OGH 1Ob110/18k

OGH1Ob110/18k17.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** O*****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. C***** P*****, und 2. Verlassenschaft nach der am ***** verstorbenen E***** P*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 17 C 330/14m des Bezirksgerichts Innsbruck (wegen Aufkündigung), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Mai 2018, GZ 2 R 261/17x‑6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 24. November 2017, GZ 17 C 341/17h‑3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00110.18K.0717.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

1.2. Die Frage, ab wann eine Partei im Stande ist, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismittel bei Gericht vorzubringen, womit die vierwöchige Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO in Gang gesetzt wird (§ 534 Abs 2 Z 4 ZPO), hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0044790 [T4]). Jedenfalls obliegt es dem Wiederaufnahmskläger, darzutun, dass er die gesetzliche Frist eingehalten hat (vgl E. Kodek in Rechberger 4 § 538 ZPO Rz 4 mwN).

1.3. Die nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Vorprüfungsverfahren (§ 538 ZPO) erforderliche Schlüssigkeitsprüfung kann nur anhand der konkreten Behauptungen vorgenommen werden und ist damit regelmäßig eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0037780 [T14]; RS0044411 [T19]). Dies gilt auch für die Prüfung, ob die neuen Tatsachen und Beweismittel (abstrakt) geeignet sind, eine Änderung der Entscheidung des Vorprozesses zu bewirken (vgl 1 Ob 140/17w mwN).

1.4. Auch die Beurteilung, ob die Klagsangaben geeignet sind, ein mangelndes Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO darzulegen, ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und vermag daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen (RIS‑Justiz RS0044633 [T7]).

2. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der Inhalt der Grabrede bereits Gegenstand des (erfolglosen) ersten Wiederaufnahmeverfahrens gewesen sei und die neuerliche Geltendmachung – nunmehr unter Bezugnahme auf die Aussage des Grabredners – verfristet sei, dass aus der Aussage einer weiteren Zeugin noch nicht auf eine dauernde Abwesenheit der mittlerweile verstorbenen Zweitbeklagten geschlossen werden könne und der Revisionsrekurswerber den amtsführenden Stadtrat bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren als Zeugen (für die Kriterien der Wohnungsvergabe durch die Stadt) benennen hätte können und ihm diese Unterlassung vorwerfbar sei, ist nicht korrekturbedürftig. Der Revisionsrekurswerber beruft sich nicht auf eine weitergehende Aussage des Verfassers der Grabrede, sondern nur auf deren Inhalt. Entgegen seinen Darlegungen blieb das erste Wiederaufnahmeverfahren nicht deshalb erfolglos, weil der Grabredner unbekannt gewesen sei (vgl dazu 1 Ob 140/17w). Die Verneinung der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Frage, ob die vom Revisionsrekurswerber gegen die Beweiswürdigung ins Treffen geführten Hilfstatsachen (hier die Aussage einer Zeugin) geeignet gewesen seien, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Auf die Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz, selbst bei Annahme der Tatsache, dass der Revisionsrekurswerber als Eigentümer einer Wohnung keine Chance auf eine von der Stadt zu vergebende Wohnung gehabt hätte, hätte sich keine günstigere Entscheidung für ihn ergeben, weil im wiederaufzunehmenden Verfahren argumentiert worden sei, dass er sich insgesamt um keine geeignete Wohnung umgesehen habe und damit nicht nur auf Wohnungen der Stadt abgestellt worden sei, geht er nicht näher ein. Dass er den für die Wohnungsvergabe zuständigen amtsführenden Stadtrat leicht ermitteln und als Zeugen im wiederaufzunehmenden Verfahren benennen hätte können, ist jedenfalls vertretbar. Von „akribischen“ Nachforschungen kann nicht die Rede sein. Insgesamt zeigt der Revisionsrekurs keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

3. Das Neuerungsverbot gilt grundsätzlich auch im (Revisions‑)Rekursverfahren (vgl RIS‑Justiz RS0042091). Die erstmals im Rechtsmittel enthaltenen Ausführungen zu Angaben der Großmutter des Erstbeklagten sind daher unzulässig und unbeachtlich.

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