OGH 1Ob243/00t

OGH1Ob243/00t24.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang R*****, vertreten durch Dr. Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Feststellung und Einwilligung in die Verbücherung einer Dienstbarkeit (Streitwert 30.000 S) infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 20. Juni 2000, GZ 4 R 104/00z-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Bezau vom 23. März 2000, GZ 5 C 654/99m-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.058,88 S (darin 676,48 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger ist aufgrund des Kaufvertrags vom 1. 9. 1997 Eigentümer einer Liegenschaft in Vorarlberg, zu der unter anderem das Grundstück 2659/4 gehört, das ursprünglich ein Teil des Grundstücks 2659/1 war. Im Gutbestandsblatt der Grundbuchseinlage ist zugunsten des Grundstücks 2659/4 die unbefristete Grunddienstbarkeit des Verbots der Bebauung und Bepflanzung des Grundstücks 2556/1, das zu einer anderen Liegenschaft gehört, ersichtlich gemacht (Stand 1943). Dessen Eigentümerin ist aufgrund des Regulierungsbescheids vom 15. 2. 1978 die beklagte Partei. Im Lastenblatt dieses Grundbuchskörpers ist die vorhin bezeichnete Dienstbarkeit allerdings nicht einverleibt. Rechtsvorgänger der Streitteile hatten am 22. 11. 1935 einen Dienstbarkeitsvertrag geschlossen, der unter anderem folgenden Wortlaut enthält:

"I.

Zwischen der Fa. A..., Otto H... und der Frau Hedwig R... einerseits

und den vorgenannten Eigentümern der Alpe U... und somit der Gp.

2556/1 ... andererseits vereinbaren die beiden Vertragsparteien die

Errichtung einer Grunddienstbarkeit derart, dass sich die Eigentümer

der Alpe U... verpflichten, den in der beigeschlossenen Mappenskizze

... umschriebenen Teil der Parzelle 2556/1 ... weder zu verbauen noch

zu bepflanzen und die derzeitige Bewegungsfreiheit auf derselben

nicht zu behindern, sodass insbesondere hiedurch die Aussicht von den

vorgenannten Parzellen ... der Fa. A..., Otto H... und der Bp. ...

der Frau Hedwig R... in keiner Weise beeinträchtigt wird.

V.

Für die Einräumung dieser Grunddienstbarkeit für die Zeit bis zum 31.

Dezember 1985 ... vereinbaren die Vertragsparteien ein sofort nach

Errichtung der Verfachurkunde zur Barzahlung fälliges Entgelt von

20.000 S .... .

VIII.

Beide Vertragsteile willigen in die Verfachung dieses Vertrages wegen Verdinglichung der Dienstbarkeit auf der dienenden Parzelle 2556/1 ... zugunsten der herrschenden Parzellen ..., 2659/1, sowie ... ."

Mit Schriftsatz vom 26. 11. 1935 beantragten die Eigentümer der herrschenden Grundstücke die "Verfachung des Dienstbarkeitsvertrages" durch die Belastung des dienenden Guts. Zufolge dieses Dienstbarkeitsvertrags wurde sodann bei der Grundbuchsanlegung im Lastenblatt des dienenden Guts die Dienstbarkeit des Verbots der "Verbauung, Bepflanzung und Verwendung der Gp. 2556/1 ... bis 31. 12. 1985" einverleibt. Diese Belastung wurde nach dem Fristende anlässlich der Umstellung des Grundbuchs auf ADV nicht übertragen.

Nicht feststellbar ist, ob die Parteien des Dienstbarkeitsvertrags beabsichtigten, eine befristete oder unbefristete Dienstbarkeit zu begründen. Nicht feststellbar ist weiters, ob die Rechtsvorgänger des Klägers in das Lastenblatt des dienenden Guts Einsicht genommen und im Zuge der Grundbuchsanlegung die Befristung der Dienstbarkeit sowie später - anlässlich der Grundbuchsumstellung - das Unterbleiben deren Übertragung bemängelt hatten.

Im Herbst 1977 hatte die beklagte Partei unmittelbar an der Westgrenze des Grundstücks 2556/1 ein Wasserreservoir und darüber einen Turm errichtet. Danach pflanzte sie rund um den Turm etwa 50 Bäume. Die unmittelbare Rechtsvorgängerin des Klägers fragte 1993 den Bürgermeister, ob er nicht für eine Kürzung der Bäume sorgen könne. 1998 wurde die beklagte Partei vom Kläger erstmals erfolglos aufgefordert, die Baumbepflanzung zu entfernen. Daraufhin fällte der Kläger am 30. 12. 1998 die Bäume rund um das Wasserreservoir.

Der Kläger begehrte die Feststellung der Grunddienstbarkeit des Verbauungs- und Bepflanzungsverbots am dienenden Grundstück 2556/1 zugunsten des herrschenden Grundstücks 2659/4 und die Verurteilung der beklagten Partei, in deren Verbücherung einzuwilligen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seiner Ansicht wurde - nach dem Ergebnis der Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags - eine unbefristete Dienstbarkeit vereinbart.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 52.000 S, jedoch nicht 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass sich allein aus dem Wortlaut des Dienstbarkeitsvertrags weder eine befristete noch eine unbefristete Dienstbarkeit ableiten lasse. Bei der normativen Vertragsauslegung seien daher die Grundsätze des § 484 ABGB nutzbar zu machen. Eine befristete Dienstbarkeit sei gegenüber einer unbefristeten als geringere Last anzusehen. Daher sei im Zweifel anzunehmen, das sich die Dienstbarkeitsbestellung auf die geringere Last bezogen habe. Dafür spreche auch, dass sich die Rechtsvorgänger der beklagten Partei "nicht für alle Zeiten zu Lasten zukünftiger Generationen in der Benützung der Vorsäßliegenschaft" hätten einschränken wollen. Das Haus des Klägers sei ferner bloß ein Ferienhaus. Es sei "daher gut vorstellbar", dass sich auch dessen Rechtsvorgänger "seinerzeit mit einer nur befristeten Dienstbarkeitseinräumung einverstanden" erklärt hätten, zumal ein Zeitraum von 50 Jahren ohnehin "mehreren Generationen" entspreche. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es zur entscheidungswesentlichen Frage nach der Anwendbarkeit des § 484 ABGB bei der Auslegung eines Dienstbarkeitsbestellungsvertrags an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangle. In den Entscheidungen 1 Ob 29/97i und 10 Ob 95/98p sei bloß ausgesprochen worden, dass die Prinzipien des § 484 ABGB nicht anzuwenden seien, weil die jeweils in Anspruch genommene Dienstbarkeit ihre Rechtfertigung nicht nur im Vertragswortlaut, sondern auch in der Absicht der Parteien finde.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die beklagte Partei wendet sich gegen die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht und strebt eine Bewertung mit nur 30.000 S an. Darauf ist zu entgegnen, dass das Berufungsgericht bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO nicht an die Bewertung durch den Kläger gebunden ist. Dagegen ist der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz für den Obersten Gerichtshof bindend, soweit durch diesen Ausspruch zwingende Vorschriften nicht verletzt wurden oder eine Bewertung überhaupt nicht vorzunehmen gewesen wäre (Kodek in Rechberger, ZPO2 § 500 Rz 3 mN aus der Rsp). Das Vorliegen einer solchen Bindungsausnahme ist nicht ersichtlich und wird von der beklagten Partei auch gar nicht behauptet.

2. Der Kläger wendet sich nur gegen die Ansicht des

Berufungsgerichts, aus dem Vertragswortlaut allein könne die

Bestellung einer unbefristeten Dienstbarkeit nicht hergeleitet

werden. Vielmehr sei schon nach dem "objektiven Erklärungswert" des

Vertragswortlauts eine unbefristete Dienstbarkeit bestellt worden,

sodass "eine normative Interpretation der Vertragsbestimmungen unter

Berücksichtigung der Prinzipien des § 484 ABGB nicht stattzufinden"

habe.

Der Kläger zieht also die Anwendbarkeit der Grundsätze des § 484 ABGB

bei Auslegung eines Dienstbarkeitsvertrags unter der vom

Berufungsgericht erläuterten Voraussetzung im Grundsätzlichen gar

nicht in Zweifel, sondern meint, dass es im Anlassfall an einer

solchen Voraussetzung fehle. Damit zeigt aber der Kläger keine

Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO

auf, von deren Lösung die Entscheidung abhinge, ist doch dem

Berufungsgericht beim Ergebnis der Auslegung des Vertragswortlauts

zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung als Voraussetzung der

Zulässigkeit der Revision unterlaufen. Ist aber dieses

Auslegungsergebnis zu unterstellen, so teilt offenkundig auch der

Kläger die unbekämpfte Ansicht des Berufungsgerichts, dass der

Dienstbarkeitsvertrag im Lichte des § 484 ABGB auszulegen sei und

sich die erörterte Dienstbarkeitsbestellung dann nur auf die geringere Last einer befristeten Dienstbarkeit beziehen könne.

Der Oberste Gerichtshof hätte sich mit der in der Revision allein aufgeworfenen Frage nach der richtigen Auslegung aufgrund des Vertragswortlauts nur dann in der Sache auseinanderzusetzen gehabt, wenn der Kläger sonst wenigstens eine für die Entscheidung präjudizielle Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung angeschnitten hätte, was jedoch, wie zuvor begründet wurde, nicht der Fall ist. Die Revision ist nämlich auch dann unzulässig, wenn das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Revision mit Recht ausgesprochen hätte, der Revisionswerber dann aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (6 Ob 28/99g; 9 ObA 112/99g; Kodek aaO vor § 502 Rz 3).

3. Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gebunden. Somit ist aber die Revision wegen des Mangels einer für die Entscheidung präjudiziellen erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, wobei sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken kann.

4. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers hingewiesen, weshalb deren Revisionsbeantwortung einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienlich war. Ihr sind daher die Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO zuzuerkennen. Als Grundlage für die Kostenbemessung ist aber nur der Wert des Streitgegenstands nach der Bewertung des Klägers heranzuziehen.

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