OGH 1Ob232/21f

OGH1Ob232/21f25.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI F*, vertreten durch Dr. Gunther Huber und Mag. Nikolaus Huber, Rechtsanwälte in Traun, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens zu AZ 3 Cg 16/16g des Landesgerichts Linz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 24. November 2021, GZ 2 R 175/21z‑9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 29. Oktober 2021, GZ 3 Cg 54/21b‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00232.21F.0125.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Wiederaufnahmsklage ist gemäß § 534 Abs 1 ZPO binnen der Notfrist von vier Wochen zu erheben. Sie hat nach § 536 Z 3 ZPO ua die Angabe der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Einhaltung der gesetzlichen Klagefrist ergibt (vgl auch A. Kodek in Rechberger/Klicka ZPO5 § 538 Rz 4 mwN). Sie ist nicht nur bei erwiesener Verspätung, sondern bereits mangels Glaubhaftmachung ihrer Rechtzeitigkeit im Vorprüfungsstadium zurückzuweisen; dem Gesetz ist nämlich eine gesetzliche Vermutung der Rechtzeitigkeit fremd (RIS‑Justiz RS0111662; RS0044613 [T2]).

[2] Die Frage, ab wann eine Partei im Stande ist, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismittel (§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO) bei Gericht vorzubringen (womit die vierwöchige Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO in Gang gesetzt wird [§ 534 Abs 2 Z 4 ZPO]), hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit im Regelfall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (1 Ob 110/18k mwN; vgl RS0044790 [T4]).

[3] 2. Das Erstgericht ging (neben der Beurteilung, dass die in der Wiederaufnahmsklage angeführten Beweismittel nicht geeignet seien, eine für den Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung herbeizuführen) von einer verspäteten Einbringung der Wiederaufnahmsklage aus. Es führte aus, der Wiederaufnahmskläger sei seiner Pflicht, zu behaupten und zu bescheinigen, dass er den (schon) im August 2020 vorgefundenen Grenzstein 6059 nicht früher als vier Wochen vor Einbringung der Klage am 24. 6. 2021 hätte nützen können, nicht nachgekommen; ebenso hätte er das Privatgutachten früher beauftragen oder urgieren können.

[4] Das Rekursgericht teilte auch diese selbständig tragfähige Begründung für die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage unter Hinweis auf die Entdeckung dieses nun als relevant angesehene Grenzsteins bereits im August 2020. Sogar dann, wenn man auf eine „Verifizierung“ (durch die Sachverständige mittels nochmaliger Messung im März 2021) abstelle, sei die erst am 24. 6. 2021 eingebrachte Wiederaufnahmsklage jedenfalls verspätet erhoben worden. Der aufgefundene Grenzstein hätte als Beweismittel weit mehr als vier Wochen vor der Wiederaufnahmsklage verwendet werden können.

[5] 3. Zu dieser Beurteilung kann der Revisionsrekurswerber keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen. Er wendet sich (nur) gegen die darüber hinaus herangezogene weitere Begründung, die von ihm als neu dargelegten Beweismittel seien absolut untauglich, im Hauptverfahren eine für ihn günstigere Entscheidung herbeizuführen. Der Argumentation zur Verspätung tritt er gar nicht entgegen und legt insbesondere nicht dar, warum es ihm nicht möglich oder zumutbar gewesen sein sollte, das der Wiederaufnahmsklage zugrunde gelegte Privatgutachten bereits unmittelbar nach dem Auffinden des Grenzsteins in Auftrag zu geben, wenn er schon die Auffassung vertritt, erst dieses Gutachten könne ein geeignetes neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO sein. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts kann der Kläger, der sich in seinem Rechtsmittel hauptsächlich mit der Frage beschäftigt, inwieweit im Vorprüfungsverfahren bereits auf den „Aussage‑ und Beweiswert“ eingegangen werden darf, nicht aufzeigen.

[6] Einer weitergehenden Begründung bedarf es nicht (§§ 510 Abs 3 iVm 528a ZPO).

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