OGH 1Ob240/22h

OGH1Ob240/22h27.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Mag. Wolfgang Gartner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. September 2022, GZ 40 R 154/22a‑39, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00240.22H.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Gemäß § 568 ZPO ist ein infolge Auflösung eines Bestandvertrags über einen Gegenstand nach § 560 ZPO gegen den Bestandnehmer erwirkter Räumungstitel auch gegenüber dem Afterbestandnehmer (Unterbestandnehmer) wirksam und vollstreckbar. Nach Beendigung des Hauptbestandverhältnisses kann der Unterbestandnehmer das aufrechte Unterbestandverhältnis nur gegenüber seinem Vertragspartner, nicht aber auch gegenüber dem Liegenschaftseigentümer, der ihn auf Räumung in Anspruch nimmt, erfolgreich einwenden (vgl RS0062380 [T8]), sofern der Unterbestandnehmer sein Benützungsrecht nicht materiell‑rechtlich direkt von der Klägerin ableitet (vgl RS0000907).

[2] 2. An der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass zwischen den Streitteilen kein direktes Vertragsverhältnis oder sonstiges Rechtsverhältnis besteht, weckt der Beklagte mit seinem Hinweis keine Bedenken, mit dem Abschluss des (letzten) Hauptbestandvertrags seien dem Hauptbestandnehmer (Fischereiverein) die für den Bestand der bereits (lange zuvor jeweils von seinen Mitgliedern) errichteten Fischerhütten und Daubelanlagen erforderlichen Grundflächen „für seine Mitglieder“ überlassen worden. Darin kann – wie der Oberste Gerichtshof mittlerweile in mehreren gleichgelagerten Parallelverfahren festgehalten hat (3 Ob 77/22b; 9 Ob 24/22b; 6 Ob 57/22h) – nämlich bloß eine vereinbarte Einengung des Personenkreises, dem der Verein die in Bestand gegebenen Grundflächen mittels Afterbestandverträgen zur Verfügung stellen durfte, gesehen werden, nicht aber der Abschluss eines echten Vertrags zugunsten Dritter, mit dem die einzelnen Mitglieder selbständig berechtigt hätten werden sollen.

[3] 3. Der Rechtsmittelwerber hat sich erstmals in der Berufung auf einen Eintritt in den Hauptmietvertrag aufgrund einer analogen Anwendung des § 2 Abs 1 letzter Satz MRG gestützt und ein konkretes Vorbringen zu den diese Analogie vermeintlich tragenden Tatsachen erstattet. In der Revision kann er insofern deshalb keine erhebliche Rechtsfrage darstellen, weil er damit gegen das Neuerungsverbot verstoßen hat (vgl RS0042025). Darüber hinaus stellt der Gesetzeswortlaut für die Begründung einer Hauptmiete auf die Berechtigung am „ganzen Haus“ ab und legt der Beklagte auch in der Revision nicht einmal im Ansatz dar, inwiefern der Fall „ganze Fischereireviere“ mit diesem gesetzlich geregelten Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen übereinstimmen sollte (RS0008864).

[4] 4. Dass das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung von den in der Rechtsprechung des Höchstgerichts entwickelten Leitlinien zur Frage des Vorliegens kollusiven Verhaltens oder einer bewusst sittenwidrigen Schädigung (vgl RS0083005) abgewichen wäre, zeigt der Beklagte ebenfalls nicht auf. In der Beurteilung, wonach aus dem Sachverhalt kein kollusives Verhalten abzuleiten wäre, liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, zumal den Feststellungen weder eine bewusste Schädigung der Unterbestandnehmer durch die Klägerin oder den Hauptbestandnehmer (bei Unterbleiben von Einwendungen) bzw ein objektives Zusammenwirken (der Verein nahm die gerichtliche Aufkündigung bloß hin) oder eine Absprache zu diesem Verhalten zwischen den Streitteilen zu entnehmen ist. Angesichts der (vom Beklagten sogar zugestandenen) Rechtsunsicherheit zur Frage, ob das Bestandverhältnis überhaupt dem Mietrechtsgesetz unterlag, ist überdies nicht ersichtlich, in welcher Weise der Hauptbestandnehmer bei Hinnahme der Kündigung bewusst widerrechtlich gehandelt haben sollte (vgl zu gleichgelagerten Fällen bereits 9 Ob 24/22b; 6 Ob 57/22h; 6 Ob 40/22h ua).

[5] 5. Soweit der Beklagte suggeriert, die Klägerin verfolge mit der Räumungsklage den Zweck, ihn durch Enteignung (hinsichtlich des Superädifikats) zu schädigen und einem neuen (ihm von der Klägerin angebotenen) Benützungsübereinkommen zu unterwerfen, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt und führt die Rechtsrüge insofern nicht gesetzmäßig aus.

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