OGH 1Ob230/10w

OGH1Ob230/10w23.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin E***** Wohnungsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Konrad & Schröttner OG in Graz, gegen die Antragsgegnerin Stadt Graz, Hauptplatz 1, vertreten durch Dr. Arno Roman Lerchbaumer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Enteignungsentschädigung, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin (Revisionsrekursinteresse 43.740 EUR) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 22. November 2010, GZ 2 R 162/10a-28, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. September 2010, GZ 34 Nc 11/09k-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die - in verbautem Gebiet gelegene - Liegenschaft EZ ***** GB ***** war im Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz als „Wohngebiet-Aufschließungsgebiet“ ausgewiesen; unter anderem für diese Liegenschaft war die Verordnung eines Bebauungsplans vorgesehen. Dieser Bebauungsplan wurde mit Verordnung des Gemeinderats der Antragsgegnerin im Herbst 2000 beschlossen. Er sah in der planlichen Darstellung am nördlichen Rand des rund 12.000 m² großen Grundstücks 378 der genannten Liegenschaft einen unverbauten Grünstreifen mit ca 8 m Breite und einer Gesamtfläche von ca 1.800 m² vor. Dies stand im Zusammenhang mit einem schon damals geplanten wasserbaulichen Projekt, das Überschwemmungen durch einen auch im Bereich der Liegenschaft verlaufenden Bach verhindern soll. Im Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan wird dazu unter der Überschrift „Sonstiges“ auf die Erfordernisse bezüglich der im 30-jährlichen Abflussraum gelegenen Flächen hingewiesen; die diesbezüglich dem Stadtplanungsamt zur Verfügung gestellten gutachtlichen Aussagen würden im Wesentlichen die Ausformung eines neuen Bachs innerhalb dieses von sämtlichen Maßnahmen freizuhaltenden 8 m breiten Streifens im nördlichen Grundstücksbereich vorsehen.

Im August 2001 erwarb die Antragstellerin die Liegenschaft. Auf der Grundlage des Bebauungsplans wurde ihr am 16. 6. 2003 bescheidmäßig eine Baubewilligung erteilt, worauf die Liegenschaft mit einer Wohnanlage mit sieben mehrgeschossigen Wohnhäusern mit insgesamt 63 Wohnungen und 70 Kfz-Abstellplätzen (großteils in einer Tiefgarage) bebaut wurde. Entsprechend dem rechtskräftigen Bebauungsplan wurde der 8 m breite Streifen im nördlichen Grundstücksbereich von sämtlichen baulichen Maßnahmen freigehalten. Er wurde begrünt und in geringem Ausmaß auch bepflanzt. Nachdem kein Einvernehmen zwischen den Parteien über die Nutzung des erwähnten Grundstücksstreifens für das Hochwasserschutzprojekt der Antragsgegnerin erzielt werden konnte, räumte ihr die zuständige Behörde auf ihren Antrag im wasserrechtlichen Verfahren bescheidmäßig eine Zwangsservitut ein, nämlich „die für die Errichtung, Erhaltung und den Betrieb der Bachumlegung notwendige Dienstbarkeit“. Dadurch ist die Antragstellerin in ihrer Verfügungsmöglichkeit über den Grundstücksteil bzw in der Gestaltungsfreiheit jedenfalls insoweit eingeschränkt, als die Teilfläche nicht mehr als mögliche Erholungsfläche genutzt werden kann. Sonstige wertrelevante Faktoren des Grundstücks werden durch die Einräumung der Dienstbarkeit hingegen nicht berührt; das Fehlen bzw das Vorhandensein einer solchen Grünfläche hat keinen Einfluss auf die Höhe des zu erzielenden Mietzinses bzw auf die Höhe des für die Wohneinheiten erzielbaren Verkaufspreises.

Die Antragstellerin begehrte (nach § 117 Abs 4 WRG) ursprünglich eine Enteignungsentschädigung in Höhe von 534.000 EUR, schränkte ihr Begehren aber in der Folge auf 43.740 EUR zuzüglich eines - nicht mehr verfahrensgegenständlichen - frustrierten Aufwands von 23.075 EUR („verlorene“ Baukosten) ein. Sie habe beim Erwerb der Liegenschaft mit der Umlegung des Bachbetts nicht rechnen müssen. Unabhängig davon stehe ihr jedenfalls eine angemessene Entschädigung für die Einräumung der Zwangsrechte zu. Durch die Verlegung des Bachs hätten jene Anrainer, die nun nicht mehr gefährdet seien, eine beträchtliche Wertsteigerung ihrer Liegenschaften zu verzeichnen. Die Antragstellerin hingegen müsse eine Wertminderung hinnehmen, da der Bach ja auf ihre Liegenschaft verlegt werde, wo die Hochwassergefahr sogar ansteige.

Die Antragsgegnerin wandte im Wesentlichen ein, der Antragstellerin sei bereits vor dem Kauf der Inhalt des Bebauungsplans bekannt gewesen und damit auch die notwendige Baufreihaltung des Grünstreifens von 8 m Breite zur Errichtung eines Hochwasserschutzes. Die Hochwasserschutzmaßnahmen würden sich vor allem in Bezug auf die Liegenschaft der Antragstellerin ganz besonders günstig und erheblich werterhöhend auswirken. Keineswegs habe die Antragstellerin ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit zu leisten. Der Hochwasserschutz liege ausschließlich im Interesse der örtlichen Grundeigentümer, weshalb diese mit Ausnahme der Antragstellerin ihre Zustimmung zum Projekt, insbesondere den Grundablösen, problemlos erteilt hätten. Da die Hochwasserschutzmaßnahmen die Liegenschaft der Antragstellerin massiv aufgewertet hätten, bestünde das Begehren nach einer Entschädigung schon dem Grunde nach nicht zu Recht. Ohne den Hochwasserschutz würde die Liegenschaft bereits bei erheblich geringeren Hochwasserständen vollständig überflutet.

Das Erstgericht setzte die begehrte Entschädigung mit 43.740 EUR fest. Der Antragstellerin solle für das ihr durch den besonderen Hoheitsakt der Enteignung abgenötigte Sonderopfer an ihrem Vermögen Ersatz geleistet werden. Bei der Ermittlung der Entschädigungssumme hätten Werterhöhungen, die infolge des geplanten Enteignungsprojekts entstehen, außer Betracht zu bleiben. Es sei also auf diejenige fiktive Nutzungsmöglichkeit abzustellen, die sich für die enteignete Fläche am Wertermittlungsstichtag, also dem Zeitpunkt der Enteignung, ergeben hätte. Grundsätzlich entspreche die Wertminderung durch zwangsweise eingeräumte Dienstbarkeiten der Differenz des Verkehrswerts der unbelasteten Liegenschaft zum Verkehrswert der mit dieser Dienstbarkeit belasteten Liegenschaft. Hier sei als Bodenwert unter Berücksichtigung des Kaufpreises, der angefallenen Nebenkosten sowie der Aufschließungs- und sonstigen Maßnahmen ein Quadratmeterpreis von 162 EUR anzusetzen. Die Nutzungsbeschränkung aufgrund der Dienstbarkeit stelle eine bloß unwesentliche Beeinträchtigung dar, zumal die betroffene Teilfläche bei der Beurteilung der (maximalen) Bebaubarkeit der Liegenschaft weiter zu berücksichtigen sei und auch ihre Funktion als Trennungsgrün unverändert aufrechtbleibe. Bei einem unwesentlichen Grad an Beeinträchtigung betrage die Wertminderung durch die Dienstbarkeit 15 % des Bodenwerts der Dienstbarkeitsfläche, somit insgesamt 43.740 EUR.

Das Rekursgericht bestätige diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig. Ob die Hochwasserschutzmaßnahmen eine Verbesserung der Liegenschaft samt entsprechender Werterhöhung bewirkt hätten, sei rechtlich nicht von Relevanz. Die aufgeworfene Frage des „Vorteilsausgleichs“ sei von Rummel ausführlich untersucht und beantwortet worden. Seine Ausführungen seien vom Obersten Gerichtshof zu 2 Ob 282/05t als überzeugend übernommen worden; auch der Rekurssenat schließe sich dem im Wesentlichen an. Danach habe sich der Enteignete nur die Projektvorteile im engsten Sinn anrechnen zu lassen, nicht aber bloß „allgemeine Planungsgewinne“. Hinzukomme, dass der Enteignete natürlich noch nicht den allenfalls durch die bekannt gewordene Planung erhöhten Preis bezahlt haben dürfe, weil ja sonst nicht er, sondern sein Voreigentümer den Vorteil lukriert hätte, während die spätere tatsächliche Enteignung der aktuelle Eigentümer zu tragen habe. Im vorliegenden Fall sei schon nicht einsichtig, warum eine klare Vorwirkung vorgelegen sein sollte. Von der bekannt gewordenen Planung durch den Bebauungsplan bis zur Enteignung habe es fast neun Jahre gedauert; wann das Projekt tatsächlich verwirklicht werde, sei offen. Inzwischen sei die Liegenschaft - ohne Hochwasserschutz - längst bebaut worden. Das Projekt werte selbst nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin eine ganze Gegend auf, umfasse es doch drei Abschnitte mit zahlreichen betroffenen Liegenschaften und betreffe diese Sache nur den zweiten Abschnitt. Die Antragstellerin habe die Liegenschaft nach Verordnung des Bebauungsplans gekauft und vor Durchführung des Hochwasserschutzprojekts bebaut. Sie habe also gegebenenfalls den durch den Planungsgewinn höheren Preis ohnehin bezahlt, somit den Vorteil, der ihr angerechnet werden solle, gar nicht lukriert. Das Sonderopfer der Antragstellerin bestehe in der Einräumung der Dienstbarkeit für einen Bach, der früher nicht auf dieser Liegenschaft verlaufen sei. Dadurch sei die Liegenschaft geringfügig, nämlich im Wert der zuerkannten Entschädigung, abgewertet worden. Die Klägerin habe auch nicht „im Wissen der vorliegenden Eigentumsbeschränkung“ gekauft, sondern ausgehend vom Bebauungsplan im Wissen davon, dass dieser Streifen nicht bebaut werden dürfe, woran sich nichts geändert habe. Eine Änderung sei erst durch die im Wasserrechtsbescheid erfolgte Dienstbarkeitseinräumung eingetreten, die die (ohnehin bloß geringe) Abwertung bewirkt habe. Warum es ohne die Hochwasserschutzmaßnahmen keine Bebauung gegeben hätte, sei nicht nachvollziehbar, sei das Areal doch bebaut worden, bevor das Projekt durchgeführt worden sei. Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil sich erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht gestellt hätten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragsgegnerin erweist sich als zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag auch als berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass sich der Oberste Gerichtshof in der - auch in diesem Verfahren aufgeworfenen - Frage der „Vorteilsausgleichung“, also der Berücksichtigung von vermögenswerten Vorteilen, die dem Enteigneten durch das Enteignungsprojekt zukommen, dem Ansatz von Rummel (Vorwirkungen der Enteignung, JBl 1998, 20 ff; ähnlich in Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechtes, 283, 305 ff) angeschlossen hat (2 Ob 282/05t). Im damals entschiedenen Fall war zwar die Begründung einer Servitut zu Zwecken des Betriebs einer U-Bahn zu beurteilen, doch sind die allgemeinen Grundsätze des Enteignungsrechts auch auf Enteignungen im wasserrechtlichen Verfahren, etwa nach § 63 lit b WRG, anzuwenden, wofür nach § 60 Abs 2 WRG eine angemessene Entschädigung zu leisten ist. § 118 Abs 1 WRG verweist insoweit auf die §§ 4 bis 7 EisbEG.

Gemäß § 7 Abs 2 EisbEG hat bei der Berechnung der Entschädigung unter anderem eine Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, die der Gegenstand der Enteignung infolge der Anlage der Eisenbahn erfährt; eine inhaltsgleiche Regelung findet sich in § 18 Abs 1 BStG. Diese Bestimmungen ordnen somit für den Fall werterhöhender Vorwirkungen die Vorverlegung des für die wertbestimmenden Eigenschaften des Grundstücks maßgebenden Zeitpunkts an. In der Regel wird dabei von der Qualität des Grundstücks auszugehen sein, die es besaß, bevor die eingeleitete Planung ihre werterhöhende Funktion wirksam werden ließ. Dies folgt schon aus dem Zweck der Enteignungsentschädigung, den Vermögensnachteil des Enteigneten bloß auszugleichen, nicht aber dessen Bereicherung herbeizuführen (2 Ob 282/05t mwN; RIS-Justiz RS0010844 [T2]).

Rummel hat sich insbesondere mit der Frage beschäftigt, wie in dem Fall zu verfahren ist, in dem bei Teilenteignung das Restgrundstück durch das Enteignungsprojekt eine Werterhöhung erfährt (Vorwirkungen der Enteignung, JBl 1998, 20 ff), was im vorliegenden Fall von der Antragsgegnerin behauptet wurde. In der bereits zitierten Vorentscheidung folgte der Oberste Gerichtshof der Auffassung des Autors, dass § 7 Abs 2 EisbEG nur die Projektvorteile im engsten Sinn des Worts betreffe. Die „allgemeinen Planungsgewinne“ aus der Erschließung eines gesamten Gebiets sollten hingegen dem Enteigneten so wie allen seinen Nachbarn verbleiben, soweit sie sich zum Stichtag für die Entschädigungsbemessung schon im Wert des Grundstücks niedergeschlagen hätten. Das Kausalitätserfordernis sei nach dem Wortlaut des § 7 Abs 2 EisbEG eindeutig auf das Projekt selbst beschränkt. Nur Wertsteigerungen des Grundstücks durch den Bau, also das Projekt selbst, blieben daher außer Betracht. Dies erfordere nach Rummel die (im Einzelfall schwierige) Unterscheidung zwischen der Kausalität der Projektplanung einerseits und jener der Projektausführung andererseits. Werde etwa eine ganze Gegend durch die Erschließung aufgewertet, solle der Enteignete nicht schlechter stehen als alle seine Nachbarn. Dies folgt aus dem Gedanken, dass Enteignungen grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn das Enteignungsprojekt überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten lässt (so für Wasserbauvorhaben § 63 lit b WRG). Ein Enteigneter wäre aber schlechter gestellt, wenn er im Wesentlichen dieselben Vorteile erlangte wie seine (nicht von Enteignungen betroffenen) Nachbarn, ihm diese Vorteile aber deshalb nicht verblieben, weil sie bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung als entschädigungsmindernd berücksichtigt würden.

Mit der (maßgeblichen) Frage, welcher Personenkreis vom konkreten Wasserschutzprojekt erhebliche Vorteile hat bzw haben wird, hat sich das Rekursgericht im Wesentlichen mit der Begründung nicht auseinandergesetzt, dass das Projekt selbst nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin eine „ganze Gegend“ aufwerte, zumal es doch drei Abschnitte mit zahlreichen betroffenen Liegenschaften umfasse und die konkret zu beurteilende Enteignung nur den zweiten Projektabschnitt betreffe. Dieser Umstand bietet nun nach Auffassung des erkennenden Senats noch keine ausreichende Entscheidungsgrundlage, um beurteilen zu können, ob vom Wasserschutzprojekt ein großer Personenkreis profitiert und sich zahlreiche begünstigte Liegenschaftseigentümer nicht durch Zurverfügungstellung von Grundstücksteilen an den Baumaßnahmen beteiligen müssen oder ob - wie dies die Antragsgegnerin behauptet - die Projektvorteile nur wenigen Liegenschaftseigentümern zugute kommen und dabei insbesondere die ohne das Projekt besonders hochwassergefährdete Liegenschaft der Antragstellerin begünstigt würde. Rummel hat etwa (JBl 1998, 29 f) - am Beispiel eines Straßenbauprojekts - die Auffassung vertreten, steige durch das Projekt das gesamte Umland im Wert, solle der daraus resultierende Vorteil allen Liegenschaftseigentümern zugute kommen und damit auch die Entschädigung eines (teil-)enteigneten Liegenschaftseigentümers nicht mindern. Profitiere hingegen vom Projekt - und vorher schon von der Planung - nur ein schmales Gebiet rechts und links der künftigen Straße und ändere sich die Verwendungsmöglichkeit des übrigen Umlands nicht, dann spreche alles dafür, dass die Preissteigerung im Projektgebiet allein auf das Projekt im engeren Sinn und nicht auf allgemeine Planungsgewinne - mögen diese auch ohne Projekt nicht möglich sein - zurückgehe. Zusammenfassend seien nach dem Willen des historischen Gesetzgebers nur Werterhöhungen aufgrund von „Projektvorteilen“ im engsten Sinn des Wortes bei der Ermittlung der Enteignungsentschädigung nicht zu berücksichtigen. Die bloßen allgemeinen Planungsgewinne aus der Erschließung eines ganzen Gebiets hingegen verblieben dem Enteigneten so wie allen seinen Nachbarn, so weit sie sich zum Stichtag der Entschädigungsbemessung schon im Wert des Grundstücks niedergeschlagen hätten.

Auch wenn es im hier zu beurteilenden Fall nicht um die Erschließung eines Gebiets durch den Bau einer Straße geht, können die dargelegten - von Rummel entwickelten und vom Obersten Gerichtshof zustimmend übernommenen - Grundsätze doch auch auf Enteignungsmaßnahmen zum Zwecke der Durchführung eines Wasserschutzprojekts herangezogen werden, mag auch hier die Abgrenzung zwischen den vom Enteignungsprojekt mitprofitierenden entfernteren Nachbarn und „unmittelbaren Betroffenen“, denen gegebenenfalls erheblich größere Vorteile zukommen, noch schwieriger sein.

Die Antragsgegnerin hat nun schon im Verfahren erster Instanz behauptet, dass die Liegenschaft der Antragstellerin ohne die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen besonders überschwemmungsgefährdet sei und daher durch das Projekt eine im Verhältnis zu anderen Liegenschaften besonders hohe Wertsteigerung erfahre. Darüber hinaus hat sie (unbestritten) vorgebracht, alle anderen betroffenen Grundeigentümer hätten die Zustimmung zu den Projekten, insbesondere zu den Grundablösen, erteilt, wobei allerdings offenblieb, welche Grundeigentümer das waren, in welchem Umfang sie Grundstücksteile abgegeben haben und ob dies mit oder ohne Gegenleistung geschehen ist. Im fortgesetzten Verfahren werden nach Erörterung mit den Parteien ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sein, insbesondere zur Frage, ob die Antragstellerin zu jenen Liegenschaftseigentümern gehört, die eine (im Liegenschaftswert zum Ausdruck kommende) besondere Verbesserung bei Hochwasserereignissen erfahren wird.

Sollte sich ergeben, dass nur wenige Liegenschaftseigentümer in unverhältnismäßig höherem Maße - insbesondere durch eine wirtschaftlich relevante verbesserte Bebaubarkeit ihrer Liegenschaft - vom Projekt profitieren als die Mehrzahl der übrigen von Hochwasserereignissen geringer betroffenen Nachbarn, dürften bei der Bemessung einer allenfalls zu leistenden Enteignungsentschädigung der wirtschaftlich erfassbare besondere Projektvorteil und die damit verbundene Erhöhung des Liegenschaftswerts nicht unberücksichtigt bleiben. Ein solcher Vorteil wäre insbesondere auf das Projekt zurückzuführen, wenn etwa die Umwidmung von „Aufschließungsgebiet“ zum „Wohngebiet“ ohne den geplanten Hochwasserschutz nicht erfolgt wäre bzw wenn in einem erlassenen Bebauungsplan erhebliche Einschränkungen gegenüber der tatsächlich zugelassenen Baudichte vorgenommen oder kostenintensive Auflagen erteilt worden wären.

Unerheblich wäre im Falle eines solchen „Projektvorteils“ entgegen der Auffassung des Rekursgerichts, dass die Antragstellerin die Liegenschaft nach Erlassung des Bebauungsplans gekauft und dabei „gegebenenfalls“ den durch den „Planungsgewinn“ höheren Preis ohnehin bezahlt, somit den Vorteil, der ihr angerechnet werden soll, gar nicht lukriert habe. Wie bereits dargelegt wurde, war spätestens mit der Erlassung des Bebauungsplans (samt Erläuterungsbericht) einerseits objektiv bekannt, dass sich die Liegenschaft nun nicht mehr als bloßes „Aufschließungsgebiet“ darstellt, sondern in einer - sehr konkret festgelegten Art und Weise - bebaut werden kann, andererseits aber auch, dass für die nähere Zukunft die Errichtung eines Bachbetts am nördlichen Grenzstreifen der Liegenschaft zu erwarten ist. Sollte die Antragstellerin letzteren Umstand bei der getroffenen Vereinbarung über den Kaufpreis unbeachtet gelassen und die mit ziemlicher Sicherheit zu erwartende Einbuße einer Nutzungsmöglichkeit (sei es durch Enteignung eines Liegenschaftsteils oder aber die Begründung einer Zwangsservitut für das Wasserschutzprojekt) aus sonstigen Gründen nicht zum Anlass für einen Preisabschlag vom Preis einer solchen Liegenschaft ohne eine solche Nutzungseinschränkung genommen haben, hat sie allenfalls den Verkäufern einen sachlich nicht gerechtfertigten Vermögensvorteil zukommen lassen, den sie aber nun nicht im Rahmen der Enteignungsentschädigung vergütet verlangen kann.

Spätestens mit Erlassung des Bebauungsplans im Herbst 2000 war nicht nur die Verpflichtung der seinerzeitigen Liegenschaftseigentümer zur Freihaltung des 8 m breiten nördlichen Grenzstreifens des Grundstücks bekannt, sondern auch der dahinterstehende Zweck, wurde doch im Erläuterungsbericht auf die Absicht der „Ausformung eines neuen Bachs“ innerhalb dieses Streifens hingewiesen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurden daher auch die voraussehbaren (oder zumindest erwarteten) Vor- und Nachteile des Hochwasserschutzprojekts preis- und damit wertbestimmende Faktoren für die Liegenschaft. Sollte sich somit der Verkehrswert der Liegenschaft im zeitlichen Nahbereich zum Bekanntwerden des Wasserschutzprojekts verändert haben, kann durchaus von entsprechenden „Vorwirkungen“ der Enteignung gesprochen werden. Spätestens mit Bekanntwerden des Erläuterungsberichts zum Bebauungsplan war für die interessierte Öffentlichkeit auch klar, dass der im Bebauungsplan ausgewiesene Grünstreifen nicht unverändert bleiben, sondern in näherer Zukunft zur Ausformung eines Bachbetts herangezogen werden würde. Es kann daher durchaus davon ausgegangen werden, dass sich auch dieser Umstand auf die (allenfalls bloß fiktive) Preisbildung ausgewirkt hat. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass als Vorwirkung des Wasserschutzprojekts eine Verkehrswertsteigerung der Liegenschaft eingetreten ist, auf die - wie oben dargelegt - bei der Beurteilung eines allfälligen Anspruchs auf Enteignungsentschädigung im Wege einer „Vorteilsausgleichung“ Bedacht zu nehmen wäre, wäre dem (fiktiven) Wert der Liegenschaft zum maßgeblichen Beurteilungsstichtag ohne Hochwasserschutz - und damit auch ohne die Beeinträchtigung durch die Zwangsservitut - der reine Liegenschaftswert (ohne Bebauung) unter Berücksichtigung der bestehenden Zwangsservitut und des für die nahe Zukunft zu erwartenden Hochwasserschutzes gegenüberzustellen.

Sollte sich eine allenfalls festzustellende Werterhöhung - sofern sie überhaupt vorliegt - hingegen als bloß „allgemeiner Planungsgewinn“ im Sinne der Ausführungen Rummels darstellen, der in ähnlicher Weise auch zahlreichen anderen Liegenschaftseigentümern zugute kommt, ohne dass sie einen vermögenswerten Beitrag zum Enteignungsprojekt leisten müssten, wäre der Antragstellerin die durch die Begründung der Zwangsservitut - einschließlich der (vorwirkenden) Nutzungsbeschränkung durch die Freihalteverpflichtung - entstehende Wertminderung der Liegenschaft ungeschmälert zu vergüten. Die dazu getroffenen Feststellungen und den Berechnungsansatz der Vorinstanzen, die auf den entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen aufbauen, zieht die Revisionsrekurswerberin nicht in Zweifel, sodass darauf nicht näher einzugehen ist.

Da mangels Entscheidung in der Sache keine Basis für eine endgültige Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorliegt, ist entsprechend § 78 Abs 1 zweiter Satz AußStrG ein Kostenvorbehalt auszusprechen, weil keine Sachentscheidung vorliegt (vgl 5 Ob 176/07d).

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