Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt lauten:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 18.170 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 11. 2010 zu zahlen und die mit 2.542,50 EUR (Pauschalgebühren) bestimmten Verfahrenskosten sämtlicher Instanzen zu ersetzen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 18.170 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 11. 2010 zu zahlen, wird abgewiesen.“
Text
Entscheidungsgründe:
Eine Kommanditgesellschaft (KG) kontaktierte im Sommer 2008 die klagende GmbH, um ihr Bauaufträge zu erteilen. Die klagende Partei holte vor der Erteilung von Aufträgen bei der beklagten Partei eine Auskunft über die Bonität ihrer (möglichen) zukünftigen Geschäftspartnerin ein. Die mit Schreiben vom 1. 8. 2008 übermittelte Bonitätsauskunft, für welche die klagende Partei 97,44 EUR zahlte, lautete auszugsweise:
„Gesamtbewertung: Geringes Risiko
Das K*****-Rating des Unternehmens ist schlechter als der Branchen-Durchschnitt.
Empfehlung: Trotz der aktuellen finanziellen Verhältnisse werden Geschäfts- und Kreditverbindungen empfohlen. Das Risiko wird wegen positiver Erfahrungen aus dem Branchen- und Unternehmensumfeld als gering eingestuft.
Das Unternehmen erbringt Dienstleistungen. Das Einkaufsvolumen ist daher gering.
Soweit uns bekannt, zahlt das Unternehmen in der Nettofrist.
In die finanzielle Situation ist kein näherer Einblick möglich. Anfang 2008 kam es zu Änderungen in den Besitzverhältnissen und Ausweitung der Geschäftstätigkeit. Eine längerfristige Entwicklung bliebe noch abzuwarten.
K*****-Einzelhöchstkredit: EUR 5.000.“
Im Vertrauen auf diese Bonitätsauskunft entschloss sich die klagende Partei zur Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit der KG und begann, für diese Bauaufträge abzuwickeln. Dies hätte sie unterlassen, hätte die beklagte Partei die Aufnahme einer Geschäftsverbindung nicht empfohlen.
Im Oktober 2008 stellte die klagende Partei die halbfertigen Bauvorhaben ein, weil die KG die Werklohn-Raten nicht fristgerecht zahlte. Die klagende Partei beauftragte in der Folge die K***** F***** GmbH, die offenen Werkhonorare einzumahnen. Der klagenden Partei war nicht bekannt, dass „es innerhalb des K***** (gemeint: K*****) unterschiedliche juristische Personen (gemeint: K***** Holding AG, K***** I***** GmbH und K***** F***** GmbH) mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben gibt“. Im Zuge der Einmahnung der offenen Honorarbeträge stellte sich heraus, dass bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der Bonitätsauskunft Exekutionsverfahren gegen die KG und deren Gesellschafter sowie mehrere „Werklohn-Prozesse“ gegen die KG anhängig gewesen waren. Die K***** F***** GmbH informierte die klagende Partei mit Schreiben vom 31. 10. 2008 über die schlechte Bonität (hohes Klags-/Kostenrisiko) der KG sowie die anhängigen Exekutionsverfahren und Klagen. Die Einbringung einer Klage wurde nicht empfohlen. Vor der Forderungseintreibung im Oktober 2008 hatte die beklagte Partei von den anhängigen Verfahren keine Kenntnis und hätte davon auch keine Kenntnis haben können, weil es ihr aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich war, allfällige Exekutions- oder sonstige Prozessregister einzusehen. Darauf hatte sie in ihrer Bonitätsauskunft nicht hingewiesen. Aus dem Firmenbuchauszug der KG war im August 2008 ersichtlich gewesen, dass das Unternehmen seit Gründung 1998 bereits elf Mal in Österreich den Firmensitz verlegt und regelmäßig die Firma geändert hatte. Die Bonitätsauskunft enthielt einen Auszug aus dem Firmenbuch.
Die klagende Partei erwirkte in der Folge gegen die KG und deren persönlich haftende Gesellschafter Exekutionstitel. Die offenen Werklohnforderungen konnten aufgrund der Vermögenslosigkeit der Schuldner nicht einbringlich gemacht werden. Am 5. 6. 2009 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der KG abgewiesen. Sie wurde gemäß § 39 FBG aufgelöst.
Der klagenden Partei entstand ein Schaden in Höhe des nicht bezahlten Werklohns von 79.399,55 EUR.
Die klagende Partei begehrte aufgrund der unrichtigen Bonitätsauskunft („aus wirtschaftlichen Überlegungen vorerst“) Teilschadenersatz von 36.340 EUR sA. Die beklagte Partei wäre zu sorgfältigen Recherchen verpflichtet gewesen. Bei den gegebenen Verhältnissen hätte sie die Aufnahme geschäftlicher Beziehungen nicht ausdrücklich empfehlen dürfen.
Die beklagte Partei wendete - soweit im Revisionsverfahren noch relevant - ein, die erteilte Auskunft mit gehöriger Sorgfalt erstellt zu haben, und warf der klagenden Partei ein Mitverschulden vor.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beklagte Partei sei Sachverständige im Sinn des § 1299 ABGB, ihre Haftung für die unrichtige, entgeltlich erteilte Auskunft sei nach § 1300 Satz 1 ABGB zu beurteilen. Sie habe aber kein Verschulden zu vertreten, habe sie doch ausdrücklich auf ihre fehlende Einsicht in die finanzielle Situation des betroffenen Unternehmens verwiesen.
Das Berufungsgericht teilte diese Auffassung und bestätigte das angefochtene Urteil. Eine aus einer ex post-Betrachtung unrichtige Einschätzung der Bonität begründe mangels Garantie der objektiven Richtigkeit der Auskunft keine Haftung. Eine Aufklärungspflicht darüber, gesetzwidrige Erhebungen (Einholung von Auskünften aus dem Exekutionsregister) nicht durchgeführt zu haben, bestehe nicht.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und teilweise berechtigt.
1. Keine der Parteien zieht im Revisionsverfahren in Zweifel, dass die beklagte Partei die Bonitätsauskunft als Sachverständige (§ 1299 Satz 1 ABGB) nicht bloß aus Gefälligkeit erteilte und ihre Haftung nach § 1300 Satz 1 ABGB zu beurteilen ist. Schon die in der, entgeltlich erteilten, Bonitätsauskunft ausgesprochene ausdrückliche Empfehlung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen macht deutlich, dass die Absicht der klagenden Partei, je nach Ergebnis der Auskunft geschäftliche Dispositionen zu treffen, für die beklagte Partei erkennbar war. Zwischen den Streitteilen ist ein Auskunftsvertrag zustandegekommen (vgl RIS-Justiz RS0014562; vgl Schacherreiter in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1299 Rz 55 mN in FN 152 f und Rz 61 mN in FN 170), dessen Hauptpflicht auf Seiten der beklagten Partei in der Erteilung der Auskunft bestand.
2. Die Auskunft bzw der Rat waren insoweit objektiv unrichtig, als trotz Nichtzahlung offener Forderungen durch die KG und anhängiger (Exekutions-)Verfahren die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung ausdrücklich empfohlen, das Risiko als gering eingestuft und Zahlungen des Unternehmens in der Nettofrist angegeben wurden.
3. Diese Tatsache einer Fehleinschätzung der Situation gesteht die beklagte Partei in der Revisionsbeantwortung an sich zu, sie bestreitet aber nach wie vor ihr Verschulden. Dabei verweist sie auf die in der Auskunft enthaltenen Formulierungen zum Fehlen eines näheren Einblicks in die finanzielle Situation und zur Beschränkung des „K*****-Einzelhöchstkredits“ mit 5.000 EUR. Eine Aufklärung über die Unmöglichkeit, das „Exekutionsregister“ einzusehen und sonstige Informationen über anhängige Verfahren zu erhalten, könne nicht erwartet werden, zumal es sich um gesetzwidrige Erhebungen handle.
4. Das Verschulden der beklagten Partei als Sachverständige im Sinn des § 1299 ABGB bestimmt sich nach objektiven Kriterien; maßgeblich sind die typischen und objektiv bestimmten Fähigkeiten von Fachleuten, die mit der Erteilung derartiger Bonitätsauskünfte befasst sind (vgl RIS-Justiz RS0022711 [T1]; vgl Reischauer in Rummel³ § 1299 ABGB Rz 5 mwN; vgl Karner in KBB³ § 1299 ABGB Rz 1 ff). Die klagende Partei durfte von der Auskunftgeberin erwarten, dass deren grundsätzlich positive Einschätzung der Bonität auf objektiven Daten und Informationen beruhte und die Auftragnehmerin allenfalls unzureichende Kenntnisse offengelegt hätte (vgl RIS-Justiz RS0108073 zur Information eines Anlageinteressenten durch den Anlagevermittler/Anlageberater).
5. Dieser Offenlegungspflicht werden die gegen Ende der Auskunft enthaltenen Hinweise (kein näherer Einblick in die finanzielle Situation etc), deren Bedeutung die beklagte Partei in der Revisionsbeantwortung besonders hervorhebt, nicht ausreichend gerecht, wurde doch eingangs die Aufnahme der Geschäftsverbindung ausdrücklich empfohlen. Es kann von einem Kunden, der ein auf die Erteilung derartiger Auskünfte wohl spezialisiertes Unternehmen damit beauftragt, die Bonität eines potentiellen Vertragspartners zu prüfen, nicht verlangt werden, sich Gedanken zu machen, in welcher gesetzlich zulässigen Weise ihr Auftragnehmer die Informationen sammelt, auf deren Basis die Bonitätsauskunft erstellt wird. In diesem Zusammenhang ist insbesondere anzumerken, dass es nur etwa drei Monate nach Einholung der Bonitätsauskunft einer anderen Teilorganisation der K*****-Unternehmensgruppe (einer Schwestergesellschaft der beklagten Partei) möglich war, die Tatsache anhängiger Exekutions- und sonstiger Zivilverfahren in Erfahrung zu bringen. Diese Aufspaltung in unterschiedliche Aufgabenbereiche „innerhalb des K*****“ war der klagenden Partei nach den Feststellungen nicht bekannt. Was die objektive Grundlage für die Einschätzung des Risikos als gering betrifft, so beruhte diese Einstufung nach dem eigenen Vorbringen der beklagten Partei in erster Instanz auf einem Gespräch mit einem Gesellschafter (offenbar: der KG). Dass die Auskunft eines Gesellschafters jenes Unternehmens, dessen Bonität untersucht wird, von einer subjektiven Sichtweise geprägt sein kann, liegt auf der Hand.
6. Zu Recht wirft die klagende Partei also ihrer Vertragspartnerin vor, trotz der selbst eingestandenen fehlenden Möglichkeit der Einsicht in die finanzielle Situation ausdrücklich die Aufnahme von Geschäftsverbindungen empfohlen und damit die Entscheidung der klagenden Partei maßgeblich beeinflusst zu haben. Das Verschulden der beklagten Partei ist somit entgegen der Auffassung der Vorinstanzen zu bejahen.
7. Die Widersprüchlichkeit der Bonitätsauskunft, mit der die klagende Partei selbst argumentiert, ist jedoch nicht ohne Konsequenz für die Berechtigung ihres Schadenersatzanspruchs. Sie begründet vielmehr ein Mitverschulden der Geschädigten, das nach § 1304 ABGB und nicht nach § 1299 Satz 3 ABGB zu beurteilen ist. Diese Regelung betrifft den (hier nicht vorliegenden und auch nicht behaupteten) Fall einer (zumutbaren) bei Geschäftsabschluss gegebenen Kenntnis des Auftraggebers von den fehlenden Fähigkeiten des beauftragten Sachverständigen (vgl Harrer in Schwimann ABGB³ § 1299 Rz 4; Reischauer aaO § 1299 Rz 11).
8. Die Bonitätsauskunft beschränkte sich eben nicht auf eine ausdrückliche Empfehlung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen und eine Einschätzung des Bonitätsrisikos als gering. Sie enthielt abschwächende bzw relativierende Formulierungen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit für den Geschäftsführer der klagenden Partei Anlass gewesen wären, an einer apodiktischen (unbedingten) Empfehlung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen bzw Einstufung des Bonitätsrisikos als gering zu zweifeln. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese der klagenden Partei anzulastende Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten gleich zu bewerten wie die Verletzung vertraglicher Pflichten durch das beauftragte Unternehmen. Damit ist der ohne Einräumung eines Mitverschuldens eingeklagte Schadenersatzanspruch der klagenden Partei um 50 % zu kürzen (RIS-Justiz RS0027184).
9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei hat nach § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühren im Ausmaß ihres Obsiegens.
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