ERV-Zustellnachweis (AS 147) langte die zuzustellende Sendung am 4. 6. 2012 um 23:54 Uhr beim Antragsgegnervertreter ein. Als Zustellungszeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG war der 5. 6. 2012 angegeben. Die gesetzte Frist zur Äußerung verstrich ungenützt, worauf das Erstgericht die einstweilige Verfügung antragsgemäß erließ. Am 5. 7. 2012 brachte der Antragsgegner im ERV einen Widerspruch gegen die erlassene einstweilige Verfügung ein, den das Erstgericht zurückwies. Es verwies auf die dem Antragsgegner eingeräumte Möglichkeit zur Äußerung.
Gegen die Zurückweisung seines Widerspruchs erhob der Antragsgegner einen Rekurs, in dem er sich ausschließlich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der Zustellung der Mitteilung über die Möglichkeit, sich zum Provisorialantrag zu äußern, befasste. Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. § 89d Abs 2 GOG unterscheide zwischen dem Zustellungszeitpunkt und dem Zeitpunkt des Einlangens in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers. Das Einlangen um 23:54 Uhr des 4. 6. 2012 bewirke daher keine gesetzwidrige Zustellung. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Unterscheidung zwischen dem Zeitpunkt des Einlangens in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers und dem Zustellzeitpunkt fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Gegen die einstweilige Verfügung könnte der Antragsgegner nach § 397 Abs 1 EO dann Widerspruch erheben, wenn er vor ihrer Erlassung nicht gehört wurde. Äußert er sich trotz Aufforderung nicht fristgerecht, ist er vom Widerspruch ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0002100).
Nach § 89d Abs 2 GOG in der Fassung BGBl I 2012/26 gilt als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen und Eingaben (§ 89a Abs 2 GOG) jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten. Diese Bestimmung ist nach § 98 Abs 15 Z 1 GOG in der geltenden Fassung mit 1. 5. 2012 in Kraft getreten. Damit war sie auf die hier im Juni 2012 erfolgte Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) bereits anzuwenden.
Zur Änderung des § 89d Abs 2 GOG verweisen die ErlRV 1676 BlgNR 24. GP 3 f auf die im Laufe des Jahres 2012 vorgesehene Umstellung des ERV, nach der die meisten Zustellungen (wie im E-Mail-Verkehr üblich) sofort erfolgen sollten und nicht wie bisher nur einmal täglich gebündelt, und zwar erst kurz nach Mitternacht. Das würde - ohne Anpassung der Zustellungsregelungen - bedeuten, dass zB ein an eine/n berufliche/n Parteienvertreter/in knapp vor Mitternacht im ERV zugestelltes Geschäftsstück als mit diesem Zeitpunkt in dessen/deren elektronischen Verfügungsbereich gelangt anzusehen wäre, obwohl zu solchen Zeiten Rechtsanwaltskanzleien in der Regeln nicht mehr „besetzt“ seien. Die vorgeschlagene Verschiebung des Zustellungszeitpunkts auf den dem elektronischen Empfang folgenden Werktag (wobei Samstage hier nicht als Werktage gelten) löse diese Schwierigkeiten und vermeide eine Verschlechterung des Status quo und damit eine mögliche Benachteiligung für die ERV-Teilnehmer/innen.
Der Gesetzgeber war sich daher des Umstands, dass Zustellungen im ERV auch außerhalb der Geschäftszeiten von Rechtsanwaltskanzleien, wie beispielsweise knapp vor Mitternacht, erfolgen können, durchaus bewusst und wollte mit der Verschiebung des Zustellungszeitpunkts eine Verschlechterung des bisherigen Status quo vermeiden. Vor der dargestellten Neuregelung galten elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen und Eingaben nach § 89a Abs 2 GOG aF als zugestellt, sobald ihre Daten technisch abrufbar in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt waren (10 ObS 113/12h mwN = ecolex 2013/51). § 1 Abs 4 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2006), BGBl II 2005/481 (der mit der Änderung der ERV 2006 durch die Verordnung der Bundesministerin für Justiz vom 26. 4. 2012, BGBl II 2012/14, ab 1. 5. 2012 entfiel) verbot elektronische Zustellungen in der Zeit zwischen 16:00 und 24:00 Uhr. Bei den einmal täglich gebündelten, kurz nach Mitternacht vorgenommenen Zustellungen im ERV bedeutete dies nach der alten Rechtslage, dass die kurz nach Mitternacht elektronisch übermittelten Sendungen zu einer Zeit als zugestellt galten, in der mit der Besetzung von Rechtsanwaltskanzleien in der Regel nicht zu rechnen war.
Die Neuregelung brachte somit keine Verschlechterung für die Teilnehmer/innen des ERV, soweit es die zur Verfügung stehende Zeit betrifft, um ein elektronisch übermitteltes Schriftstück einzusehen und darauf zu reagieren. Für jene Teilnehmer/innen, in deren elektronischen Verfügungsbereich die Sendung in den Morgenstunden oder innerhalb der üblichen Geschäftszeit einlangt, bedeutet sie sogar eine Verbesserung, weil auch in diesem Fall die Zustellung nach § 89d Abs 2 GOG in der geltenden Fassung am nächsten Werktag (ausgenommen Samstag) bewirkt wird. Aus dem tatsächlichen Einlangenszeitpunkt resultierende allfällige Begünstigungen oder Benachteiligungen sind durch die Umstellung des ERV auf sofortige Übermittlung bedingt und nicht durch die Neuregelung des § 89d Abs 2 GOG, die einen einheitlichen und nicht zwischen den Teilnehmer/innen des ERV unsachlich differenzierenden Zustellzeitpunkt festsetzt. Inwieweit sie einen Verstoß gegen den Gleicheitsgrundsatz begründen sollte, vermag der Revisionsrekurswerber nicht aufzuzeigen. Ebenso unverständlich ist auch seine Argumentation, § 89d Abs 2 GOG in der geltenden Fassung verstoße gegen Art 6 EMRK („fair trial“). Der Revisionsrekurswerber verkennt neuerlich den Unterschied zwischen Einlangen gerichtlicher Erledigungen und Zeitpunkt der Zustellung: Langt eine elektronisch zuzustellende Sendung knapp vor Mitternacht im elektronischen Verfügungsbereich des/der Empfänger/in ein, so gilt sie nach der eindeutigen Bestimmung des § 89d Abs 2 GOG eben nicht als zu diesem Zeitpunkt zugestellt.
Nach Meinung des Revisionsrekurswerbers widerspreche § 89d Abs 2 GOG den Bestimmungen des § 100 Abs 1 und 3 ZPO, nach denen eine Zustellung zur Nachtzeit, die nach § 26 Geo die Stunden von 22:00 bis 6:00 Uhr umfasst, nur mit Erlaubnis des Gerichts erfolgen darf, das die Zustellung veranlasste, sofern die Zustellung nicht durch die Post vollzogen wird. Noch einmal ist daher darauf hinzuweisen, dass das (auch in den Nachtstunden erfolgte) Einlangen einer elektronisch übermittelten gerichtlichen Erledigung und Eingabe nach § 89d Abs 2 GOG idgF noch keine Zustellung bewirkt.
Wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannte, wurde somit die Zustellung in diesem Fall gesetzmäßig vorgenommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 erster Satz AußStrG iVm § 393 Abs 1 dritter Satz EO.
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