Spruch:
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, anstelle eines einheitlichen Ausspruchs über den Wert des Entscheidungsgegenstands und über die Zulässigkeit eines weiteren Rekurses die Unterlasssungsansprüche getrennt zu bewerten und gesondert auszusprechen, ob in Ansehung jedes einzelnen Begehrens der Rekurs zulässig ist.
Text
Begründung
Die drei zu einer ARGE vereinigten klagenden und gefährdeten Baugesellschaften (im folgenden klagende Parteien) waren von der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien (im folgenden beklagte Partei) mit der Ausführung von Straßenbauarbeiten in einem bestimmten Baulos beauftragt und hatten zur Sicherung von deren Gewährleistungsansprüchen Bankgarantien zu bestellen. Die nachstehenden Garanten (Banken) erklärten über Auftrag jeweils einer klagenden Partei (als Mitglied der ARGE) Garantien über folgende Summen:
a) die B***** Aktiengesellschaft am 14.Dezember 1994 zu Garantie-Nr 1313-4057 über 545.300 S im Auftrag der erstklagenden Partei,
b) die E***** Spar-Casse am 12.Dezember 1994 zu 612-CR-sn über 545.400 S im Auftrag der zweitklagenden Partei,
c) die Ö***** Aktiengesellschaft am 7.Dezember 1994 über 545.300 S im Auftrag der drittklagenden Partei,
d) die Ö***** Aktiengesellschaft, Zweigstelle Krems an der Donau, am 8. Juni 1993 zu Nr 313-3774 über 14.500 S im Auftrag der erstklagenden Partei,
e) die E***** Spar-Casse am 8.September 1993 zu 612-K-wi über 14.600
S im Auftrag der zweitklagenden Partei und
f) die Ö***** Aktiengesellschaft am 14.September 1993 zu Garantie Nr 5237/2396 über 14.900 S im Auftrag der drittklagenden Partei,
alle mit Widmung: "Zur Sicherung der Rechtsansprüche, welche der
Republik Österreich/... aus dem über diese Leistungen abgeschlossenen
Vertrag erwachsen, übernehmen wir hiemit die Haftung gegenüber der
Republik Österreich/... bis zum Hochstbetrag von ..." (es folgt
jeweils die Garantiesumme). Die Garantiebriefe a) bis c) verloren ihre Gültigkeit am 25.Dezember 1995, die Garantiebriefe d) bis e) verlieren ihre Wirksamkeit am 25.Dezember 1996. Ein Organ der beklagten Partei kündigte mit Schreiben vom 9.Oktober 1995 den Abruf von 383.625,92 S aus den Haftbriefen wegen Werklohn-Überzahlungen an.
Mit einstweiliger Verfügung vom 20.Dezember 1995 verbot das Erstgericht - ohne Anhörung der beklagten Partei - zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Parteien auf Unterlassung des Abrufs (gemeint: Inanspruchnahme) der sechs Bankgarantien, in eventu auf Widerruf des bereits erfolgten Abrufs, der beklagten Partei antragsgemäß ab sofort, diese Bankgarantien abzurufen sowie den Garanten, Auszahlungen aus den Bankgarantien an die beklagte Partei vorzunehmen. Die beklagte Partei behaupte tatsächlich nicht bestehende Rückforderungsansprüche aus Werklohnüberzahlungen und habe angekündigt, die Bankgarantien zu deren Befriedigung in Anspruch zu nehmen, obwohl diese ausschließlich für Gewährleistungsansprüche gewidmet gewesen seien. Dies sei evident rechtswidrig und daher rechtsmißbräuchlich.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der beklagten Partei, soweit er sich gegen die Verbote in Ansehung der Bankgarantien a) bis c) wendete, als unzulässig zurück, weil diese ihre Wirksamkeit mit 25. Dezember 1995 verloren hätten und ab diesem Zeitpunkt der beklagten Partei das Rechtsschutzinteresse fehle, und bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung in Ansehung der Bankgarantien d) bis f) aus im einzelnen genannten Gründen. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands (gemeint insgesamt) 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die beklagte Partei strebt mit ihrem "außerordentlichen" Rechtsmittel eine Abänderung, hilfsweise eine Aufhebung der rekursgerichtlichen Entscheidung an. Die klagenden Parteien beantragten in ihrer - noch vor einer Freistellung erstatteten - Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel der beklagten Partei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Frage, wie weit das Rechtsmittel der beklagten Partei zulässig ist, kann auf Grund der Aussprüche des Rekursgerichts noch nicht beurteilt werden.
Die klagenden Parteien haben das Begehren auf Unterlassung des
"Abrufs" (gemeint: Inanspruchnahme) von sechs Bankgarantien
verschiedener Garanten zum Gegenstand ihres Hauptklage- und
-sicherungsbegehrens gemacht. Werden in einer Klage mehrere
Forderungen geltend gemacht, bilden sie nur dann einen einheitlichen
Streitgegenstand und Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts, wenn
die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie
getrennt zu behandeln (vgl 4 Ob 521/95; Kodek in Rechberger, § 502
ZPO Rz 1). Für die Beurteilung der Zulässigkeit des vorliegenden
"außerordentlichen" Revisionsrekurses sind demnach mehrere in einem
Sicherungsantrag geltend gemachte Ansprüche nur dann
zusammenzurechnen, wenn die klagenden Parteien materielle
Streitgenossen iSd § 11 Z 1 ZPO sind - was hier auszuschließen ist -
oder ihre Forderungen in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang
iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN stehen, weil diese Bestimmung gemäß § 55 Abs 5
JN auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln
maßgebend ist (SZ 63/188 uva; zuletzt 4 Ob 521/95). Das entspricht
auch der seit der WGN 1989 bestehenden Rechtslage, mit der bewußt zum
Jud 56 neu zurückgekehrt wurde (RZ 1995/31 mwN ua). Mehrere Ansprüche
stehen in tatsächlichem Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben
Klagesachverhalt abgeleitet werden können; wenn also das für einen
Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die
anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne daß
noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (Mayr in
Rechberger, § 55 JN Rz 2 mwN). Für den rechtlichen Zusammenhang gilt
dagegen als Kriterium, daß die Ansprüche aus derselben Rechtsnorm
oder demselben Vertrag abgeleitet werden und miteinander in
unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Eine
Zusammenrechnung findet jedoch nicht statt, wenn jeder der mehreren
Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann
oder wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen
den mehreren Ansprüchen nicht besteht (RZ 1995/31; SZ 56/186 uva;
zuletzt 4 Ob 521/95). Bei Anlegung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erweist sich, ausgehend vom maßgeblichen Vorbringen der klagenden Parteien (RZ 1995/31 ua), daß verschiedene Garanten auf Grund jeweils gesonderter Aufträge der drei klagenden Parteien zu verschiedenen Zeitpunkten insgesamt sechs Garantien erstellt haben, somit sechs in ihrer Wirksamkeit vom Werkauftrag unabhängige Garantiegeschäfte zu beurteilen sind und somit jeder der von einer der klagenden Parteien in Ansehung jeweils einer der Bankgarantien klageweise geltend gemachten Unterlassungsansprüche in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht als selbständig und in seinem rechtlichen Schicksal von den anderen eingeklagten Ansprüchen unabhängig anzusehen ist.
Hat aber eine Zusammenrechnung der Streitgegenstände nicht stattzufinden, dann ist, sofern wie hier mehrere nicht in Geld bestehende Ansprüche geltend gemacht werden, die Bewertung nach § 500 Abs 2 - hier iVm § 526 Abs 3 - ZPO gesondert vorzunehmen; weiters sind auch getrennte Aussprüche über die Zulässigkeit des Rekurses bzw Revisionsrekurses erforderliche (MietSlg 25.550, 24.575; 4 Ob 167/89 ua; Kodek aaO § 500 ZPO Rz 3).
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