European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:E68485
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Aus Anlass der Revision werden die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben, das diesen vorangegangene Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 4.555,52 (darin EUR 759,25 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Am 15. 11. 2000 beauftragte der seinerzeitige Eigentümer eines später vom Kläger erworbenen PKW die beklagte Partei mit der Überprüfung und Begutachtung im Sinne des § 57a KFG. Diese Überprüfung wurde durchgeführt und für das Fahrzeug ein Gutachten gemäß § 57a KFG ausgestellt, in dem keinerlei Mängel bekanntgegeben wurden. Nachdem der Kläger das Fahrzeug am 6. 4. 2001 käuflich erworben hatte, kam es am 3. 6. 2001 zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Kläger schwer verletzt und der PKW total beschädigt wurden.
Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung von S 228.367,40 (Sachschaden am PKW, Bergungskosten, Abschleppkosten, Nebenkosten, Schmerzengeld und Heilungskosten) sowie die Feststellung von dessen Haftung für zukünftige nachteilige Folgen des Unfalls. Zum Unfall sei es wegen eines Bruchs der Querlenkung gekommen, die starken Rostbefall und Bruchstellen aufgewiesen habe. Der Beklagte habe das Gutachten gemäß § 57a KFG sorgfaltswidrig und unrichtig erstattet, weil er auf die Mängel des Fahrzeugs nicht hingewiesen habe. Auch wenn zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis bestehe, habe der Beklagte doch als Sachverständiger für die Richtigkeit seines Gutachtens auch gegenüber Dritten zu haften.
Der Beklagte wendete dagegen unter anderem ein, es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die vom Kläger geschilderten Schäden bereits bei der Begutachtung vorhanden gewesen seien. Er habe auch nicht gegen die in der Prüf‑ und Begutachtungsstellenverordnung festgelegten Grundsätze verstoßen; sein Gutachten sei richtig gewesen. Zwischen den Streitteilen bestehe auch kein Vertragsverhältnis. Als Gewerbetreibender, der ermächtigt sei, Gutachten im Sinne des § 57a KFG abzugeben, komme dem Beklagten Organstellung im Sinne des AHG zu. Es sei daher auch seine passive Klagslegitimation nicht gegeben, weil Ansprüche im Schadensfalle nicht direkt gegen das Organ geltend gemacht werden könnten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahme aus rechtlichen Erwägungen ab. Die Tätigkeit des Beklagten im Zusammenhang mit Überprüfungen von Kraftfahrzeugen nach § 57a KFG stelle sich als Ausübung eines konkreten hoheitlichen Rechtes des Staates dar; es liege somit eine Tätigkeit "in Vollziehung der Gesetze" vor. Da es sich beim Beklagten um einen Gewerbetreibenden handle, der gemäß § 40a KFG mit der Zuständigkeit zur Setzung von Hoheitsakten in eigener Organkompetenz und Verantwortung zur Ausübung des dem Staat zustehenden Hoheitsrechts zur Zulassung von Kfz zum Verkehr auf öffentlichen Straßen beliehen worden sei, käme ihm auch in diesem Verfahren Organstellung gemäß § 1 Abs 2 AHG zu. Ein allfälliger Amtshaftungsanspruch gegen das Organ selbst sei damit ausgeschlossen. Da für das Verhalten des Beklagten nur der Rechtsträger ersatzpflichtig sein könne, komme dem Einwand der mangelnden passiven Klagslegitimation Berechtigung zu.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die Tätigkeit der beklagten Partei stelle zur Gänze eine solche in Vollziehung der Gesetze dar, "vor der eine privatrechtliche Beziehung zwischen den Streitteilen ‑ haftungsrechtlich ‑ in den Hintergrund" trete. Nicht betroffen davon seien etwa Fragen des Werklohns oder des "Einstehenmüssens für Mängel im Falle eines Verkaufs des zuvor begutachteten Fahrzeugs". Im vorliegenden Fall habe sich die Tätigkeit des Beklagten aber in der Begutachtung gemäß § 57a KFG erschöpft. Für diese hoheitliche Tätigkeit komme nur eine Haftung des Rechtsträgers nach dem AHG in Betracht, während gemäß § 1 Abs 1 AHG ein Anspruch gegen den als Organ handelnden Beklagten ausgeschlossen sei. Dass eine Anspruchskonkurrenz zwischen Amtshaftung und vertraglicher Haftung möglich sei, habe der Oberste Gerichtshof zwar jüngst ausgesprochen, als er die Haftung von Kesselprüfstellen zu beurteilen hatte, die er ausdrücklich den gemäß § 57a KFG beliehenen Vereinen und Gewerbetreibenden gleichgehalten habe. Allerdings sei es dabei nicht um die Haftung einer als Organ handelnden physischen Person, sondern um die eines als juristische Person des Privatrechts organisierten "beliehenen Unternehmens" gegangen. Die Möglichkeit, den auf einen Vertrag gestützten Ersatzanspruch gegen den Schädiger geltend zu machen, habe der Oberste Gerichtshof ausdrücklich auf Schädiger eingeschränkt, die nicht Organe eines Rechtsträgers im Sinne des § 1 Abs 2 AHG sind. Die Revision sei zulässig, weil eine eindeutige Rechtsprechung zur Frage, ob eine Anspruchskonkurrenz zwischen Amtshaftung und Haftung aus Vertrag auch gegen ein Organ möglich sei, fehle und diese Rechtsfrage eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen betreffe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig, weil die darin aufgeworfene Frage nach den von § 57a KFG erfassten Schutzobjekten vom Obersten Gerichtshof bisher nicht beantwortet wurde. Sie ist jedoch nicht berechtigt. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof die Unzulässigkeit des Rechtswegs für die geltend gemachten Ansprüche im Sinne des § 9 Abs 5 AHG aufzugreifen.
Im Revisionsverfahren zieht der Kläger zu Recht nicht mehr in Zweifel, dass die Überprüfung und Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a KFG hoheitliche Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze ist, die ‑ im Rahmen ihres Schutzzwecks ‑ bei rechtswidriger und schuldhafter Schädigung Dritter zur Anwendbarkeit des AHG führt (s dazu nur RIS‑Justiz RS0049956). Den vom Kläger beklagten Wertungswiderspruch wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen zwischen einem bloßen "Auftrag" zur Begutachtung gemäß § 57a KFG und der (vertraglichen) Vereinbarung weiterer Vertragsleistungen (zB einer Reparatur) vermag der erkennende Senat nicht zu sehen. Auch wenn es von Zufälligkeiten abhängen mag, ob nur die Begutachtung des Fahrzeugs oder auch weitere Leistungen in Auftrag gegeben wurden, so ist doch ‑ jedenfalls gegenüber Dritten ‑ für die Rechtsfolgen zwischen jenen Leistungen zu unterscheiden, die im hoheitlichen Bereich (als "Organ" des Rechtsträgers), und jenen, die im rein privatrechtlichen Bereich (als Werkunternehmer) erbracht wurden. Je nachdem, bei welcher Leistung der zu einem Schaden führende Fehler unterlaufen ist, treten entweder die Rechtsfolgen des AHG oder die des allgemeinen Schadenersatzrechts ein.
Die vom Revisionswerber aufgeworfene Frage nach einer allfälligen "Konkurrenz" zwischen Amtshaftungsansprüchen gegen den Rechtsträger und Schadenersatzansprüchen aus Vertragsverletzung gegen den Unternehmer stellt sich hier nicht, weil die Streitteile in keinem Vertragsverhältnis zueinander stehen und das Vorbringen des Klägers in erster Instanz auch keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bietet, durch den der spätere Erwerber eines gemäß § 57a KFG begutachteten Fahrzeuges geschützt wäre. Mit seinem Vorbringen, der Beklagte habe damit, dass ein allfälliger Käufer auf die Richtigkeit des Gutachtens vertraue, rechnen müssen, mit seinem Hinweis auf die in ecolex 2001, 436 veröffentlichte Entscheidung 7 Ob 273/00y zeigt er lediglich eine mögliche Grundlage für eine deliktische Haftung des Beklagten auf. Die bloße Möglichkeit eines späteren Verkaufs macht den ‑ bei Vertragsabschluss noch unbekannten ‑ Käufer noch nicht zum (vertraglich) geschützten Dritten. (Bloß) deliktische Ersatzansprüche gegen das Organ sollen durch die Bestimmungen des AHG (§§ 1 Abs 1, 9 Abs 5) aber jedenfalls verhindert werden. Da § 1 Abs 2 AHG das Organ als "physische Person" definiert, wurde in der vom Revisionswerber angesprochenen Entscheidung zu 1 Ob 25/01k (= JBl 2001, 722) ausgesprochen, dass § 9 Abs 5 AHG auf Klagen gegen eine juristische Person, die ein beliehenes Unternehmen betreibt, nicht angewendet werden kann. Dieses Problem stellt sich hier indes nicht.
Richtig ist allerdings, dass ein Organ eines Rechtsträgers (nur) insoweit von der persönlichen Haftung befreit ist (§ 1 Abs 1 AHG) bzw im ordentlichen Rechtsweg nicht belangt werden kann (§ 9 Abs 5 AHG), als der betreffende Schaden nach den Bestimmungen des AHG (vom Rechtsträger) zu ersetzen ist, somit in den Schutzbereich der verletzten Norm fällt. Unter Hinweis auf SZ 67/39 vertritt der Kläger die Ansicht, der durch den Unfall an seinem Fahrzeug selbst verursachte Schaden falle nicht in den Schutzbereich des AHG und sei somit vom Beklagten selbst zu ersetzen. Dem ist nicht zu folgen.
In der zitierten ‑ zu § 57 (und nicht zu § 57a) KFG ergangenen ‑ Entscheidung vertrat der erkennende Senat die Auffassung, gemäß § 55 Abs 1 KFG sei bei wiederkehrenden Überprüfungen auf Grund des Verfahrens nach § 57 KFG zu entscheiden, ob das Fahrzeug den "Vorschriften dieses Bundesgesetzes" entspreche; von diesem Verweis sei auch die Vorschrift des § 4 Abs 2 KFG erfasst, die primär die gesetzlichen Anforderungen an die Bauart und Ausrüstung der Kraftfahrzeuge und Anhänger regle. Als geschützter Personenkreis würden im § 4 Abs 2 KFG der Lenker, die beförderten Personen und andere Straßenbenützer genannt, weiters als Normzweck die Hintanhaltung von Beschädigungen der Straße und der Fahrzeuge anderer Straßenbenützer. Da das Fahrzeug des Zulassungsbesitzers nicht unter den Schutzobjekten aufgezählt werde, obwohl dem Gesetzgeber auch derartige Schäden vor Augen gestanden sein müssten, sei aus der Beschränkung der Schutzobjekte auch auf einen eingeschränkten Schutzbereich der §§ 55, 57 KFG zu schließen. Wenn mit der wiederkehrenden Überprüfung zugleich auch dem Interesse des Zulassungsbesitzers Rechnung getragen werde, handle es sich dabei doch nur um eine Reflexwirkung der Normen des Kraftfahrgesetzes; das Eigentum des Zulassungsbesitzers sei deshalb aber noch nicht Schutzobjekt dieser Bestimmungen.
Diese Rechtsansicht kann auf wiederkehrende Begutachtungen nach § 57a KFG ‑ § 57 KFG betrifft dagegen die besondere Überprüfung nach § 56 KFG wegen aufgetretener Bedenken gegen den gesetzmäßigen Zustand eines Kraftfahrzeugs (in der früheren Fassung zudem die wiederkehrende Überprüfung nach § 55 KFG) ‑ schon deshalb nicht übertragen werden, weil diese Bestimmung (jedenfalls in ihrer im Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Überprüfung geltenden Fassung) einen allgemeinen Verweis auf die Vorschriften des KFG, von dem auch § 4 Abs 2 KFG erfasst wäre, nicht enthält; § 55 KFG wurde mit der 19. KFG‑Novelle (BGBl I 1997/193) aufgehoben. In § 57a Abs 1 wird vielmehr eine wiederkehrende Begutachtung darüber gefordert, ob das Kraftfahrzeug "den Erfordernissen der Verkehrs‑ und Betriebssicherheit entspricht" und ob mit dem Fahrzeug nicht übermäßig, Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden.
Durch die (wiederkehrende) Begutachtung nach § 57a KFG sollen somit ganz allgemein Schäden verhindert werden, die sich aus einer allenfalls fehlenden Verkehrs‑ und Betriebssicherheit des Kraftfahrzeugs ergeben. Eine Einschränkung dahin, dass gerade das Kraftfahrzeug selbst nicht Schutzobjekt einer solchen Überprüfung sein sollte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und erschiene auch nicht sachgerecht. Da die mangelnde Verkehrs‑ und Betriebssicherheit in erster Linie zu Verkehrsunfällen führen kann, liegt es nahe, in den Schutzbereich all jene Rechtsgüter einzubeziehen, die bei einem solchen Ereignis Schaden leiden können. Dazu gehört aber zweifellos auch das ‑ sogar primär gefährdete ‑ Kraftfahrzeug selbst, das bei einem solchen Unfall beschädigt und damit in seinem Wert vermindert werden kann.
Da der Revisionswerber die Einbeziehung der übrigen geltend gemachten Schäden in den Schutzbereich zu Recht nicht in Zweifel zieht, können allfällige Ersatzansprüche ausschließlich gegen den für die Kraftfahrzeugüberprüfung zuständigen Rechtsträger, nicht aber gegen den Beklagten als dessen Organ bestehen (§ 1 Abs 1 AHG). Abgesehen vom Ausschluss der materiellrechtlichen Haftung des Organs bestimmt das AHG in § 9 Abs 5 weiter, dass der Ersatz eines von einem in § 1 genannten Rechtsträger in Vollziehung der Gesetze zugefügten Schadens gegen das handelnde Organ im ordentlichen Rechtsweg überhaupt nicht geltend gemacht werden kann, was nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs begründet (SZ 68/220; SZ 69/49, SZ 71/99, SZ 72/5, SZ 72/130; JBl 2001, 722 ua).
Aus diesem Grund sind aus Anlass der Revision auch das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf seine Organstellung bereits im Verfahren erster Instanz hingewiesen. Den Kläger trifft das Verschulden daran, das Verfahren trotz des vorhandenen Nichtigkeitsgrunds eingeleitet und fortgeführt zu haben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)