OGH 1Ob255/06s

OGH1Ob255/06s23.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solè und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berta A*, vertreten durch Dr. Horst Mayr, Rechtsanwalt in Vorchdorf, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17‑19, wegen EUR 15.056,35 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. September 2006, GZ 4 R 157/06w‑12, womit das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 15. Mai 2006, GZ 2 Cg 83/06w‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:E83087

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 729,45 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Am 18. 8. 2004 stellte ein Kfz‑Fachbetrieb als beliehenes Organ der Bundesverwaltung für einen, damals im Eigentum der Klägerin stehenden PKW eine Begutachtungsplakette gemäß § 57a Abs 5 KFG aus, obwohl der PKW an der Bodenplatte, insbesondere im Bereich der rechten und linken Türschwelle, erheblich durchgerostet und daher weder verkehrs- noch betriebssicher war. Die Durchrostungen wurden im Gutachten des Kfz‑Fachbetriebs nicht angeführt. Am 21. 8. 2004 verkaufte die Klägerin das Fahrzeug um EUR 5.990,‑‑. Weder ihr noch dem Käufer war die mangelnde Verkehrs‑ und Betriebssicherheit bekannt. In einem vom Käufer angestrengten Verfahren erkannte das dortige Berufungsgericht auf Unwirksamkeit des Kaufvertrags wegen Irrtums des Käufers und verpflichtete die hier klagende Partei zum Ersatz des geleisteten Kaufpreises.

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei EUR 15.056,35 sA. Sie habe im Vertrauen auf die Richtigkeit des von einem Kfz‑Fachbetrieb erstellten positiven Prüfgutachtens gemäß § 57a KFG das Fahrzeug verkauft. In der Folge habe sich herausgestellt, dass das Fahrzeug wegen Rostschäden nicht mehr verkehrs- und betriebssicher gewesen sei. Auf Grund der durch Gerichtsurteil erfolgten Aufhebung des Kaufvertrags habe die Klägerin einen Kaufpreisverlust von EUR 2.990,‑- erlitten und seien ihr Spesen von EUR 100,‑- aufgelaufen. Außerdem seien ihr in diesem Verfahren Prozesskosten von EUR 11.966,35 entstanden. Sie habe sich wegen des positiven Prüfgutachtens in den Prozess über die Aufhebung des Kaufvertrags eingelassen.

Die beklagte Partei wendete ein, der Klägerin stehe kein Ersatzanspruch nach dem Amtshaftungsgesetz zu. Die geltend gemachten Schäden seien nicht vom Schutzzweck des § 57a KFG umfasst.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab, weil § 57a KFG den Ersatz „seiner Vermögensschäden" nicht bezwecke.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Begutachtung eines Fahrzeugs nach § 57a KFG allein - eine vertragliche Vereinbarung weiterer Tätigkeiten, zB einer Reparatur, habe die Klägerin nicht behauptet - sei eine Leistung im hoheitlichen Bereich. Mangels Vorliegens eines Vertragsverhältnisses, seien nur die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung zu prüfen. Um eine Uferlosigkeit der Haftpflicht des Rechtsträgers zu vermeiden, müsse auch im Bereich des Amtshaftungsrechts untersucht werden, welche Interessen die verletzte Norm schützen solle. Die Pflicht zum Ersatz eines (seinen) Vermögensschadens bestehe auch bei einer Schutznormübertretung nur, wenn als Schutzzweck der übertretenen Norm „die Hintanhaltung eines, über die Aufrechterhaltung absolut geschützter Rechtspositionen hinausgehenden, Interesses einer bestimmten Person an ihren vermögenswerten Interessen zu erkennen" sei. Der mit dem KFG angestrebte Verwaltungszweck sei der Schutz der öffentlichen Verkehrssicherheit. Durch die wiederkehrende Begutachtung nach § 57a KFG sollten Schäden verhindert werden, die sich aus einer fehlenden Verkehrs‑ und Betriebssicherheit des Kraftfahrzeugs ergäben. Geschützt sei auch das Eigentum am begutachteten Fahrzeug selbst. Der bloße Vermögensschaden sei allerdings nicht Schutzobjekt dieser Bestimmung.

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung, dass die Verursachung eines reinen Vermögensschadens nur dann ersatzpflichtig macht, wenn dem geltend gemachten Anspruch die vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts, die Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB, oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers zugrundeliegt. Wird die Haftung auf die Verletzung von Rechtsvorschriften gestützt, muss die übertretene Bestimmung gerade (auch) den Zweck haben, den Geschädigten vor eintretenden Vermögensnachteilen zu schützen. Gehaftet wird demnach nur für Schäden, die gerade in Verwirklichung jener Gefahr verursacht wurden, um deren Vermeidung willen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten fordert oder untersagt. Dabei ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung einer öffentlich‑rechtlichen Bestimmung und dem eingetretenen Schaden etwa schon dann anzunehmen, wenn die übertretene Norm die Verhinderung eines Schadens wie des später Eingetretenen bloß mitbezweckte. Daraus allein, dass eine im öffentlichen Interesse vorgenommene Amtshandlung mittelbar auch die Interessen eines Dritten berührt, diesem zugute kommt und ihm damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens einen Vorteil verschaffen kann, lässt sich noch nicht auf eine Rechtspflicht gerade einem solchen Dritten gegenüber schließen (SZ 60/177; SZ 65/94; SZ 2002/128 uva).

Der mit dem Kraftfahrgesetz angestrebte Verwaltungszweck ist der Schutz der öffentlichen Verkehrssicherheit. Der Staat will durch die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes die Gefahren steuern, die der Allgemeinheit im öffentlichen Straßenverkehr durch die Eigenart und Beschaffenheit der Kraftfahrzeuge drohen (RIS‑Justiz RS0027390). Die wiederkehrende Begutachtung nach § 57a KFG dient dem staatlichen Recht auf Überprüfung der Verkehrs‑ und Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen (ZVR 1979/236 uva). Die Amtshandlung der Begutachtung der Kraftfahrzeuge auf ihre weitere Betriebstauglichkeit liegt nicht wesentlich im Privatinteresse, sondern dient zum überwiegenden Teil dem Schutz der Allgemeinheit und damit dem öffentlichen Interesse (VfGH 14. 10. 1964, V 20/64).

Im § 57a Abs 1 KFG wird eine wiederkehrende Begutachtung darüber gefordert, ob das Kraftfahrzeug „den Erfordernissen der Verkehrs‑ und Betriebssicherheit entspricht" und ob mit dem Fahrzeug nicht übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden. Durch die (wiederkehrende) Begutachtung nach § 57a KFG sollen somit ganz allgemein Schäden verhindert werden, die sich aus einer allenfalls fehlenden Verkehrs‑ und Betriebssicherheit des Kraftfahrzeugs ergeben. Da die mangelnde Verkehrs‑ und Betriebssicherheit in erster Linie zu Verkehrsunfällen führen kann, liegt es nahe, in den Schutzbereich all jene Rechtsgüter einzubeziehen, die bei einem solchen Ereignis Schaden leiden können. Dazu gehört auch das - sogar primär gefährdete - Kraftfahrzeug selbst, das bei einem solchen Unfall beschädigt wird (1 Ob 8/03p = SZ 2003/9). Wird ein Gutachten nach § 57a KFG erstellt, das schuldhaft unrichtigerweise die Betriebssicherheit und Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs attestiert, sind im Fall eines mangels Betriebs‑ und Verkehrssicherheit verursachten Unfalls nach dem Amtshaftungsgesetz grundsätzlich alle Unfallschäden zu ersetzen. Der Schutzzweck dieser Regelung umfasst also auch die Verletzung absoluter Rechte der bei einem solchen Verkehrsunfall Geschädigten. Dafür, dass auch vermögensrechtliche Dispositionen im Vertrauen auf die Richtigkeit der amtlichen Bestätigungen - also reine Vermögensnachteile - vom Schutzzweck des § 57a KFG umfasst sein sollten, bieten weder der Wortlaut dieser Regelung noch die Intention des Gesetzgebers den geringsten Hinweis. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Nichteinbeziehung rein vermögensrechtlicher Nachteile in den Schutzbereich des § 57a KFG zu „weitreichenden und undurchsichtigen Folgen" und letztlich zu Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung führen sollte. Es ist nämlich zu bedenken, dass bei allfälliger Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein bei einem Unfall beschädigten Kraftfahrzeug ohnehin und jedenfalls der tatsächliche Wert des Fahrzeugs, nicht aber ein überhöht angenommener, zu Grunde zu legen ist.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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