European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00025.15F.0423.000
Spruch:
1. Die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin wird zurückgewiesen.
2. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Entscheidung über das letzte, in Punkt 1.a) des erstgerichtlichen Spruchs enthaltene Eventualbegehren (Feststellungsbegehren) aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die auf dieses Teilbegehren entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
3. Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die auf diesen Teil des Klagebegehrens entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Die Nebenintervenientin ist Pächterin von Hafenanlagen am E*****. Einen Teil davon hat die Beklagte in Unterpacht genommen. Mit einer Vereinbarung vom 4. 12. 2003 gestattete die Beklagte der Klägerin auf Dauer des bestehenden Unterpachtverhältnisses einen bestimmten Teil ihres Bestandobjekts zu näher angegebenen Zwecken zu nutzen. Darüber hinaus räumte die Beklagte der Klägerin die Option ein, das mit der Nebenintervenientin bestehende Pachtverhältnis bezüglich des zur Nutzung überlassenen Teilgrundstücks „zu gleichen Bedingungen zu übernehmen“, wobei die Übertragung des Pachtverhältnisses nur mit Zustimmung der Nebenintervenienten möglich ist. Später erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, die ihr eingeräumte Option in Anspruch zu nehmen und ab 1. 1. 2012 in das Unterpachtverhältnis mit der Nebenintervenientin einzutreten.
Gegenstand dieses Revisionsverfahrens ist ua das Begehren, die Beklagte sei schuldig, die Nebenintervenientin über die von der Klägerin gültig ausgeübte Option ... zu informieren, wobei die Klägerin in den ersten drei Eventualbegehren die von der Option betroffene Grundfläche jeweils in abweichender Weise umschreibt. In ihrem letzten Eventualbegehren begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie die Option hinsichtlich des Eintritts in das Unterpachtverhältnis gemäß der Vereinbarung aus 2003 „wirksam ausgeübt“ habe. In einem weiteren Teilbegehren beantragt sie, die Beklagte schuldig zu erkennen, gegenüber der Nebenintervenientin „zu unterlassen zu erklären“, dass die Zustimmung zur Übertragung des Unterpachtverhältnisses von der Beklagten auf die Klägerin „nicht erteilt wird“.
Die Klägerin bringt zur Begründung ihrer Begehren im Wesentlichen vor, sie habe die ihr eingeräumte Option wirksam ausgeübt, womit es einerseits zu einer Bindung der Beklagten gekommen sei. Daraus folge andererseits, dass diese gehalten sei, die Nebenintervenientin als Restpartei der angestrebten (teilweisen) Vertragsübernahme über die maßgeblichen Umstände zu informieren und es zu unterlassen auf die Vereitelung von deren Zustimmung hinzuwirken. (Ein weiteres Unterlassungsbegehren mit der Forderung, die Beklagte habe alle sonstigen Maßnahmen gegenüber der Nebenintervenientin zu unterlassen, die geeignet sind, die Übertragung des Unterpachtverhältnisses zu vereiteln, ist nach der berufungsgerichtlichen Urteilsaufhebung noch Gegenstand des Verfahrens erster Instanz.)
Die Beklagte wendet dagegen ‑ mit näherer Begründung ‑ ein, die Erklärung der Klägerin, die Option auszuüben, habe keine Rechtswirkungen herbeigeführt, weil diese wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw einer außerordentlichen Kündigung aufgrund vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin nicht mehr bestanden habe. Zur Erteilung einer gesonderten Zustimmung gegenüber der Nebenintervenientin sei sie nicht verpflichtet.
Die Nebenintervenientin vertritt im Verfahren den Standpunkt, sie könne angesichts des Streits über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Optionsausübung wegen der ihr gegenüber der Beklagten obliegenden vertraglichen Nebenpflichten die Zustimmung zur (teilweisen) Vertragsübernahme derzeit nicht erteilen. Eine solche Zustimmung erscheine jedoch denkbar, wenn mit der Beklagten das Einvernehmen hergestellt werden könne und es zu einer vertraglichen Regelung, etwa auch über die Umschlaggarantie und dergleichen, käme.
Das Erstgericht wies die im Revisionsverfahren zu beurteilenden Teilbegehren ab. Da die Einräumung der Option schon begrifflich voraussetze, dass die Beklagte der Übernahme des Pachtverhältnisses durch die Klägerin im Voraus zugestimmt habe, sei sie nicht zur neuerlichen Abgabe einer Zustimmungserklärung verpflichtet. Daher könne dieser Umstand auch nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein. Hiezu komme, dass Feststellungsurteile keine Rechtskraftwirkung gegen Dritte hätten; damit fehle der Klägerin das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung gegenüber der Beklagten. Ebenso verhalte es sich mit den Unterlassungsbegehren. Der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten zu; sie sei auf allfällige Schadenersatzansprüche beschränkt.
Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung in den erwähnten Punkten als Teilurteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Dem Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die Nebenintervenientin über die gültig ausgeübte Option zu informieren, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Eine solche Information wäre für die Klägerin praktisch ohne Bedeutung, weil der Inhalt der Vereinbarung und die Optionsausübung unstrittigermaßen allen Streitteilen bekannt sei, und zwar auch der Nebenintervenientin. Mit einem stattgebenden Urteil in diesem Umfang hätte die Klägerin nichts gewonnen. Soweit die Klägerin mit dem Feststellungseventualbegehren die Feststellung der wirksamen Ausübung der Option anstrebe, sei Gegenstand die Feststellung der Wirksamkeit einer Rechtshandlung. Derartige Rechtshandlungen seien aber nicht feststellungsfähig. „Gleiches“ gelte für das Begehren, es zu unterlassen, zu erklären, dass die Zustimmung zur Übertragung des Unterpachtverhältnisses nicht erteilt wird. Die Zustimmung als Rechtshandlung sei bereits vorweg durch Optionseinräumung erteilt worden, weshalb es einer Willenserklärung der Beklagten nicht mehr bedürfe, um von ihrer Zustimmung zur Vertragsübernahme auszugehen. Auch hier bliebe ein stattgebendes Urteil für die Klägerin ohne praktische Bedeutung. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil keine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage zu lösen gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig. Sie ist im Hinblick auf das letzte Eventualbegehren zum ersten Hauptbegehren berechtigt, im Übrigen hingegen nicht berechtigt.
Die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin erweist sich als verspätet. Angesichts der Zustellung des „Freistellungsbeschlusses“ des Revisionsgerichts gemäß § 508a Abs 2 ZPO am 5. 3. 2015 endete die Beantwortungsfrist am 2. 4. 2015. Die Revisionsbeantwortung wurde allerdings entgegen § 507a Abs 3 Z 2 ZPO beim Erstgericht, eingebracht und langte erst am 8. 4. 2015, also nach Fristablauf, beim Obersten Gerichtshof ein (vgl RIS‑Justiz RS0043678).
Zur Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Nebenintervenientin von der „gültig ausgeübten“ Option ... zu informieren, kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden. Eine solche Informationspflicht ist naturgemäß im Vertrag selbst nicht normiert. Sie könnte sich entsprechend der Interessenlage der Parteien allenfalls aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben, für die hier jedoch keine Veranlassung besteht. Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Nebenintervenientin über den gesamten maßgeblichen Sachverhalt aufgrund ihrer Prozessbeteiligung vollständig informiert ist. Kann nun aber die von der Klägerin gewünschte Information durch die Beklagte den Wissensstand der Nebenintervenientin gar nicht erhöhen, ist nicht erkennbar, warum eine Verpflichtung der Beklagten zu einer solchen Information bestehen sollte. Ob die Option „gültig“ ausgeübt wurde, ist im vorliegenden Verfahren im Übrigen gerade strittig. Auch deshalb kann von der Beklagten nicht verlangt werden, diese Rechtsfrage im Sinne der Klägerin zu beantworten und die Nebenintervenientin darüber zu informieren.
Ähnliches gilt für das Begehren, es zu unterlassen, der Nebenintervenientin gegenüber zu erklären, dass die Zustimmung zur Übertragung des Unterpachtverhältnisses nicht erteilt wird. Auch dazu hat das Berufungsgericht im Übrigen zutreffend ausgeführt, dass sich die Frage der Erteilung oder Verweigerung einer Zustimmung durch die Beklagte gar nicht stellt, hat diese doch schon vorweg in der Optionseinräumung ihr Einverständnis zu einer späteren Vertragsübernahme erteilt, die allerdings noch einer Zustimmung der Nebenintervenientin bedarf. Auch in diesem Zusammenhang geht es somit ausschließlich um die Frage, ob die Klägerin die Option wirksam ausgeübt hat und die Beklagte verpflichtet ist, dies zu respektieren und eine negative Beeinflussung der Nebenintervenientin zu unterlassen. Dem trägt ohnehin das Unterlassungsbegehren zu Punkt 1c des Erstgerichts Rechnung, über das nach dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts neuerlich abzusprechen ist.
Zur Abweisung des Eventualfeststellungs-begehrens, die das Berufungsgericht damit begründet hat, dass die Wirksamkeit von Rechtshandlungen kein Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein kann, weist die Revisionswerberin hingegen richtig darauf hin, dass die Frage, welchen urteilsmäßigen Ausspruch die klagende Partei anstrebt, nicht allein aus dem Wortlaut des von ihr formulierten Urteilsbegehren zu beantworten, sondern bei der Auslegung auch zu berücksichtigen ist, was nach dem gesamten Vorbringen ersichtlich gewollt und angestrebt wird. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Klagebegehren so zu verstehen wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist; das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Begehren richtig zu fassen (RIS‑Justiz RS0037440), wobei es insbesondere nicht an die Formulierung eines Feststellungsbegehrens gebunden ist (8 ObA 165/02a). Maßgeblich ist, welchen Ausspruch des Gerichts der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach begehrt (RIS‑Justiz RS0041165 [T3]). Das Gericht ist insoweit in der Regel zur Verdeutlichung verpflichtet (vgl RIS‑Justiz RS0037440 ua; 4 Ob 51/88; RIS‑Justiz RS0039357 [T19] = RS0041254 [T13]); dies muss insbesondere dort gelten, wo der von der klagenden Partei formulierte Wortlaut das Begehren ‑ etwa mangels „Feststellungsfähigkeit“ im Sinne des § 228 ZPO ‑ von vornherein unzulässig machen würde.
Bestehen klare Anhaltspunkte dafür, welches zulässige Begehren die klagende Partei nach dem Inhalt ihres gesamten Vorbringens eigentlich stellen will, darf eine abweisende Erledigung nicht erfolgen, ohne dass vorher der Partei Gelegenheit gegeben wurde, den Inhalt ihres Begehrens klarzustellen. Widrigenfalls läge ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, die als Verfahrensmangel bekämpft werden kann.
Im vorliegenden Verfahren wurde die Formulierung des Eventualfeststellungsbegehrens betreffend die wirksame Ausübung der Option von den Vorinstanzen niemals im Sinne des § 182a ZPO erörtert. Die Begründung des Erstgerichts für die Abweisung ist kaum verständlich; es wurde aber jedenfalls nicht argumentiert, dass die Wirksamkeit von Rechtshandlungen nicht feststellungsfähig sei. Dies hat erstmals das Berufungsgericht ausgeführt, allerdings ohne der Klägerin Gelegenheit zu einer Umformulierung im Sinne ihres erkennbaren Rechtsschutzziels zu geben. Damit liegt ein Mangel des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO vor und nicht etwa ein Mangel des Verfahrens erster Instanz, der bereits vom Berufungsgericht erledigt worden wäre. Die Revisionswerberin legt auch die Relevanz dieses Verfahrensfehlers dar, indem sie ausführt, ihr Begehren habe auf die „Aussage“ abgezielt, dass ein die Parteien vorerst bindendes, (wegen der erforderlichen Zustimmung der Nebenintervenientin) aufschiebend bedingtes Rechtsverhältnis im Sinne der Optionsvereinbarung bestehe. Eine solche Feststellung wäre gemäß § 228 Abs 1 ZPO als Feststellung eines bestehenden ‑ wenn auch bedingten - Rechtsverhältnisses zulässig (RIS‑Justiz RS0047957). Da es durchaus naheliegt, dass die Klägerin von jeher ein solches Rechtsschutzziel verfolgt hat, wird im Sinne der dargelegten Judikatur im fortgesetzten Verfahren mit der Klägerin zu erörtern sein, welchen exakten Inhalt das Eventualfeststellungsbegehren haben soll. Der Beklagtenseite wird die Möglichkeit zu geben sein, dazu Stellung zu nehmen.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann ein Feststellungsinteresse der Klägerin jedenfalls nicht mit der Begründung verneint werden, dass Feststellungsurteile keine Rechtskraftwirkung gegen Dritte haben. Dem entgegen ist einerseits zu bedenken, dass die Nebenintervenientin am Verfahren beteiligt ist und eine positive Feststellung daher auch ihr gegenüber Bedeutung hätte. Darüber hinaus geht es hier nicht um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zur Nebenintervenientin, sondern um ein bedingtes Rechtsverhältnis, das vorerst nur zwischen den Streitparteien bestehen und erst mit der Zustimmung der Nebenintervenientin endgültige Wirksamkeit im Sinne einer (teilweisen) Vertragsübernahme erlangen kann. Schließlich ist zu beachten, dass die Nebenintervenientin im Verfahren erklärt hat, ihre Zustimmung erscheine denkbar, wenn mit der Beklagten das Einvernehmen hergestellt werden könne. Da ein rechtsgeschäftliches Einvernehmen auch durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung ersetzt werden kann, wäre mit einem positiven Feststellungsurteil für die Nebenintervenientin geklärt, dass die (vorweggenommene) Zustimmung der Beklagten zu der von der Klägerin angestrebten Vertragsübernahme (weiterhin) vorliegt.
Im Rahmen des letztlich formulierten Begehrens wird von den Vorinstanzen gegebenenfalls zu prüfen sein, ob dem Zustandekommen eines bedingten Rechtsverhältnisses im Sinne der Einwendungen der Beklagten ein Hindernis entgegen gestanden bzw ein allenfalls zustande gekommenes Rechtsverhältnis wieder dahingefallen ist.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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