OGH 1Ob22/88

OGH1Ob22/8831.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Schobel, Dr. Kropfitsch und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

L*** S***, Graz, Hamerlinggasse 3, vertreten

durch Dr. Anton Kern, Rechtsanwalt in Frohnleiten, wider die beklagte Partei S*** Spreng- und Bau-Gesellschaft mbH, Graz, St. Peter Hauptstraße 251, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 112.500,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. Februar 1988, GZ 5 R 8/88-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 10. Dezember 1987, GZ 8 Cg 199/86-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Zuge der Neuerrichtung der Murtal-Schnellstraße S 36, Abschnitt Preg-Knittelfeld, waren eine Verlegung des Murbettes und verschiedene Änderungen am Murufer zwischen Flußkilometer 206 bis 208 notwendig. Fischereiberechtigt in der Mur von Raßnitz bei Knittelfeld bis Preg sind Dipl.Ing. Robert und Ursula H***. Ihr Vertreter gab in dem vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung eingeleiteten Verwaltungsverfahren am 12. und 13. Oktober 1982 folgende Erklärung ab:

"Für das geplante Projekt wird angenommen, daß alle baulichen Maßnahmen, die in der Mur im Zuge der Verwirklichung dieses Straßenprojektes durchgeführt werden, fischereifreundlich ausgeführt werden. Das heißt, daß während der Bauzeit keine Schadstoffe in das Murwasser hineinkommen, wie etwa Kalk, Zement, Zementmilch, Kalkmilch, Öle und Fette. Sollte dies dennoch durch menschliches Versagen passieren, wäre dieser Schaden zu ersetzen. Es wird höflich ersucht, daß die Bruchsteinwürfel, die im Zuge dieser Verbauung an der Mur eingebracht werden, derart ausgeführt werden, daß der erste möglichst große Bruchstein, der auf den Grundstein aufgesetzt wird, möglichst im rechten Winkel in das Ufer hineinragt und der Böschungsfuß erst auf diesen Stein aufgesetzt wird. Darüber hinaus ist geplant, daß in den Anprallufern (Außenseiten) Buhnen eingebaut werden, die nicht nur die Uferverbauung sichern, sondern auch den Fischen etwas besseren Einstand gewähren. Eine Böschungsbegrünung wird ebenfalls sehr begrüßt.

Fischereischaden, die 1. durch die Behinderung der Fischerei während der Bauzeit auftreten und 2. Schäden, die durch das Projekt auftreten (z.B. Verlust von Hucheneinständen, Laichplätzen) sind zum gegebenen Zeitpunkt durch einen beeideten Sachverständigen zu erheben und durch den Konsenswerber in voller Höhe zu ersetzen. Es wird unverbindlich von den Fischereiberechtigten Ing. Kurt I***, Niederschöckel, Graz, vorgeschlagen. Die vor zwei Jahren durchgeführte Vermarkung des Beginnes der Teilstrecke Dr. W*** durch einen Geometer ist nach Beendigung wieder herzustellen."

Mit Bescheid des Landeshauptmannes für Steiermark vom 9. Juni 1983, GZ 03-31 A 25-1982/9, wurde der A***- UND S*** AG gemäß den §§ 15 Abs. 1, 41, 99 Abs. 1 lit. a und 107 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Verlegung und Teilregulierung der Mur von Flußkilometer 206 bis 208 bei Erfüllung und Einhaltung verschiedener Auflagen (Bedingungen) erteilt; danach waren vor Inangriffnahme der Bauarbeiten die Fischereiberechtigten zeitgerecht zu verständigen (Punkt 16), im Zuge der Bauarbeiten darauf zu achten, daß die Gewässer nicht durch Treibstoffe, Öle, Schmierfette, Baustoffe und dergleichen verunreinigt werden (Punkt 17), die Verbauung mit Bruchsteinwürfel so vorzunehmen, daß der erste möglichst große Bruchstein, der auf den Grundstein aufgesetzt wird, möglichst im rechten Winkel in das Ufer hineinragt und der Böschungsfuß erst auf diesen Stein aufgesetzt wird (Punkt 22), und in den Anprallufern (Außenseite) Buhnen einzubauen (Punkt 23). Mit der Durchführung der Arbeiten wurde von der A***- UND S*** AG die Arbeitsgemeinschaft

"P***-K***", der die Unternehmen T***-A***, S*** und K*** angehörten, beauftragt. Die beklagte Partei führte in den Jahren 1984 und 1985 als Subunternehmer dieser Arbeitsgemeinschaft Arbeiten in der Mur durch. Durch die Verlegung des Murbettes erwuchs der klagenden Partei in den Jahren 1984, 1985 und 1986 ein erhöhter Aufwand für den Besatz mit Jungfischen von ca S 50.000,--; weiters verkaufte sie in den vorgenannten Jahren um je 7 Jahreskarten a S 3.500,-- weniger. An Pachtzins hatte die klagende Partei den Verpächtern einen um S 20.000,-- geringeren Betrag zu entrichten. Die klagende Partei begehrt den durch Bauarbeiten am Fischereirecht eingetretenen Schaden im Betrag von S 112.500,--, davon S 49.000,-- und S 38.500,-- als Einnahmeentgang bei der Ausgabe von Fischereikarten für die Jahre 1984/85 und 1986/87, sowie S 25.000,-- für Mehraufwendungen im Zusammenhang mit Besatzmaßnahmen. Durch die Bau- und Baggerarbeiten der beklagten Partei sei der Schottergrund des Flusses geologisch steril und die Kleintierfauna vernichtet worden; die Fische seien aus dem Revier geflüchtet. Die Fischereiberechtigten hätten ihre Ansprüche der klagenden Partei, die Pächterin des Fischereirechts sei, zediert. Die beklagte Partei habe den Ersatzanspruch auch anerkannt. Die beklagte Partei erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und beantragte im übrigen Abweisung des Klagebegehrens. Die Baumaßnahmen seien im Zuge eines wasserrechtsbehördlich genehmigten Regulierungswasserbaues erfolgt, dem die Fischereiberechtigten zugestimmt hätten. Die beklagte Partei sei für das erhobene Klagebegehren passiv nicht legitimiert. Konsenswerber des Projekts sei die A***- UND S*** AG gewesen.

Die Zulässigkeit des Rechtsweges wurde bejaht (1 Ob 16/87 vom 15. Juli 1987). Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nur der Fischereiberechtigte, nicht auch der Pächter könne Schäden, die durch Bauarbeiten am Fischbestand eintreten, geltend machen. Der Fischereiberechtigte habe zwar die ihm erwachsenen Schäden der klagenden Partei abgetreten, doch sei der Schaden aus dem Minderverkauf von Fischereikarten nicht im Vermögen des Fischereiberechtigten eingetreten; es handle sich dabei um einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden. Zur Geltendmachung des Mehraufwandes für den Besatz mit Jungfischen wäre die klagende Partei zwar legitimiert, weil diesen Schaden auch der Fischereiberechtigte hätte geltend machen können. Die A***- UND S*** AG habe im Zuge des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens die Verpflichtung übernommen, Fischereischäden zu ersetzen, doch bestehe diese Verpflichtung nur gegenüber dem Fischereiberechtigten, nicht auch gegenüber dem Pächter.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Ein Vorbringen, daß die eingetretenen Schäden durch eine konsenswidrige Vorgangsweise der beklagten Partei entstanden seien, sei nicht erstattet worden. Ein Anerkenntnis der Klagsansprüche sei nicht erweislich. Gemäß § 26 Abs. 2 WRG hafte der Wasserberechtigte für den Ersatz des Schadens, der durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage an einem Fischereirecht entstanden sei, wenn bei der Erteilung der Bewilligung mit dem Eintritt dieser nachteiligen Wirkung überhaupt nicht oder nur in einem geringeren Umfang gerechnet worden sei. Diese Bestimmung sei auch auf Schäden anzuwenden, die im Zuge von Schutz- und Regulierungswasserbauten entstehen. Aus dem Verwaltungsakt ergebe sich, daß bei der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung auf die nunmehr geltend gemachten Schäden nicht Bedacht genommen worden sei; es sei hiefür auch keine Entschädigung geleistet worden. Anspruchsberechtigt sei allerdings nur der Fischereiberechtigte, nicht auch der Pächter. Im vorliegenden Fall habe der Fischereiberechtigte aber die ihm zustehenden Ansprüche der klagenden Partei abgetreten. Wasserberechtigter bzw. Konsenswerber sei aber nicht die beklagte Partei, sondern die A***- UND S*** AG. Die beklagte Partei sei demnach für den erhobenen Anspruch, soweit er auf § 26 Abs. 2 WRG genützt werde, nicht legitimiert. Diese Bestimmung schließe als Spezialnorm auch die Anwendung des § 364 a ABGB aus, so daß dahingestellt bleiben könne, ob der Ausgleichsanspruch auch gegen denjenigen erhoben werden könne, der die behördlich genehmigte Anlage lediglich im Auftrag des Grundbesitzers bzw. Konsenswerbers errichte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der klagenden Partei kommt Berechtigung nicht zu.

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. Juni 1983 wurde die Herstellung von Regulierungswasserbauten bewilligt, worunter Bauten zu verstehen sind, die der Begradigung bestehender oder der Herstellung neuer Wasserläufe dienen (SZ 55/189; Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 187). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen (SZ 55/189; 1 Ob 48/81), daß die Erfolgshaftung des § 26 Abs. 2 WRG für alle Fälle gilt, in denen bei der wasserrechtsbehördlichen Bewilligung einer Wasserbenutzungsanlage mangels Voraussehbarkeit eines bei rechtmäßigem Betrieb der Anlage entstehenden Schadens keine Entschädigung festgesetzt wurde. Diese für Wasserbenutzungsrechte getroffene Regelung habe auch bei Schutz- und Regulierungswasserbauten nach § 41 WRG sinngemäß Anwendung zu finden. Sie gelte insbesondere auch für die angemessene Entschädigung des Fischereiberechtigten. Daß die Fischereiberechtigten im wasserrechtsbehördlichen Verfahren keine Einwendungen gegen die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung erhoben haben (vgl. § 15 Abs. 1 WRG), weil sie davon ausgingen, daß die Bauführung "fischereifreundlich" erfolgen werde, nimmt ihnen nicht das Recht, bei dennoch auftretenden Schäden Schadenersatz zu begehren. Nach dem Inhalt des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark wurde im wasserrechtsbehördlichen Verfahren eine Entschädigung weder für Schäden, die während der Bauzeit auftreten, noch auch für Schäden, die mit der Durchführung des Projektes als solchem verbunden sind, zuerkannt. Es wurde nur die Erklärung des Fischereiberechtigten protokolliert und im Bescheid wiedergegeben, daß beim Auftreten von Schäden Schadenersatz zu leisten sein wird. Es ist dem Bescheid auch nicht zu entnehmen, daß die Wasserrechtsbehörde mit Schäden irgendwelcher Art gerechnet hätte. Zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet ist aber nur der als Konsenswerber auftretende Regulierungsunternehmer (SZ 53/11 = EvBl. 1981/9; Grabmayr-Rossmann, Das österreichische Wasserrecht2 264). Regulierungsunternehmer war aber die A***- UND S*** AG, nicht der Beklagte, so daß ein auf die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes gegründeter Schadenersatzanspruch gegen die beklagte Partei nicht zu Recht besteht. Die Rechtsmittelwerberin vertritt in der Revision auch selbst den Standpunkt, daß § 26 Abs. 2 WRG im gegenständlichen Fall unanwendbar und die Sache nach § 364 a ABGB abzuhandeln sei. Dem Fischereiberechtigten stehen grundsätzlich nachbarrechtliche Ansprüche wie dem Eigentümer zu (SZ 50/84; JBl. 1966, 319; Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 364; Schwimann/Pimmer, ABGB, Rz 5 zu § 364). Die klagende Partei ist allerdings nicht Fischereiberechtigter, sondern nur Pächter des Fischereirechtes. Ein Schaden trat im Vermögen des Fischereiberechtigten auch nur insoweit ein, als er einen um rund S 20.000,-- geringeren Pachtzins erhielt. Diesen Schaden macht die klagende Partei als Zessionarin der Entschädigungsansprüche des Fischereiberechtigten nicht geltend. Sie beansprucht Ersatz dafür, daß sie weniger Fischereikarten verkaufen konnte und einen Mehraufwand für Besatzfische tätigen mußte. Dieser Schaden ist in ihrem Vermögen, nicht im Vermögen des Fischereiberechtigten eingetreten.

Ob der Pächter zur Geltendmachung des in seinem Vermögen eingetretenen Schadens berechtigt wäre, kann dahin gestellt bleiben, weil die beklagte Partei für einen aus nachbarrechtlichen Bestimmungen abgeleiteten Ersatzanspruch passiv nicht legitimiert ist. Leistungspflichtig aus nachbarrechtlichen Ansprüchen ist der Grundeigentümer, auch wenn er nicht selbst die störende Einwirkung herbeigeführt hat. Verursacht sie ein anderer, so wird eine Haftung des Grundnachbarn von Rechtsprechung und Lehre dann als gerechtfertigt erachtet, wenn der Eigentümer die Einwirkung duldet, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen wäre (SZ 59/47 mwN). Das gilt insbesondere für den Besorgungsgehilfen (SZ 55/16 mwN). Ein Dritter, der die Immission verursacht, haftet hingegen nur dann nachbarrechtlich, wenn er den Grund für eigene Zwecke benützt (MietSlg. 37.018; SZ 47/140; SZ 41/84; SZ 38/106); dies ist bei einem Bauunternehmer, der auf Grund eines Werkvertrages mit dem Grundeigentümer Bauarbeiten auf dem Nachbargrund durchführt, nicht der Fall (SZ 47/140; EvBl. 1964/239; Schwimann/Pimmer, a.a.O. Rz 13 zu § 364), weil ihm auf Grund des Werkvertrages keine Benützungsbefugnis, die ihn nach den Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB haftbar machen könnte, zusteht. Eine Ausdehnung der nachbarrechtlichen Haftung auf solche Unternehmer könnte mit dem Sinn und Zweck des Nachbarrechtes in keiner Weise mehr in Einklang gebracht werden. Die Bestimmungen der §§ 364, 364 a und 364 b ABGB regeln nur Kollisionen zwischen gleichrangigen Eigentumsrechten; sie sehen Einschränkungen der Befugnisse jedes Eigentümers im Interesse des friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn vor und gewähren als Ausgleich für aus dem Naheverhältnis entstehende Kollisionen vom Verschulden unabhängige Ersatzansprüche, wenn dem Geschädigten ein Abwehrrecht genommen ist (SZ 55/28 ua). Das rechtfertigt noch eine verschuldensunabhängige Haftung desjenigen, der den Nachbargrund für eigene Zwecke benützt, nicht aber desjenigen, der im Auftrag des Nachbarn auf dem Nachbargrund lediglich Werkleistungen erbringt. Demnach ist die Haftung der beklagten Partei, die nur auf Grund eines Werkvertrages mit dem Konsenswerber tätig wurde, auch nach nachbarrechtlichen Bestimmungen zu verneinen.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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